Pressemitteilung,

13 neue Welterbestätten ernannt

UNESCO-Komitee erweitert Welterbeliste um Orte auf vier Kontinenten

Das UNESCO-Welterbekomitee hat heute 13 neue Stätten zum Erbe der Menschheit erklärt, darunter das Jüdisch-Mittelalterliche Erbe in Erfurt, Ringburgen aus der Wikingerzeit in Dänemark und die Kulturlandschaft Tr’ondëk-Klondike in Kanada, in der sich die dramatischen Veränderungen spiegeln, die die Kolonialisierung des nordamerikanischen Kontinents mit sich brachte. Zudem wurden zwei Welterbestätten erweitert. Das Komitee tagt noch bis zum 25. September in Riad, Saudi-Arabien.

Neuaufnahmen

Kulturlandschaft von Gedeo (Äthiopien)

Die Kulturlandschaft von Gedeo erstreckt sich entlang der Ostflanke des äthiopischen Hochlandes. Neben ihren beeindruckenden Megalithdenkmälern ist sie auch ein außergewöhnliches Zeugnis der immer noch lebendigen indigenen Agroforstwirtschaft der Region. Dabei bieten ausgewachsene Bäume der Nahrungspflanze Ensete Schutz vor der Witterung. Unter dieser gedeihen weitere Nutzpflanzen, neuerdings auch Kaffee. Dieses symbiotische und ökologisch nachhaltige System sichert heute den Lebensunterhalt von mehr als einer Viertelmillion Menschen. Die Kulturlandschaft ist ein herausragendes Beispiel für die Entwicklung effizienter und minimalinvasiver Landnutzung.
 

Kulturlandschaft der alten Teewälder des Jingmai-Berges in Pu’er (China)

Die alten Teewälder des Jingmai-Berges liegen in der Provinz Yunnan im Südwesten Chinas. Über tausend Jahre von den Blang- und Dai-Völkern gestaltet, besteht diese Kulturlandschaft aus einem Teeanbaugebiet mit alten Hainen, Plantagen, Wäldern und Dörfern. Sie ist ein herausragendes Beispiel für eine nachhaltige Landnutzung in anspruchsvoller Umgebung. Besonders der traditionelle Unterholzanbau alter Teebäume berücksichtigt die spezifischen Bedingungen des Bergökosystems und des subtropischen Monsunklimas. Die Blang- und Dai-Völker schützten die natürlichen Ressourcen, die auch integraler Bestandteil von Zeremonien und Festen waren. Beispielsweise glaubten sie, dass in den Teeplantagen besondere Geister, die Tee-Ahnen, zugegen wären und verehrten sie dementsprechend.
 

Wikingerzeitliche Ringburgen (Dänemark)

Die Ringburgen Aggersborg, Fyrkat, Nonnebakken, Trelleborg und Borgring sind wichtige Zeugnisse militärischer Architektur der Wikingerzeit. Alle fünf Anlagen wurden während der Herrschaft von Harald „Blauzahn“ Gormsson etwa zwischen 970 und 980 nach einheitlichen Entwürfen errichtet. Sie bestanden aus befestigten kreisförmigen Wällen mit vorgelagertem Graben und vier Toren. Die axialen Torstraßen teilten das Innere in vier gleiche Teile, in denen Langhäuser errichtet wurden. Diese Festungskette überwachte wichtige Land- und Seewege auf der Halbinsel Jütland sowie auf den Inseln Fünen und Seeland. Obwohl sie nur für kurze Zeit in Betrieb war, ist die Kette ein herausragendes Beispiel für die Zentralisierung der Wikingermacht unter Harald Blauzahn, dessen Einflussgebiet sich vom heutigen Norddeutschland über Dänemark bis nach Südschweden und Norwegen erstreckte.
 

Jüdisch-Mittelalterliches Erbe in Erfurt (Deutschland)

Die Alte Synagoge, die Mikwe und das Steinerne Haus im Herzen der Erfurter Altstadt sind ein ebenso seltenes wie hervorragend erhaltenes Beispiel jüdischer Sakral- und Profanarchitektur aus dem europäischen Mittelalter. Alle drei Gebäude veranschaulichen in ihrer Bausubstanz, in ihren architektonischen Details und Dekorationselementen, wie sich eine jüdische Gemeinde räumlich und sozial an das Zusammenleben mit einer überwiegend christlichen Gesellschaft anpasste. Dabei zeugt das Ensemble von der Blütezeit jüdischen Lebens in Erfurt vom späten 11. Jahrhundert bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, als die Stadt am Schnittpunkt bedeutender mitteleuropäischer Handelsrouten lag. Gleichermaßen dokumentiert das Welterbe das furchtbare Ende der Gemeinde durch die Pest und die ihr folgenden Pogrome.
 

Santiniketan (Indien)

Santiniketan war eine experimentelle Siedlung für Bildung und Gemeinschaftsleben in ländlicher Umgebung. Der berühmte Dichter und Philosoph Rabindranath Tagore gründete sie im Jahr 1901. Gemäß seinen Überzeugungen und den Visionen der Bengal School of Arts sollten sich hier Leben, Lernen und Arbeit, Kunst und Natur, Lokales und Globales zu einem einzigartigen Gesamtkunstwerk verflechten. Bereits die Gebäude zeugen vom Experimentieren mit verschiedenen Techniken, Materialien und Designs. Anfang des 20. Jahrhunderts avancierte Santiniketan dann zum Schmelztiegel einer künstlerischen und intellektuellen Renaissance. Hier wurde eine Moderne geschaffen, die die Anführer der indischen Freiheitsbewegung beeinflussen sollte, darunter Mahatma Gandhi.
 

Die persische Karawanserei (Iran)

Karawansereien waren Gasthäuser, die Reisenden Wasser, Nahrung und Unterkunft gewährten. Mehr als 1.000 dieser Orte wurden über viele Jahrhunderte entlang der Straßen des heutigen Irans errichtet. Über 50 der einflussreichsten sind jetzt Teil des UNESCO-Welterbes und offenbaren eine breite Palette an architektonischen Stilen und Baumaterialien. Gemeinsam zeigen sie die Entwicklung des persischen Netzwerks der Karawansereien über verschiedene Epochen der Menschheitsgeschichte.
 

Koh Ker: Archäologische Stätte des antiken Lingapura oder Chok Gargyar (Kambodscha)

Lingapura, auch als Chok Gargyar bekannt, war zwischen 921 und 944 eine bedeutende Stadt des Khmer-Reichs. Die Grabungsstätte befindet sich etwa 80 Kilometer nordwestlich von Angkor. Sie umfasst zahlreiche Tempel und Heiligtümer mit Skulpturen, Inschriften und Wandmalereien.
Ihre Architektur ist von zwei wichtigen Entwicklungen geprägt: dem Koh-Ker-Stil der Bildhauer jener Zeit mit seinen dynamischen, skulpturalen Bildern und dem Bauen mit großen monolithischen Steinblöcken. Beide Innovationen leiteten eine jahrhundertelange Phase des Steintempelbaus im gesamten Khmer-Reich ein.
 

Kulturlandschaft Tr’ondëk-Klondike (Kanada)

Tr’ondëk-Klondike liegt in der Heimat der Tr’ondëk Hwëch’in im Nordwesten Kanadas, einer der indigenen First Nations des Landes. In der Kulturlandschaft zeigen sich die dramatischen Veränderungen, die die fieberhafte Suche nach Edelmetallen in dieser Region ausgelöst hat – vom Bau des ersten kommerziellen Pelzhandelspostens in Fort Reliance 1874 über den Klondike-Goldrausch zwischen 1896 und 1898 bis hin zur Konsolidierung der Kolonialmacht 1908. Die Region ist ein Beispiel dafür, welche Umwälzungen der Kolonialismus mit sich brachte: in der Landnutzung, den Siedlungsmustern und der Wirtschaft. Das Welterbe zeugt auch vom Leid, von Enteignung und Marginalisierung der indigenen Bevölkerung während dieser Zeit.
 

Kuldīga / Goldingen in Kurland (Lettland)

Kuldīga ist ein außergewöhnlich gut erhaltenes Beispiel einer traditionellen kurländischen Siedlung. Unter dem Namen Goldingen war sie Sitz und Verwaltungszentrum des ersten Herzogs von Kurland und Semgallen, dessen Nachfolger zwischen 1561 und 1795 große Teile des Baltikums regierten. Die internationale Ausrichtung des Herzogtums führte dazu, dass sich viele ausländische Kaufleute und Handwerker in Kuldīga niederließen. Das historische Stadtgefüge kennzeichnen lokale Bautraditionen ebenso wie Einflüsse aus anderen Ländern.
 

Hirschsteine und zugehörige Stätten der Bronzezeit (Mongolei)

An den Hängen des Changai-Gebirges gelegen, zeugen die Hirschsteine von der Begräbniskultur eurasischer Nomaden der Bronzezeit. Bei den monumentalen Kunstwerken handelt es sich um bis zu vier Meter hohe Monolithe, die senkrecht aus dem Boden aufragen und mit Abbildungen von Hirschen verziert sind. Sie werden auf die Zeit zwischen 1200 und 600 v. Chr datiert und wurden in räumlich ausgedehnten Komplexen errichtet, in denen sich zudem große Grabhügel und Opferaltäre finden.
 

Das antike Jericho / Tell es-Sultan (Palästinensische Gebiete)

Das antike Jericho bzw. Tell es-Sultan ist eine archäologische Grabungsstätte im Jordantal. Die 29 Siedlungsphasen der Stadt reichen bis 10.500 v. Chr. zurück. Erhaltene Monumentalbauten wie eine Mauer mit Graben und Turm belegen, dass das antike Jericho im 9. und 8. Jahrtausend v. Chr. bereits eine beachtliche Siedlung war. Doch auch weniger augenfällige Funde geben Aufschluss über Bau- und Lebensweisen während der Jungsteinzeit und Bronzezeit. Am antiken Jericho lässt sich der Übergang der Menschheit zu sesshaftem Gemeinschaftsleben und damit auch zu neuen Formen der Subsistenzwirtschaft, der sozialen Organisation und der Entwicklung religiöser Praktiken nachvollziehen.
 

Gaya-Hügelgräber (Südkorea)

Die Hügelgräberkomplexe der Gaya befinden sich im südlichen Teil der koreanischen Halbinsel. Sie wurden zwischen dem 1. und 6. Jahrhundert von den sieben Staaten der Gaya-Konföderation angelegt. Die Gaya-Staaten arbeiteten ebenso autonom wie politisch gleichberechtigt zusammen. Diese Kombination aus Zu- und Eigenständigkeit spiegelt sich in den Gräbergruppen wider. Grabbeigaben wie Eisenwaffen weisen auf ein ähnliches Maß an militärischer Macht hin, während Handelsgüter belegen, dass die Mitglieder der Konföderation auch wirtschaftlich miteinander in Austausch standen.
 

Seidenstraßen: Zarafshan-Karakum-Korridor (Tadschikistan, Turkmenistan, Usbekistan)

Der 866 Kilometer lange Zarafshan-Karakum-Korridor ist einer der Schlüsselabschnitte der Seidenstraßen in Zentralasien. Er verläuft von Ost nach West entlang des Zarafshan-Flusses und folgt den alten Karawanenstraßen durch die Karakum-Wüste zur Merv-Oase. Der Zarafshan-Karakum-Korridor ist ein Sammelbecken kultureller Traditionen, die durch den Handel geprägt und entlang der gesamten Route ausgetauscht wurden. Davon zeugen die luxuriösen Residenzen der Kaufleute, Zitadellen, frühislamische Säulenmoscheen, fortschrittliche Bewässerungssysteme und das breite Spektrum an Karawansereien, die entlang des Korridors unterhalten wurden.

Erweiterungen

Hyrkanische Wälder (Aserbaidschan und Iran)

Die Hyrkanischen Wälder sind einzigartige Laubwälder, die sich entlang der Südküste des Kaspischen Meeres erstrecken und deren iranischer Teil bereits seit 2019 zum UNESCO-Welterbe zählt. 2023 wurde die Stätte um Gebiete in Aserbaidschan erweitet. Durch ihre isolierte Lage hat sich in den Wäldern eine bermerkenswert große Artikenvielfalt erhalten. Neben zahlreichen endemischen Pflanzen beheimatet die Welterbestätte 180 bekannte Vogelarten, darunter den Steppenadler, den Östlichen Kaiseradler und die Blauracke sowie 58 Säugetierarten wie die bedrohte Wildziege und den berühmten Persischen Leoparden.
 

Koutammakou – Land der Batammariba (Benin)

In der Kulturlandschaft Koutammakou, die sich über Togo und Benin erstreckt, spiegelt sich die Landnutzung durch die Batammariba im Atacora-Massiv. Insbesondere die Wohngebäude sind aufgrund ihrer Konstruktion, ihrer einfallsreichen Raumaufteilung und ihrer vielfältigen symbolischen Bedeutung einzigartig. Die natürlichen Materialien, die bei ihrem Bau verwendet wurden, sind gleichfalls Teil der Kulturlandschaft und von entscheidender Bedeutung für den synergetischen Lebensstil der Batammariba. Die Welterbestätte wurden 2023 um die religiösen Zentren Koubonku und Koubentiégou in Benin ergänzt.

Hintergrund

Das UNESCO-Welterbekomitee tagt vom 10. bis 25. September in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad. Es setzt sich aus 21 gewählten Vertragsstaaten der Welterbekonvention zusammen. Es entscheidet in der Regel jährlich über die Einschreibung neuer Kultur- und Naturstätten in die Welterbeliste und befasst sich mit dem Erhaltungszustand eingeschriebener Stätten. Auf der Liste des UNESCO-Welterbes stehen derzeit mehr als 1.100 Kultur- und Naturstätten in 167 Ländern. 56 davon gelten als bedroht. Deutschland verzeichnet 52 Welterbestätten.
 

Weitere Informationen

Neue Welterbestätten 2023

Pressefotos

Pressematerial zur 45. Sitzung des UNESCO-Welterbekomitees

Livestream der 45. Sitzung des UNESCO-Welterbekomitees

Website zur 45. Sitzung des UNESCO-Welterbekomitees
 

Pressekontakt

Timm Nikolaus Schulze
Pressesprecher
Deutsche UNESCO-Kommission
Telefon: +49 228 604 97-142
E-Mail: schulze(at)unesco.de

Peter Martin
Stellvertretender Pressesprecher
Deutsche UNESCO-Kommission
Telefon: +49 30 80 20 20-310
E-Mail: martin(at)unesco.de