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Kultur als globales öffentliches Gut – Vorstellung des dritten UNESCO-Weltkulturberichts im deutschsprachigen Raum

Der UNESCO-Weltbericht zur Kulturpolitik 2022 identifiziert vier zentrale Herausforderungen im weltweiten Kulturbetrieb: Soziale Absicherung für Kulturschaffende, Geschlechtergerechtigkeit, digitale Transformation und ein fairer globaler Handel und Austausch kultureller Güter und Dienstleistungen.

Nach wie vor ist der Zugang zum Kultursektor weltweit für zahlreiche Personen sowie ganze Regionen deutlich erschwert. Kulturmachende sehen sich in ihrer Arbeit mit etlichen Herausforderungen konfrontiert: Hohe technische Hürden und unfaire Bezahlung bei Online-Plattformen, fehlendes Fachwissen zu Eigentums- und Urheberrecht sowie zur Vermarktung der eigenen künstlerischen Arbeit im digitalen Umfeld und zu wenig Förderung von künstlerischer Mobilität. 

Handlungsbedarf besteht insbesondere für die im UNESCO-Übereinkommen zu kultureller Vielfalt (2005) festgeschriebene Forderung einer Vorzugsbehandlung des Globalen Südens. Der Welthandel zeigt keine Anzeichen einer Öffnung für kulturelle Dienstleistungen aus dem Globalen Süden. Keines der weltweit zwischen 2017 und 2020 unterzeichneten bilateralen und regionalen Handelsabkommen enthält eine Bestimmung, die auf eine Vorzugsbehandlung im Kultursektor abzielt. Diese braucht es jedoch, um den fairen Austausch und Handel kultureller Güter und Dienstleistungen zu ermöglichen. Die UNESCO fordert zusätzliche Maßnahmen, um die Teilhabe des Globalen Südens an der Kultur- und Kreativwirtschaft zu verbessern.

Geschlechtergerechtigkeit verbessern

„Es gibt immer noch enorme Ungleichheiten zwischen dem Globalen Norden und Süden, auch im Kulturbereich. Als wirtschaftlich starke Industrieländer stehen wir in der Verantwortung, die Wertschöpfungsketten nachhaltiger und fairer zu machen. Denn ein fairer Austausch von kulturellen Gütern ist auch ein Motor für nachhaltige Entwicklung“, so Katja Keul, Staatsministerin im Auswärtigen Amt.

Gerade Frauen sind darüber hinaus von weiteren Benachteiligungen betroffen. Auch im Kultursektor wirkt sich die ungleiche Verteilung der Care-Arbeit zwischen Männern und Frauen negativ auf die Arbeitsrealitäten von Frauen aus. Die Covid-19-Pandemie hat deutlich gemacht, dass die Beschäftigung im Kulturbereich aufgrund der informellen Arbeitsbedingungen in vielen privaten Kunsträumen, Kulturprojekten und freiberuflichen Kooperationen prekär ist - insbesondere für Frauen. Deswegen fordert die UNESCO in ihrem Bericht die „Abschaffung prekärer Arbeitspraktiken im Kultursektor wie kurzfristige Verträge, lange (in der Regel unbezahlte) Arbeitszeiten, die mit häuslichen Betreuungsaufgaben unvereinbar sind, mangelnde Chancen und Lohngefälle“. 

Kulturpolitischer Reformbedarf

Der Bericht schlägt zur Bewältigung dieser Herausforderungen einen intersektionalen Lösungsansatz vor, der aufzeigen soll, wer von Kultureinrichtungen, Finanzierungssystemen im Kunstbereich und kreativen Ökosystemen insgesamt ausgeschlossen wird.

Die im Bericht erfassten Ungleichheiten im Kultur- und Kreativsektor zeigen, dass ein Bedarf für (kultur-)politische Reformen besteht. Gleichzeitig wird verdeutlicht, wie wichtig der Kultur- und Kreativsektor für den sozialen Zusammenhalt und das Wirtschaftswachstum nicht nur in Krisenzeiten ist. Die Kultur als globales öffentliches Gut muss geschützt und effektiver genutzt werden, um Transformationsprozesse der Nachhaltigkeit und Digitalisierung voranzubringen. 

Hauptziele der UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen 

Der UNESCO-Weltbericht Kulturpolitik orientiert sich an vier zentralen Zielbereichen:

  1. Nachhaltige Systeme der Governance im Kulturbereich unterstützen 
  2. Einen ausgewogenen Austausch an kulturellen Gütern und Dienstleistungen erreichen und die Mobilität von Kunst- und Kulturschaffenden steigern 
  3. Kultur in Rahmenpläne für nachhaltige Entwicklung integrieren 
  4. Menschenrechte und Grundfreiheiten fördern. 

    Datengrundlage der diesjährigen Ausgabe sind 94 Staatenberichte, die von den Vertragsparteien eingereicht werden. Aktuell haben 151 Vertragsparteien das UNESCO-Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen ratifiziert. Die freiwilligen Staatenberichte werden alle vier Jahre beim UNESCO-Sekretariat eingereicht.  

    Präsentation am 18. Mai

    Am 18. Mai stellen die UNESCO-Kommissionen Deutschlands, Luxemburgs, Österreichs und der Schweiz in einer Online-Veranstaltung die deutschsprachige Kurzfassung des Weltkulturberichts 2022 vor. Unter dem Titel „Politik für Kreativität neu | gestalten: Kultur als globales öffentliches Gut“ diskutieren Vertreterinnen und Vertreter aus Zivilgesellschaft, Politik und Verwaltung der vier Länder globale Trends und Handlungsspielräume im deutschsprachigen Raum, um kulturpolitische Maßnahmen gemeinsam und grenzübergreifend zu denken. Die Dialogveranstaltung findet im Vorfeld der UNESCO-Weltkulturkonferenz MONDIACULT statt, die im September 2022 in Mexiko abgehalten wird.

    Hintergrund

    Der Weltkulturbericht wurde erstmals 2015 veröffentlicht und ist in diesem Jahr zum dritten Mal erschienen. Er gibt einen Überblick zu Schutz und Förderung kultureller Ausdrucksformen in allen Teilen der Welt und formuliert Empfehlungen für die nachhaltige Entwicklung der Kreativbranche.  

    Die UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen
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    Kulturelle Vielfalt

    Die UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen

    Die Konvention von 2005 schafft eine völkerrechtlich verbindliche Grundlage für das Recht aller Staaten auf eigenständige Kulturpolitik.
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    Publikation

    Politik für Kreativität neu | gestalten. Kultur als globales öffentliches Gut.
    Deutsche UNESCO-Kommission, Luxemburgische UNESCO-Kommission, Österreichische UNESCO-Kommission und Schweizerische UNESCO-Kommission, 2022