Rede
© Thomas Müller

Prof. Dr. Maria Böhmer Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission

Sehr geehrter Herr Dr. Knoblich,

sehr geehrter Herr Rössel, 

sehr geehrte Damen und Herren, 

es ist mir eine große Freude, Sie heute Abend im Namen der Deutschen UNESCO-Kommission hier im Rathaus der Stadt Erfurt begrüßen zu dürfen. 

Im vergangenen September wurde genau in diesem Festsaal des Rathauses gebannt der Live-Übertragung der Welterbekomiteesitzung zugesehen. Es kam das ersehnte „Adopted!“ mit Hammerschlag aus Riad! Die Eintragung des „Jüdisch-mittelalterlichen Erbes in Erfurt“ in die UNESCO-Welterbeliste wurde mit großem Jubel gefeiert.

Mit diesem Entschluss rückte für Erfurt die Welt ganz nah! Denn damit steht Erfurt in einer Reihe mit anderen herausragenden Welterbestätten wie Machu Picchu oder den Pyramiden. Teil des Welterbes der gesamten Menschheit zu sein – das ist eine große Ehre! Eine Auszeichnung des außergewöhnlichen universellen Wertes Ihrer Stätte und Erfolg Ihrer jahrzehntelangen Arbeit an der Einschreibung. Es ist aber auch eine Verpflichtung: Wir müssen das jüdisch-mittelalterliche Welterbe bewahren und vermitteln. 

Ein wahres Vorzeigeprojekt zur Umsetzung dieser Ziele hat Herr Fasco, Direktor der Thüringer Landes-medienanstalt, hier ins Leben gerufen: Im Rahmen des Projekts „Hör mal im Museum“ wurden Audioguides von Kindern für Kinder zum jüdischen Leben in Erfurt entwickelt. Das ist moderne, kulturelle Medienbildung und ein Vorbild dafür, wie man die junge Generation einbinden und für das Thema sensibilisieren kann.

Diese Verbindungen zwischen der UNESCO und Erfurt und ihrem Auftrag als Welterbestätte macht diese Stadt zum idealen Veranstaltungsort für unser heutiges Event.   

Wir haben diesen Abend bewusst dem Thema: „Jüdisches Erbe und kulturelle Bildung“ gewidmet.

In Zeiten, in denen der Antisemitismus auch in Deutschland wieder Raum greift müssen wir uns verstärkt für den Schutz des jüdischen Erbes engagieren.

Angesichts der deutschen Vergangenheit, die geprägt ist von den Gräueltaten/ Schrecken des Nationalsozialismus, dem Holocaust, ist es unsere besondere Verantwortung diesen Schutz zu gewährleisten. 

In diesem Sinne haben wir als Präsidium der Deutschen UNESCO-Kommission Anfang des Jahres ein Statement veröffentlicht, in dem wir uns klar gegen Antisemitismus und für die Wahrung der Menschenrechte positionieren. Heute möchte ich unseren Appell vor allen hier Anwesenden wiederholen: „Machen wir gemeinsam all das sicht- und hörbar, was wir für die Verteidigung des Friedens und der Menschenrechte (…) tun und tun müssen.“

Diese Verpflichtung gilt nicht nur für die nationale Ebene. Die UNESCO-General-direktorin Audrey Azoulay hat in ihrer Rede im letzten Oktober betont, dass auch die UNESCO eine besondere Verpflichtung im Kampf gegen den Anti-semitismus hat: Er sei Teil der DNA der UNESCO, die aus der Asche der Shoah und des Zweiten Weltkriegs entstand. 

Umso bedeutender ist es, dass das jüdische Erbe in vielen UNESCO-Netzwerken sichtbar ist.

Drei herausragende Beispiele in Deutschland möchte ich nennen:

Im letzten Jahr überreichte die UNESCO-Generaldirektorin persönlich die Welterbeurkunde an die SchUM-Stätten Mainz, Worms und Speyer. Zuvor hatte mich Bundespräsident Steinmeier gebeten, ihn bei seinem Besuch des jüdischen Friedhofs in Worms zu begleiten. Ein ganz besonderer Moment des Gedenkens! Mit den SchUM-Städten und Erfurt haben wir nun zwei Welterbestätten, die das jüdische Erbe würdigen.  

Der Dokumentarfilm „Shoah“ von Claude Lanzmann wurde 2023 in das Weltdokumentenerbe aufgenommen. Mit dem gemeinsamen deutsch-französischen Eintrag wird ein mahnendes Zeugnis unserer Vergangenheit gewürdigt. 

Die synagogale Chormusik wurde in das nationale Register Guter Praxisbeispiele der Erhaltung Immateriellen Kulturerbes im Jahr 2020 aufgenommen. Das unterstreicht die lebendige jüdische Kultur in Deutschland!“

Diese Beispiele zeigen die Vielfalt des jüdischen Erbes, dessen festen Verankerung überall in der UNESCO-Familie und das Bekenntnis der Weltgemeinschaft, gemeinsam für dessen Schutz, Erhalt und Vermittlung einzustehen.

Die UNESCO sieht die Geschichte des Holocaust und den Kampf gegen den Antisemitismus als wichtigen Bestandteil der Bildungsarbeit. Und so schlagen wir die Brücke zu dem Thema des heutigen Abends: Kulturelle Bildung ist ein wichtiges Instrument für die Bewahrung von Erbe, auch und gerade von Jüdischem Erbe!

Durch Kulturelle Bildung können wir Vorurteile überwinden, gegenseitigen Respekt, Verständnis und Wertschätzung fördern. Mithilfe von Kultureller Bildung können Brücken zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen, Religionen und Ethnien gebaut werden. Sie befähigt uns zur Weltoffenheit! Gesellschaftlicher Zusammenhalt kann durch ein gemeinsames kulturelles Verständnis gestärkt werden.    

Kulturelle Bildung trägt somit zu nichts Geringerem bei, als das übergreifende Ziel der UNESCO zu erreichen: Frieden. In der Präambel der UNESCO Verfassung steht: „Da Kriege im Geist der Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geist der Menschen verankert werden“. Kulturelle Bildung schafft diese Verankerung – und die UNESCO hat dafür in diesem Jahr mit dem neuen Rahmenwerk für kulturelle Bildung eine zielführende, globale Grundlage gelegt.

Der Beitrag der Deutschen UNESCO-Kommission zur Wahrung jüdischen Erbes und zur kulturellen Bildung

  • Mit der heutigen Veranstaltung möchten wir das jüdische Erbe und die kulturelle Bildung explizit zusammenbringen. Damit setzen wir unsere bisherigen Initiativen als Deutsche UNESCO-Kommission fort:
  • Noch zu Beginn des Jahres hat unser Mitglied und langjähriger Vorsitzender des MoW-Komitees, Herr Professor Leonhard, an einer UNESCO-Projektschule einen Vortrag anlässlich des Holocaust-Gedenktages gehalten. Er berichtete von seinen eindrücklichen Er-fahrungen als Schüler, als er einen Verhandlungstag im Rahmen des Frankfurter Ausschwitzprozesses im Gerichtssaal beobachten konnte. Daraus erwuchs seine Motivation, die Einschreibung der Verfahrens-unterlagen und Tonbandaufnahmen des Ausschwitzprozesses in das Weltdokumentenerbe voranzutreiben – mit Erfolg! 
  • An bereits über 4.000 UNESCO-Projektschulen, Museen und außerschulischen Lernorten finden Sie außerdem unsere Bilderkarten zur Gegenwart und Geschichte jüdischen Lebens in Deutschland. 2021 waren es nachweislich 1700 Jahre, die Jüdinnen und Juden auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands leben. Eine lange, bedeutende Geschichte, auf die wir mit unserer Bilderbox aufmerksam machen. Die neue Auflage liegt auf unserer Mitgliederversammlung aus. Die Nachfrage danach ist unge-brochen groß - ein erfreuliches Zeichen!
  • Kulturelle Bildung haben zudem die inzwischen über 6.000 jungen Menschen erfahren, die mit unserem Freiwilligendienst kulturweit die Auswärtige Kultur- und Bildungs-politik vor Ort kennenlernen konnten. Durch diesen „Blick über den Tellerrand“ wird Toleranz und Völkerverständigung gefördert. In diesem Jahr feiert unser Frei-willigendienst sein 15-jähriges Jubiläum. Wir freuen uns auf die nächsten 15 Jahre und darüber, dass immer neue Zugänge zur kulturellen Bildung geschaffen werden.

Denn das ist unsere gemeinsame Aufgabe: Zugänge schaffen und immer wieder kreative neue Wege finden, um Menschen für die Ziele der kulturellen Bildung zu begeistern. Ganz im Sinne des Jahresthemas der Deutschen UNESCO-Kommission: „Der Kreativität Räume geben“ kann man so Erbe be-wahren, vermitteln und weiterentwickeln.

Sehr geehrte Frau Kupferberg, sehr geehrte Frau Spera, herzlichen Dank, dass Sie nun Ihre Sicht auf das Thema „Jüdisches Erbe und kulturelle Bildung“ mit uns teilen. Wir freuen über Ihre Teilnahme am Podiumsgespräch. Frau Weber, Ihnen danken wir für die Moderation. Einen herzlichen Dank richte ich an die UNESCO-Projektschule Musikgymnasium Schloss Belvedere aus Weimar, die unsere Veranstaltung musikalisch untermalt.

Ich gebe das Wort nun weiter an Herrn Knoblich. Und wünsche uns allen eine inspirierende Veranstaltung. Herzlichen Dank!

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UNESCO-Welterbetag in der Völklinger Hütte

Grußwort von Prof. Dr. Maria Böhmer zur Eröffnung der Veranstaltung zum UNESCO-Welterbetag in der Völklinger Hütte in Völklingen

Eingangsbereich Deutsche UNESCO-Kommission mit Logo
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Bildung für den Frieden

Begrüßung von Prof. Dr. Maria Böhmer zur öffentlichen Veranstaltung im Rahmen der 83. Mitgliederversammlung der Deutschen UNESCO-Kommission

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