Auf ein Wort,

Forschungs- und Entwicklungszusammenarbeit im Weltnetzwerk der UNESCO-Biosphärenreservate stärken

Dr. Miguel Clüsener-Godt
Direktor a.i. der Abteilung für Ökologische und Erdwissenschaften der UNESCO und Sekretär a.i. des Programmes "Man and the Biosphere" in Paris

UNESCO-Biosphärenreservate sind international repräsentative Modellregionen. Sie machen nachhaltige Entwicklung greifbar und erhalten wertvolle Lebensräume. UNESCO-Biosphärenreservate verwirklichen den Ausgleich der Interessen von Umweltschutz und Wirtschaft, ein Zusammenleben von Mensch und Natur. Über die Frage, wie UNESCO-Biosphärenreservate noch besser kooperieren und wie internationale Forschungs- und Entwicklungszusammenarbeit in Biosphärenreservaten besser verzahnt werden können, spricht  Dr. Miguel Clüsener-Godt, Direktor a.i. der Abteilung für Ökologische und Erdwissenschaften der UNESCO und Sekretär a.i. des Programmes "Man and the Biosphere" in Paris.

Deutsche UNESCO-Kommission: Die UNESCO-Biosphärenreservate sind global sichtbare Modellregionen. Was tun Sie und Ihre Kollegen bei der UNESCO im MAB-Sekretariat?

Das MAB-Sekretariat steuert die Qualitätssicherung im Weltnetz, gibt neue politische und fachliche Impulse – vor allem koordiniert es jedoch ein breites Partnernetz. Das Weltnetzwerk der Biosphärenreservate selbst umfasst 669 Stätten in 120 Ländern, inklusive 20 grenzüberschreitende Biosphärenreservate. Dazu kommen etwa 140 MAB-Nationalkomitees, die die Umsetzung der internationalen Richtlinien vor Ort überwachen. Es existieren außerdem regionale Netzwerke, beispielsweise AfriMAB für den afrikanischen Kontinent oder ArabMAB für die arabischen Länder, die die regionale Kooperation zu Themen wie Biodiversität, Naturschutz und Nachhaltiger Entwicklung fördern. Hinzu kommen unterstützende Netzwerke aus Forschungseinrichtungen und Universitäten oder auch Kooperationen beispielsweise für den Küstenschutz.

Auch wenn jedes Biosphärenreservat vor Ort eigenständig agiert, gibt es also eine starke Zusammenarbeit weltweit. Das MAB Sekretariat koordiniert und unterstützt diesen Austausch. Wir behalten den Überblick über laufende Projekte und Themenschwerpunkte und verwalten die Kontaktdaten der Ansprechpartner. Wenn wir beispielsweise eine Anfrage zu einem laufenden Forschungsvorhaben in einem bestimmten Biosphärenreservat erhalten, können wir an die zuständige Stelle im jeweiligen Land oder Biosphärenreservat verweisen. 

Sie haben die thematischen Netzwerke erwähnt. Können Sie ein Beispiel für ein Thema nennen, das Biosphärenreservate in ganz unterschiedlichen Ecken der Welt beschäftigt?

Ein gutes Beispiel ist das globale Netzwerk der Insel- und Küstenbiosphärenreservate. Es wird von Südkorea und Spanien finanziert und bringt alle Biosphärenreservate auf Inseln und an Küsten zusammen, die im Netz gemeinsam Projektideen entwickeln. Da sie Herausforderungen oft ähnlicher Natur haben, gibt es unter anderem ein sehr interessantes gemeinsames wissenschaftliches Vorhaben zu den Auswirkungen des Klimawandels in Inselbiosphärenreservaten. Für die vergleichende Studie haben wir die koreanische Insel Jeju, die spanische Insel Menorca, die zu Portugal gehörende Insel Madeira sowie Mauritius und St. Kitts & Nevis als Gebiete ausgesucht. Die Effekte des Klimawandels werden sich nämlich zuerst an Küsten und an Inseln zeigen. Der Meeresspiegel steigt schon seit Jahrzehnten, sie stehen in vorderster Linie. Ändern sich die Meerestemperaturen, so ändern sich auch die Ozeanströmungen, und letztendlich auch die Flora und Fauna. In den ausgewählten Gebieten wird untersucht, wie sich dieser Wandel bereits jetzt konkret bemerkbar macht.

Von solchen Beispielen abgesehen sind Forschungsprojekte in den Biosphärenreservaten noch zu isoliert voneinander, es findet zu wenig Wissenstransfer statt – auch zwischen Projekten der Entwicklungsarbeit. Es kommt in Zukunft darauf an, Akteure besser miteinander zu vernetzen, um den Austausch anzuregen, Probleme aufzuzeigen und Forschungsergebnisse in konkrete Anwendungen zu überführen und so zu verstetigen.

Was kann die UNESCO besser als andere Partner?

Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit nutzt Biosphärenreservate sehr gezielt, vor allem GIZ und KfW mit Mitteln des BMZ. Deutschland unterstützt Biosphärenreservate außerhalb Deutschlands in der bilateralen Kooperation mit Investitionen von über 100 Millionen Euro und eigenen Finanzierungsmechanismen. Spanien wiederum gibt viele Mittel für Projekte an die UNESCO, auch die flämische Regierung in Belgien, Korea und Frankreich. Häufig kann die UNESCO mit solchen extrabudgetären Mitteln Projekte umsetzen, die selbst für ein Land wie Deutschland nicht einfach sind, ich gebe ein Beispiel: Derzeit organisiert die UNESCO mit über 6 Millionen US Dollar einen aufwändigen Prozess für eine Machbarkeitsstudie zur Einrichtung eines transnationalen Biosphärenreservats in der Tschadsee-Region. Das Vorhaben schließt alle Anrainerstaaten des Tschadsees mit ein: Tschad, Kamerun, die Zentralafrikanische Republik, Niger und Nigeria – eine politisch und ökologisch hoch bedeutsame Region mit teils schwieriger Sicherheitslage.  Ziel ist es, ein nachhaltiges Management natürlicher und kultureller Ressourcen in dieser vom Klimawandel und Übernutzung von Ressourcen stark betroffenen Region sicherzustellen, um somit langfristig die Armut zu verringern und ein friedliches Zusammenleben zu fördern. Die UNESCO leistet keine Entwicklungshilfe, sondern stärkt weltweit Kooperation. Unsere  große Stärke ist es, Akteure aus ganz unterschiedlichen Kontexten an einen Tisch zu bringen, wie zum Beispiel aus Afrika, Myanmar, Haiti oder Bolivien. Gerade in geopolitisch hochsensiblen aber umso wichtigeren Gebieten können wir mit diplomatischem Fingerspitzengefühl erfolgreich agieren – gerade auch durch die Einrichtung von  Biosphärenreservaten. Die UNESCO kann in solchen Fällen sehr gut eine neutrale Plattform schaffen. Für diese Projekte ist es teilweise sehr schwierig, an Finanzierung zu kommen – ich würde mir wünschen, dass Deutschland sein Engagement in Kooperation mit uns noch ausbaut. 

Internationale Forschungsprojekte und Entwicklungszusammenarbeit haben oft unterschiedliche Ziele und arbeiten nebeneinander her. An Biosphärenreservaten sieht man, dass hier Chancen vertan werden. Was kann man besser machen?

Der Workshop "UNESCO-Biosphärenreservate in Afrika - Forschung trifft Entwicklung zur Umsetzung der Globalen Nachhaltigkeitsagenda 2030“ hat hier viele Ideen gesammelt, wichtig ist vor allem, sich nicht als Konkurrenz zu verstehen. Es gibt viele Beispiele, in denen Wissenschaftler sich dafür eingesetzt haben, dass ihre Forschungsergebnisse, zum Beispiel zu nachhaltiger Landnutzung, nicht in einer Fachzeitschrift verschwinden, sondern in der Praxis umgesetzt werden. Ein Biosphärenreservat ist dafür der ideale Rahmen.

Darüber hinaus setzen wir uns dafür ein, dass Biosphärenreservate sich besser mit Universitäten vernetzen. Interessanterweise gibt es aktuell mehrere Initiativen für UNESCO-Lehrstühle, die gezielt über und in Biosphärenreservaten arbeiten. Der 2016 eingerichtete „UNESCO Chair on World Heritage and Biosphere Reserve Observation and Education“ an der Universität Heidelberg wird sicherlich einen entscheidenden Beitrag leisten, insbesondere durch den Einsatz moderner Methoden der Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung  und Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE). Aufbauend auf der Erfahrung in Heidelberg planen wir gemeinsam mit einem polnischen Wissenschaftsinstitut einen weiteren UNESCO-Lehrstuhl zu Biosphärenreservaten. 

Woran mangelt es noch mit Blick auf die Einrichtung neuer Biosphärenreservate?

Bisher haben wir 120 Länder im Weltnetz vertreten, das heißt in 75 Ländern gibt es keine Biosphärenreservate. Zu diesen „weißen“ Flecken auf der Weltkarte der Biosphärenreservate gehören etwa kleine Inselstaaten im Pazifik oder in der Karibik, auch einige Staaten in Afrika und in anderen Regionen. In vielen Fällen ist der politische Wille durchaus vorhanden, aber es mangelt an Know-how und finanziellen Ressourcen. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn man für den Aufbau von Biosphärenreservaten in diesen Ländern noch mehr Unterstützung seitens der reicheren Länder bekommen könnte. Und dort, wo die politische Überzeugung bislang noch nicht so sehr vorhanden ist, sollte man versuchen, den Menschen vor Augen zu führen, wie viel Nutzen auch für sie persönlich durch die Einrichtung eines Biosphärenreservates entstehen würde. Denn Biosphärenreservate fördern nachweislich die Regionalentwicklung.

Weitere Informationen

Studie zu den Auswirkungen des Klimawandels in Inselbiosphärenreservaten

Machbarkeitsstudie für ein transnationales Biosphärenreservat in der Tschadsee-Region

Zusammenfassung der Ergebnisse des Workshops "UNESCO-Biosphärenreservate in Afrika - Forschung trifft Entwicklung zur Umsetzung der Globalen Nachhaltigkeitsagenda 2030“

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