Vorschläge an die UNESCO können nur von der Bundesregierung eingereicht werden. Eine Einreichung setzt voraus, dass das MAB-Nationalkomitee einen Vorschlag unterstützt.
Voraussetzungen
Unterstützung vor Ort
Biosphärenreservate leben von gelingenden „Mensch-Umwelt-Beziehungen“. Das heißt, in einem geplanten Biosphärenreservat braucht es nicht nur besondere und intakte Ökosysteme, sondern vor allem auch Interesse und Unterstützung der Bewohnerinnen und Bewohner. Formal muss diese Unterstützung am Ende des Bewerbungsprozesses durch Unterschrift jeder Bürgermeisterin und jedes Landrats dokumentiert werden – genauso wichtig ist aber, dass die Bevölkerung schon ab den ersten Schritten einer angestrebten Bewerbung „mitgenommen“ wird. Oft sind es gerade Landwirtinnen und Landwirte, die zusätzliche Auflagen fürchten; diese Befürchtungen sind jedoch meist unbegründet, denn landwirtschaftliche Betriebe liegen oft in der „Entwicklungszone“, wo es weniger um neue Auflagen als um neue Anreiz- und Förderprogramme für nachhaltige Entwicklung geht.
Repräsentativität
Für eine UNESCO-Anerkennung eines Gebiets müssen dort ein oder mehrere charakteristische und intakte Landschaften, Lebensräume oder Formen der traditionellen Landbewirtschaftung vorhanden sein, die in dieser Form noch nicht im Weltnetz der Biosphärenreservate vertreten sind. Ein Biosphärenreservat muss „repräsentativ“ sein für solche besonderen Räume, und zwar in einer so bislang nicht im Weltnetz repräsentierten Form. Es gibt verschiedene Vorstellungen und Ansätze, eine solche Repräsentativität nachzuweisen: Die „Hotspots der Biodiversität“ oder die vom Bundesamt für Naturschutz definierten Landschaftstypen sind mögliche Ansatzpunkte.
Zonierung
Ein Biosphärenreservat braucht eine Mindestgröße (300 Quadratkilometer) und muss zwingend in drei verschiedene Zonen unterteilt sein. Die Kernzone („core area“) ist streng geschützt zur Sicherung der in ihr beheimateten Lebensräume und Landschaften und der dort erhaltenen biologischen Vielfalt. Das Betreten ist in der Regel nur für Forschung, Monitoring oder für Bildungszwecke gestattet. In Deutschland muss die Kernzone oder müssen die verschiedenen Kernzonen zusammen mindestens drei Prozent der Gesamtfläche ausmachen – gerade diese Einrichtung ist im dicht besiedelten Deutschland oft nicht einfach.
Um die Kernzonen von schädlichen Einflüssen abzuschirmen, müssen sie von Pflege- oder Pufferzonen („buffer zone“) umgeben sein. Sie dient der Erhaltung und Pflege von Ökosystemen, die durch Nutzung entstanden oder beeinflusst sind. Sie erhält extensiv genutzte Kulturlandschaften, die ein breites Spektrum verschiedener Lebensräume für eine Vielzahl naturraumtypischer Tier- und Pflanzenarten umfassen. Pflege- und Kernzone zusammen müssen mindestens 20 Prozent der Gesamtfläche des Biosphärenreservats ausmachen.
Die größte Fläche nimmt die Entwicklungszone („transition area“) ein. Hier sind grundsätzlich alle Wirtschafts- und Nutzungsformen erlaubt, durch die gezielte Förderung von Modellprojekten und Anreizen wird hier für den Umstieg auf nachhaltige Wirtschaftsweisen in der Breite der Gesellschaft und Wirtschaft geworben.
Nachhaltigkeits-Vision
Für eine UNESCO-Anerkennung müssen die Menschen im interessierten Gebiet eine nachhaltige Entwicklung ihrer Region anstreben. Modellregionen und Lernorte für Nachhaltigkeit sollten nicht bei Null anfangen; es sollten bereits Erfahrungen bei der Nutzung innovativer Nachhaltigkeitsinstrumente bestehen. Es geht nicht nur um Bewahrung der biologischen Vielfalt, sondern auch um ein zukunftsfähiges gesellschaftliches Zusammenleben und wirtschaftlich nachhaltige Ressourcennutzung. Diese Erfahrungen müssen bei Anerkennung strategisch auf alle gesellschaftlichen Sektoren ausgeweitet werden: Dies umfasst nachhaltiges Wirtschaften in allen Sektoren, Landschaftspflege und Biodiversität, Forschung, Monitoring und Bildung für nachhaltige Entwicklung. Jedes Biosphärenreservat muss sich auch aktiv am Weltnetz beteiligen. Spätestens drei Jahre nach Anerkennung durch die UNESCO muss ein möglichst partizipativ zu erarbeitendes „Rahmenkonzept“ (englisch: Management Plan) vorliegen.
Rechtliche Anerkennung und Betreuung
In den Gesetzen aller deutschen Bundesländer gibt es eine Definition dessen, was ein Biosphärenreservat ist; die Bundesländer folgen dabei § 25 BundesnaturschutzgesetzExterner Link:. Gebiete, die eine UNESCO-Anerkennung anstreben, müssen zuvor auf Ebene des jeweiligen Bundeslands rechtlich gesichert sein, durch Gesetz oder Verordnung. Biosphärenreservate brauchen zudem eine leistungsfähige und hauptamtliche Verwaltung.
MAB-Nationalkomitee
Das MAB-NationalkomiteeExterner Link: ist für jede am Konzept Biosphärenreservat interessierte Region erster Ansprechpartner, um die Chancen einer Bewerbung und die dazu sinnvollen Schritte zu diskutieren. Die wichtigste Aufgabe des Nationalkomitees ist die Umsetzung des MAB-Programms in Deutschland, das heißt, die Begleitung interessierter Regionen und bestehender Biosphärenreservate bei deren Weiterentwicklung zu Modellregionen für eine nachhaltige Entwicklung. MAB-Nationalkomitees oder vergleichbare Strukturen gibt es in über 150 Staaten weltweit.
Die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, und nukleare Sicherheit (BMU) hat das MAB-Nationalkomitee zuletzt Anfang 2018 neu berufen. Das Gremium setzt sich aus 17 einschlägig erfahrenen Expertinnen und Experten aller Fachbereiche zusammen, die als Personen und nicht stellvertretend für ihre Organisation berufen sind. Den Vorsitz in diesem Gremium hat gemäß den Statuten der Vertretende des BMU. Der stellvertretende Generalsekretär der Deutschen UNESCO-Kommission ist seit vielen Jahren Mitglied des MAB-Nationalkomitees. Das Nationalkomitee tagt zweimal jährlich.
Das Nationalkomitee evaluiert zudem die deutschen UNESCO-Biosphärenreservate, unter anderem durch ausführliche Vor-Ort-Besuche. Es entwickelt die Kriterien für die Anerkennung und Überprüfung von UNESCO-Biosphärenreservaten in DeutschlandExterner Link: weiter und erarbeitet Konzepte, Positionspapiere und Forschungsempfehlungen zur näheren Umsetzung.
Die Geschäfte des MAB-Nationalkomitees führt das Bundesamt für Naturschutz (BfN):Bundesamt für Naturschutz, MAB-GeschäftsstelleExterner Link:, Konstantinstrasse 110, 53179 Bonn
UNESCO-Entscheidung
Anträge an die UNESCO (das Antragsformular der UNESCOExterner Link: ist in englischer oder französischer Sprache auszufüllen) müssen zunächst an das MAB-Nationalkomitee gerichtet werden. Wenn das MAB-Nationalkomitee einen Vorschlag für ein neues Biosphärenreservat unterstützt, reicht es den entsprechenden Antrag mit einem Unterstützungsschreiben über die deutsche Ständige Vertretung bei der UNESCO ein (Frist ist in jedem Jahr der 30. September). Im MAB-Sekretariat, in der UNESCO-Abteilung für Umwelt- und Geowissenschaften, wird der Antrag zunächst formal auf Vollständigkeit geprüft.
Die fachliche Bewertung von Neuanträgen erfolgt durch das „International Advisory Committee for Biosphere Reserves“, einen zwölfköpfigen Beirat aus Expertinnen und Experten für Biosphärenreservate. Je zwei Fachleute kommen aus den sechs Weltregionen. Der Beirat bewertet Neuanträge (und Evaluierungen) jährlich auf einer Sitzung Ende Januar / Anfang Februar. In vielen Fällen stellt der Beirat Rückfragen an die Antragstellenden, die innerhalb weniger Wochen zu beantworten sind.
Die Entscheidung über die Anerkennung als Biosphärenreservat trifft der zwischenstaatliche Rat des MAB-Programms (International Coordinating Council oder MAB Council oder ICC). Dieses UNESCO-Gremium setzt sich aus 34 Staaten zusammen, die nach regionalem Proporz für je vier Jahre von der UNESCO-Generalkonferenz gewählt werden. Der Rat tagt jährlich für eine Woche im Zeitraum Juni / Juli, meist in einem Jahr in Paris und im Folgejahr an einem anderen Ort der Welt. Die Anerkennung neuer Biosphärenreservate ist eine besonders öffentlichkeitswirksame Aufgabe des Rats, daneben evaluiert er bestehende Biosphärenreservate und trifft strategische Entscheidungen zur Zukunft des MAB-Programms. Deutschland war seit Gründung des MAB-Programms 1970 mit wenigen Unterbrechungen durchgängig Mitglied des MAB-Rats.