Rede,

UNESCO-Weltbildungsbericht 2019 zu Flucht und Migration

MinDirig Dr. Andreas Görgen
Leiter der Abteilung für Kultur und Kommunikation des Auswärtigen Amtes

Launch des UNESCO-Weltbildungsberichts 2019 am 20. November 2018 in Berlin

Sehr geehrte Frau Generaldirektorin, liebe Frau Azoulay,
sehr geehrter Herr Minister Tchoroma,
sehr geehrter Herr Staatssekretär Costa,
sehr geehrter Herr beigeordenter Hochkommissar, lieber Herr Türk,
sehr geehrte Frau Präsidentin der Deutschen Unesco Kommission, liebe Frau Prof. Böhmer,
sehr geehrter Herr Staatssekretär, lieber Martin Jäger,
Exzellenzen,
sehr verehrte Mitglieder des Deutschen Bundestages,
sehr geehrte Damen und Herren,

ich darf Sie sehr herzlich willkommen heißen im Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland!

Es ist uns eine hohe Ehre, dass die UNESCO ihren Weltbildungsbericht heute gemeinsam mit uns und den Kolleginnen und Kollegen des BMZ im Auswärtigen Amt vorstellt. Wir nehmen das als ein Zeichen der Ermutigung, auch weiterhin die internationale Kulturpolitik in das Zentrum der deutschen Außenpolitik zu stellen.

Wir verstehen den heutigen Tag, liebe Frau Azoulay, also ausdrücklich als Zeichen der Unterstützung der deutschen Außenpolitik für die UNESCO. Und für die Reformarbeit, die sie gerade unternehmen. Sie haben sich ein ehrgeiziges Programm vorgenommen. Und sie haben bereits gute Erfolge erzielt bei der Entschärfung von politischen Konflikten außerhalb des Mandates der UNESCO. Wir wollen und werden Sie bei der Fortentwicklung der UNESCO auch weiter unterstützen. Denn wir treten ein für einen multilateralen Ansatz in der Außenpolitik. So wie ihn Ihre Organisation verkörpert und weiter verkörpern soll. Und wir fühlen uns dem historischen Auftrag der UNESCO verpflichtet. Es ist ein Friedensauftrag. „Friede“, so heißt es in der Präambel der UNESCO, „Friede muss in der geistigen und moralischen Solidarität der Völker verankert werden“.

Dieser Auftrag ist aktueller denn je. Gerade an einem Tag, an dem die UNESCO ihren Weltbildungsbericht dem Schwerpunkt Flucht und Migration widmet. Hier zeigt sich im Brennglas der Aktualität, wie sich die geistige und moralische Solidarität der Völker in praktisches politisches Handeln zu übersetzen hat.

Ein ehemaliger deutscher Außenminister, nämlich Willy Brand, hat diesen spezifischen Zusammenhang vor einigen Jahrzehnten in einer Rede vor der UNESCO so umschrieben: „Jene, die sich in der ganzen Welt in der Solidarität des Geistes finden, werden der Politik die Verantwortung nicht nehmen können. Doch sie könnten sehr wohl die Substanz dieser Verantwortlichkeit mit immer neuer Gewissenhaftigkeit definieren. Sie nähmen damit an der Verantwortung teil“.

Dieses „Wächteramt“, wie es Willy Brandt nannte, ist auch heute notwendig und deswegen danken wir den Verfassern des heutigen Berichtes ganz besonders dafür, dass sie durch ihre Kritik und durch die Gewissenhaftigkeit ihrer Bemühungen an der Verantwortung für schwierige politische Fragen teilnehmen.

Frau Professor Böhmer hat ja im heutigen Tagesspiegel schon einige Schlussfolgerungen aus dem heutigen Bericht für die innenpolitische Situation gezogen.

Sie erlauben, dass ich drei außenpolitische Anmerkungen ergänze.

Was kann und muss also nach unserer Auffassung eine verantwortliche Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik leisten?

Erstens natürlich die Unterstützung der UNESCO. Und wir sind den Mitgliedern des Deutschen Bundestages ganz besonders dankbar für die Unterstützung bei diesem Ansatz der Stärkung und der Reform der UNESCO. Wir sind ihnen ebenfalls ganz besonders dankbar für die Förderung der DUK und gerade jüngst erst des UNESCO Institute for Life Long Learning in Hamburg. Dieses Institut nimmt vor allem die Erwachsenenbildung in armen und von Konflikten gezeichneten Regionen in den Fokus. Im Bereich der Alphabetisierung hat es die Federführung inne und arbeitet daran, Zugang zu Bildung gerade in den betroffenen Ländern zu schaffen und zu verbessern. Damit wollen wir die hier in Deutschland geleistete internationale Arbeit noch besser einbringen in den Zusammenhang, in dem der heutige Bericht steht.

Ein weiterer Baustein unserer multilateralen Bemühungen ist zweitens die Deutsche Akademische Flüchtlingsinitiative Albert Einstein – kurz DAFI. Gemeinsam mit dem UNHCR ermöglichen wir Flüchtlingen in ihren jeweiligen Aufnahmeländern außerhalb Deutschlands ein Studium an Universitäten und Hochschulen. Dank der Unterstützung des Deutschen Bundestages haben wir die Zahl der unterstützten Stipendiatinnen und Stipendiaten in den vergangenen Jahren mehr als verdreifacht. Knapp 7000 junge Menschen in 50 Ländern dieser Welt wurden alleine im vergangenen Jahr unterstützt. Sie ernähren ihre Familien in den Aufnahmeregionen, tragen dort zu wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Fortschritt bei und sie engagieren sich international für unser heutiges Thema, den Zugang zu Bildung.

Ergänzend zu diesem multilateralen Vorgehen steht drittens eines der Reformvorhaben der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik der vergangenen Jahre. Unser Land ist selbst ein Land, aus dem unzählige Menschen in der Vergangenheit fliehen mussten. Andere Länder haben damals Notprogramme zur Unterstützung der geflüchteten Deutschen aufgelegt. Gerade auch im Bereich Bildung und Wissenschaft. Dieses historischen Erbes eingedenk, hat das Auswärtige Amt 2015 die Philipp Schwartz Initiative gegründet. 160 scholars at risk ermöglicht die PSI in diesem Jahr ihre Tätigkeit als Wissenschaftler in Deutschland. Wir erfüllen damit aber nicht nur einen Teil unserer historischen Verantwortung. Sondern wir setzen damit auch ein Zeichen zur Verteidigung der Freiheit der Wissenschaft. Und wir fördern diejenigen, die eines Tages in ihrem Heimatländern wieder ein freies Bildungs- und Wissenschaftslandschaft aufbauen wollen.

Meine Damen und Herren,

lassen Sie mich schließen mit einem Wunsch an die UNESCO, der an die bereits genannte Rede von Willy Brandt vor der UNESCO anschließt. Willy Brandt hat in dieser Rede die Zusammenarbeit in Kultur und Bildung – ich verkürze jetzt etwas – als Arbeit an der Weltvernunft bezeichnet und betont: „so ist die Aufklärung der Welt das Programm, dem eine internationale Gemeinschaft des Geistes zu dienen hätte“.

Zu dieser Aufklärung der Welt zählt auch, sich Rechenschaft abzulegen über die größeren Zusammenhänge. Und das bedeutet für uns heute auch neu und kritisch zu hinterfragen, an welchen Stellen und mit welchen Mechanismen unser Verständnis der Universalität der Vernunft Unvernunft in die Welt gebracht hat. Im heutigen Bildungsbericht findet sich das angedeutet unter dem Begriff „Vielfalt in der Geschichte und in der heutigen Zeit wiederspiegeln“.

Dabei geht es um nichts anderes als um die Solidarität der Völker, die Grundlage der Arbeit der UNESCO ist. Eine Solidarität, die sich eben nicht nur im praktischen Handeln zeigt. Sondern in der Anschauung der Verschiedenheit selbst. Die Schönheit der Verschiedenheit darzustellen, ist sozusagen der erste Beitrag zu einer universalen Werteordnung. So wie sich die Universalität der Vernunft erst in der Verschiedenheit der konkreten Übersetzung zeigt. Ästhetik und Ethik hängen viel enger zusammen, als wir das zu denken gewohnt sind.  

„Wenn wir die Schönheit der Welt miteinander teilen wollen, müssen wir lernen, mit ihrem Leid solidarisch zu sein“, so hat es Achille Mbembe kürzlich beim Gerda-Henkel-Preis formuliert und geendet: „Es kann demnach nicht darum gehen, sich auf sich selbst zurückzuziehen, sich von der Obsession eines Unter-sich-Bleibens, eines transzendentalen An-sich beherrschen zu lassen, sondern darum .. mit offenen Augen die Unentwirrkbarkeit der Welt und ihr zusammengewürfeltes Wesen anzunehmen“.

Dabei möge die wichtige Arbeit der UNESCO uns helfen, liebe Frau Azoulay, gleich ob es um Bildung oder um Kultur gehe. Und so danken wir für den heutigen Bildungsbericht und freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit. Gerade auch mit Blick auf Ihre Überlegungen zur Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus, wie Sie sie im Juni dieses Jahres auf wieder auf die Agenda der UNESCO gesetzt haben.

Vielen Dank!

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