Auf ein Wort,
„Lern to change!“
Weltweit demonstrieren Schülerinnen und Schüler im Rahmen von „Fridays for Future“ für mehr Klimaschutz. Unter ihnen sind auch Schülerinnen und Schüler der UNESCO-Projektschule Hainberg-Gymnasium in Göttingen. Im Interview sprechen Schüler Linus und Lehrerin Anne Weiß über ihre Motivation und die Rolle des Klimaschutzes an ihrer Schule.
„We don’t have Time!“ – So steht es auf den Plakaten vieler Schülerinnen und Schüler, die sich der Fridays for Future-Bewegung angeschlossen haben. Begonnen hat es mit der Schülerin Greta Thunberg, die seit August 2018 immer freitags vor dem schwedischen Parlament für den Klimaschutz demonstriert. Am 15. März folgten mehr als eine Millionen Schülerinnen und Schüler weltweit ihrem Beispiel und gingen auf die Straße, um ihren Forderungen nach schnellen und wirkungsvollen politischen Lösungen Gehör zu verschaffen.
Unter den Demonstrierenden sind auch Schülerinnen und Schüler der UNESCO-Projektschule Hainberg-Gymnasium in Göttingen. Welche Motivation die Schülerinnen und Schüler antreibt und wie die Lehreinnen und Lehrer die Streiks beurteilen - darüber hat das BNE-Portal mit Linus, einem Schüler des Gymnasiums, und der Lehrerin Anne Weiß gesprochen.
Linus (Jahrgang 9 am Hainberg-Gymnasium) engagiert sich bei den Demostrationen von Fridays for Future.
Warum streikst du?
Ich streike, weil ich mit Fridays for Future zum ersten Mal aufrichtig das Gefühl hatte, dass Erwachsene und gerade erwachsene Politiker mir zuhören und mein Anliegen gehört wird. Zur selben Zeit denke ich, dass unser Anliegen so unglaublich dringend ist, dass wir uns nicht mehr auf die Erwachsenen verlassen können.
Was sind eure Forderungen und was erhofft Ihr Euch von dem Streik?
Wir machen klar, dass es bereits Ziele und Maßnahmen für guten Klimaschutz gibt, die sich die Erwachsenen selbst gesteckt haben. So fordern wir ganz einfach die Einhaltung der Klimaziele von Paris. Wir sind keine Profis und haben als Jugendliche auch gar nicht die Sachkompetenz, um einen Maßnahmenkatalog zu erarbeiten.
Habt ihr durch die Fridays for Future auch etwas über Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung gelernt?
Ja! Auf den Streiks lernen Jugendliche zum Beispiel durch Redebeiträge oder Diskussionsrunden etwas über das Thema. Viel relevanter ist aber noch, dass gerade auch unpolitische, junge Menschen anfangen, sich mit Klimaschutz auseinanderzusetzen und sich zu engagieren. Dies führt eine viel breitere “Awareness” in unüblichen Gruppen herbei.
Was tust du selber, um den Klimawandel nachhaltig zu gestalten?
Ich selber bin Vegetarier und meine Familie besitzt kein Auto. Außerdem fliege ich nicht und achte auf die Herkunft meiner Lebensmittel und Kleider. Am allerwichtigsten ist meiner Meinung nach aber, dass ich mich auch gesamtgesellschaftlich für eine bessere Klimapolitik einsetze.
Hainberg-Gymnasium
Die UNESCO-Projektschule in Göttingen hat BNE fest in ihr Schulkonzept integriert. Erfahren Sie mehr über die unterschiedlichen Projekte der Schule.
Anne Weiß, Lehrerin am Hainberg-Gymnasium und Koordinatorin für die UNESCO-Projektschule, unterstützt die Schülerinnen und Schülerinnen, die sich an den Demonstrationen beteiligen.
Was halten Sie davon, dass Ihre Schülerinnen und Schüler für Klimaschutz auf die Straße gehen?
Als Koordinatorin einer UNESCO-Projektschule, die BNE mit zum Kerninhalt all ihres Lehrens und Lernens zählt, finde ich es ein starkes Zeichen unserer Schülerinnen- und Schülerschaft. Sie zeigen mit dieser Bewegung, dieser Aktion: Wir machen da nicht mit. Wir wissen, wie es um unsere Erde steht. Wir wissen, dass unser Planet der einzige ist, den wir haben, und dass es keinen Plan B gibt. Und wir wissen auch, dass alle Veränderungen zur Erhaltung unserer Grundlagen den ganzen menschlichen Reichtum an Ideen und Änderungswillen an einem Tisch versammelt brauchen. An diesen Tisch gehören alle. Das bedeutet insbesondere auch die junge Generation, also unsere Schülerinnen und Schüler.
Das heißt, wir benötigen Partizipation! Wir Erwachsenen und alle die, die an Bildungseinrichtungen gemeinsam mit jungen Menschen tätig sind, wissen, dass Bildung ein Privileg und zugleich die Eintrittskarte zu Räumen ist, in denen wir partizipieren und etwas verändern können. Das nutzen unsere Schülerinnen und Schüler und darauf können wir stolz sein. Denn wenn wir es in unseren Schulen schaffen, unsere Schülerinnen und Schüler dazu zu befähigen, dass sie etwas in die Hand nehmen, dann meine ich, haben wir Bildung richtig verstanden. Anders gesagt: Wir brauchen eine Bildung, die diese Anliegen unserer Schülerschaft ernst nimmt und ihnen Räume zugesteht, damit Lernende befähigt werden sich selbst und die Gesellschaft zu transformieren und an Entscheidungsprozessen teilzuhaben.
Mit dieser Bewegung fordern die Schülerinnen und Schüler eben diese Partizipation ein. Und zwar sehr entschieden, weil sie ja etwa auch Konsequenzen an den Schulen tragen müssen. Die Oberstufenschülerinnen und -schüler stehen kurz vor ihren schriftlichen Abiturprüfungen. Und sie gehen dennoch auf die Straße. Das finde ich ganz beachtlich und ernstzunehmend. Und insofern finde ich diese Bewegung sehr unterstützenswert: To empower - Das sehen wir hier mit Friday for future.
Welche Rolle spielt der Klimaschutz an Ihrer Schule jenseits der aktuellen Schülerinnen- und Schüler-Streiks?
Eine sehr große Rolle. Nicht erst seit 2008, seitdem BNE im Schulgesetz aller Schulen von der Theorie her verankert ist, arbeiten wir an unserer Schule an einem UNESCO-Curriculum. Und das bedeutet, BNE nicht nur als allgemeines Unterrichts- und Schulkulturprinzip, sondern auch in den Curricula aller Fächer auszuweisen. Denn BNE ist ein wichtiges Instrument, das dabei hilft, die 17 globalen Nachhaltigkeitsziele, SDGs, in die Tat umzusetzen. Eines dieser Ziele ist der Klimaschutz.
An unserer Schule ist das in vielen Bereichen sichtbar und es wird von unseren Schülerinnen und Schülern reflektiert, geordnet und mittlerweile auch sehr kritisch und mit viel Nachdruck eingefordert. Zwei Beispiele sind etwa die Mülltrennung und Müllvermeidung, ein Müllkonzept wird zur Zeit über die Schülervertretung und unsere UNESCO-Beauftragten in jeder Klasse,5 bis 13, ausgearbeitet, ebenso die Einführung von Fair-Cups am Schulkiosk. Es gibt zudem einen Wahlpflichtkurs, der sich mit Ernährung und regionalem Wirtschaften beschäftigt und der an Konzepten der Schulmensa beziehungsweise des Fairen Wirtschaftens beteiligt ist.
Wie schätzen Sie die Bedeutung der Klimastreiks für die Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler mit dem Thema nachhaltige Entwicklung ein?
Ich schätze sie hoch ein und hoffe, dass die Bewegung aufgrund der Öffentlichkeitswirksamkeit auch in unserer Schule nach innen weiter wirken wird. Denn es ist etwas in Gang gekommen, was an unserer Schule natürlich sowieso reflektiert und auch gelebt wird. Aber durch diese Öffentlichkeit und das „Draußen vor der Schule“ merken die Schülerinnen und Schüler plötzlich, dass auf einmal etwas zusammenpasst. Sie erleben sich im Moment – zumindest, was die Aufmerksamkeit von der Öffentlichkeit wie von der Presse oder von Politikern – als selbstwirksam und sie merken, sie sind hier mit ihrer Meinung bei aller Kontroversität nicht allein. Sie werden zumindest erstmal wahrgenommen. Das ist gut! Insofern stoßen sie gerade etwas Wichtiges an: Lern to change!