Bildung für den Frieden
Prof. Dr. Maria Böhmer
Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission
- Es gilt das gesprochene Wort! –
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, liebe Frau Dörner,
sehr geehrter Herr Zuchan,
sehr geehrte Damen und Herren,
es ist mir eine große Freude, Sie heute Abend im Namen der Deutschen UNESCO-Kommission hier im Universitätsclub in Bonn begrüßen zu dürfen.
Bonn ist UNESCO-Learning-City. Hier ist ein UNESCO-Lehrstuhl ansässig, drei UNESCO-Projektschulen sowie das „Internationale Zentrum für Berufsbildung der UNESCO“.
Diese zahlreichen Verbindungen zur Bildung unterstreichen, dass Bonn der ideale Veranstaltungsort für unser heutiges Event ist, liebe Frau Oberbürgermeisterin Dörner. Denn dieser Abend steht unter dem Thema: „Bildung für den Frieden“.
„Da Kriege im Geist der Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geist der Menschen verankert werden“ – so lautet die Leitidee der UNESCO. Der Organisation, die nach den Schrecken und Verwüstungen zweier Weltkriege zur Friedensförderung gegründet wurde.
Wie kann uns die Umsetzung der Leitidee gelingen? Bildung ist ein wichtiges Instrument, um den Frieden im Geiste der Menschen zu verankern!
Schon 1944 hob der britische Minister James William Fulbright hervor: „Mit internationalen Anstrengungen in der Bildung erreichen wir langfristig mehr als mit noch so vielen Handelsverträgen.“ Dieser Gedanke ist prägend für die Gründung der UNESCO gewesen.
Durch Bildung können wir Vorurteile überwinden, Missverständnisse abbauen und gegenseitigen Respekt und Verständnis fördern.
Mithilfe von Bildung können Brücken zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen, Religionen und Ethnien gebaut werden. Sie befähigt uns zur Weltoffenheit!
Darum geht es! Wir öffnen uns aus unserem eigenen Verständnis, aus dem, was uns wichtig ist, für das, was anderen wichtig ist und was für sie Bedeutung hat und ihr Leben ausmacht.
Genau dafür ist unser Freiwilligendienst kulturweit stets aktiv im Einsatz: „#suchdasweite“ hieß es seit 2009 für über 5000 junge Menschen, die mit kulturweit die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik hautnah erleben konnten! Und was haben sie gefunden und was werden sie zukünftig finden? Kulturelle Bildung, bereichernde Erfahrungen an den Einsatzstellen und unvergessliche, zwischenmenschliche Begegnungen.
Jedoch ist Bildung nicht nur Instrument – gemäß dem Humboldtschen Bildungsverständnis, hat sie auch einen Selbstzweck!
Sie dient uns als Individuen in unserer Persönlichkeitsentwicklung und –entfaltung – zur möglichst vollständigen Entwicklung unserer Anlagen und Talente. Sie erzieht uns zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern, die die Welt stets kritisch betrachten und gestalten können. Sie ermöglicht es uns, Missstände und Fehlentwicklungen aufzudecken und Lösungen dafür zu finden.
Bildung dient uns damit auch als Gemeinschaft: Sie ermutigt uns, aktiv an unserer Gesellschaft teilzunehmen. Sie lehrt uns Verantwortung, die wir alle gegenüber der Gemeinschaft und auch gegenüber unserem Lebensraum haben.
Insbesondere das UNESCO-Konzept einer Bildung für Nachhaltige Entwicklung ermöglicht es, schon seit Anfang der 2000er Jahre, also noch vor der Agenda 2030, Herausforderungen im Zuge des Klimawandels zu verstehen, Lösungswege zu bewerten und Veränderungen aktiv mitzugestalten.
Ich bin überzeugt, wenn Menschen über eine entsprechende Bildung verfügen, können sie eine friedliche, sozial gerechte und ökologisch verantwortungsvolle Welt schaffen. Deswegen setzt sich die Deutsche UNESCO-Kommission intensiv für ein.
ist im vierten Ziel „Hochwertige Bildung“ der insgesamt 17 „Sustainable Development Goals“ integriert. Diese 17 Ziele der Agenda 2030 dienen weltweit der Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung auf ökonomischer, sozialer sowie ökologischer Ebene. Dafür ist Bildung der Schlüssel!
Die Nachhaltigkeitsziele leiten die Arbeit der UNESCO in allen Mandatsbereichen: Es geht um die gemeinschaftliche, ganzheitliche und langfristige Anstrengung, die Menschen zur nachhaltigen Entwicklung und somit zu nichts Geringerem als zum Frieden zu befähigen.
Denn nur im Frieden können Menschen sich entfalten und ein erfülltes Leben im Einklang mit ihrer Umwelt in Würde und Freiheit führen.
Wenn wir sagen, dass Bildung einen Beitrag zu Frieden leisten kann und muss, so muss sie diesen Beitrag in der globalen Dimension leisten. In diesem Sinn hatte der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon mit seiner „Global Education First-Initiative“ einen neuen Schwerpunkt in der Bildungsagenda der Vereinten Nationen bereits 2012 gesetzt. Wir werden auch weiterhin mit aller Kraft für eine „Global citizenship education“ – oder wie ich lieber sage: Bildung für Weltoffenheit – eintreten.
Bildung kann jedoch nicht nur als Instrument dienen, sondern auch instrumentalisiert und missbraucht werden: Sie kann eingesetzt werden, um kulturelle Gräben zu vertiefen - um Ideologien zu festigen, die Konflikte statt Frieden fördern.
Wir erleben das leider vielerorts und denken heute Abend dabei insbesondere an die schreckliche Situation in der Ukraine, wo 3028 Bildungsinstitutionen beschädigt und 262 zerstört worden sind.
Eine weitere Gefahr besteht darin, wenn Bildung nicht allen zugänglich gemacht wird und Desinformationen nicht mehr erkannt werden. Eine Gefahr, die durch die rasante Entwicklung der Künstlichen Intelligenz ein neues Ausmaß erlangt hat. Die KI-Entwicklung birgt jedoch auch Chancen für die Bildung und deren Einsatz für Frieden, es gilt sie zu Gunsten eines lebenslangen Lernens zu nutzen! Ich war positiv überrascht, als ich ChatGPT ausprobierte: Das Programm vertrat eine sehr hoffnungsvolle und überzeugende Meinung, als ich die Anfrage stellte, wie Bildung zu Frieden beitragen kann. Das ist doch ein gutes Zeichen!
Die neuen Möglichkeiten der KI erfordern unsere erhöhte Aufmerksamkeit!
Als Deutsche UNESCO-Kommission werden wir uns dafür einsetzen, die KI-Entwicklung mitzugestalten. Dafür ist die KI-Ethik-Empfehlung der UNESCO unsere Leitlinie.
Das aktuelle Jahresthema der Deutschen UNESCO-Kommission lautet: „Grundagen für Frieden und Freiheit stärken“. Dazu zählt Bildung, zählt die Arbeit derer, die sich für Bildung engagieren, zählen die Orte, an denen Bildung möglich ist.
Die eingangs erwähnten UNESCO-Netzwerke, die unmittelbar mit Bildung assoziiert werden – die Chairs, die UNESCO-Projektschulen, die Learning Cities – nutzen ihren Vermittlungsauftrag intensiv, um Frieden zu fördern. Ebenso die UNESCO-Geoparks, UNESCO-Biosphärenreservate, die Creative Cities sowie alle Bereiche unseres gemeinsamen Welterbes sind Lernorte und ein ganz besonderer Teil unserer globalen Bildungslandschaft.
Aus diesem Grund werden wir uns als Deutsche UNESCO-Kommission weiterhin dafür einsetzen, die – oft grenzüberschreitende – Zusammenarbeit zwischen den Netzwerken zu fördern, bekannt zu machen und vor allem auszubauen.
Und nun bin ich mit Ihnen gespannt auf die Podiumsdiskussion. Unseren Gästen auf dem Podium schon jetzt einen herzlichen Dank: liebe Frau Coumel (sprich: „Kuhmell“), Frau Dr. Trüpel, Herr Prof. Siegmund und Herr Steding für Ihre Impulse und Perspektiven auf das Thema „Bildung für den Frieden“, und Herr Wiarda für die Moderation.
Liebe Gäste, ich möchte Sie auch jetzt schon einladen zu unserem Empfang im Anschluss an das Podium.
Ich gebe das Wort weiter an Herrn Zuchan vom Auswärtigen Amt, der Herrn Botschafter Reuss vertritt, der leider nicht kommen konnte. Und wünsche uns allen eine inspirierende Veranstaltung und gute Gespräche rund um das Thema: „Bildung für den Frieden“.
Herzlichen Dank!