UNESCO-Welterbeliste verzeichnet elf Neuaufnahmen
Das UNESCO-Welterbekomitee hat heute bei seiner Sitzung im indischen Neu-Delhi elf neue Welterbestätten ausgezeichnet, darunter das Hilarionkloster im Gazastreifen. Die Ruinen des großen Klosterkomplexes zeugen von der Entwicklung des frühen Christentums im Nahen Osten. Die Stätte wurde im Rahmen eines Notfallmechanismus in die Welterbeliste aufgenommen und zugleich als gefährdet eingestuft.
Darüber hinaus wurden zwei Welterbestätten erweitert, unter anderem Christiansfeld in Dänemark, das seit 2015 zum UNESCO-Welterbe zählt. Als eine charakteristische Siedlung der Herrnhuter Brüdergemeine bildet der Ort in Jütland nun zusammen mit Bethlehem in Pennsylvania, Gracehill in Nordirland und Herrnhut in Sachsen eine transnationale Welterbestätte.
Das Komitee setzt seine Beratungen bis zum 31. Juli fort und wird voraussichtlich morgen über die Welterbe-Nominierung des Residenzensembles Schwerin entscheiden.
Pressematerial
Die wichtigsten Dokumente zur Komitee-Sitzung, Bildmaterial und Ansprechpartner finden Sie hier.
Neuaufnahmen
Melka Kunture und Balchit: Archäologische und paläontologische Stätten im Hochland von Äthiopien (Äthiopien)
Melka Kunture und Balchit im äthiopischen Hochland sind bedeutende Fundstätten von prähistorischen Werkzeugen und Fossilien, die bis zu zwei Millionen Jahre alt sind. Sie bieten wertvolle Einblicke in die Evolutionsgeschichte des Menschen. Unter anderem konnte hier der früheste Einsatz des Gesteinsglases Obsidian als Werkzeug nachgewiesen werden. Die Welterbestätte ist ein Schlüsselort für das Verständnis der frühen menschlichen Entwicklung und bietet einzigartige Möglichkeiten für archäologische und paläontologische Forschung.
Vjetrenica-Höhle, Ravno (Bosnien und Herzegowina)
Die Vjetrenica-Höhle im Dinarischen Gebirge mit ihren prachtvollen Stalaktiten und Stalagmiten ist ein beeindruckendes Naturphänomen. Die Gänge der Höhle durchziehen den Karst der Region auf einer Länge von rund sieben Kilometern. Sie beheimaten zahlreiche endemische Arten, darunter den seltenen Grottenolm und die Höhlenassel. Die Vjetrenica-Höhle bietet wertvolle Einblicke in die geologische Geschichte und das einzigartige Ökosystem des Karsts.
Nationalpark Lençóis Maranhenses (Brasilien)
Der Nationalpark Lençóis Maranhenses im Nordosten Brasiliens ist bekannt für seine weißen Sanddünen, die in der Regenzeit von kristallklaren Lagunen durchzogen werden. Die Dünenfelder erstrecken sich über 155.000 Hektar, eine Fläche fast so groß wie London. Sie sind damit die größten ihrer Art in Südamerika. Der Nationalpark befindet sich an der Übergangszone der Naturräume Cerrado, Caatinga und Amazonas. Zusammen mit Mangrovenwäldern, Flüssen und Küsten, bietet diese einzigartige natürliche Umgebung Lebensraum für eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt.
Königlicher Hof von Tiébélé (Burkina Faso)
Der Königliche Hof von Tiébélé liegt am Fuße des Tchébili-Hügels im Süden von Burkina Faso. Er ist ein herausragendes Beispiel für die traditionelle Architektur der Kassena, einer Bevölkerungsgruppe, die in Burkina Faso und Ghana beheimatet ist. Kunstvoll dekorierte Lehmhäuser spiegeln die soziale Organisation der Kassena wider: Unterschiedlich angelegte Anwesen sind ganz bestimmten Gruppen vorbehalten. Junge verheiratete Paare leben in Gebäuden mit quadratischem Grundriss, unverheiratete Männer in Häusern mit rundem. Die dekorativen Elemente der Bauwerke mit ihren geometrischen Mustern und leuchtenden Farben dienen dem Schutz vor der Hitze und gelten als Ausdruck kultureller Identität.
Badain-Jaran-Wüste – Sanddünen und Seen (China)
Die Badain-Jaran-Wüste im Nordwesten Chinas beeindruckt mit ihren riesigen, bis zu 500 Meter hohen Sanddünen und weit über 100 durch Salz und Mikroben bunt gefärbte Seen. Diese einzigartige Landschaft ist Heimat für den Saxaul-Baum und Tiere wie die Sandgazelle und die Mongolische Rennratte. Das Naturwunder erstreckt sich über eine Fläche von mehr als 725.000 Hektar und ist damit fast so groß wie Rheinland-Pfalz. Heute ist die Wüste ein wichtiges Forschungsgebiet für Geologie und Ökologie.
Te Henua Enata – Die Marquesas-Inseln (Frankreich)
Die Marquesas-Inseln im Südpazifik gelten als eines der abgelegensten Archipele der Welt. Steile Berge, wolkenverhangene Gipfel und tiefe Täler prägen die Landschaft. Die Inseln zeichnen sich durch eine äußert vielfältige Tier- und Pflanzenwelt aus. Zahlreiche der hier heimischen Arten kommen aufgrund der isolierten Lage nur auf den Marquesas vor. Die Inselgruppe wurde etwa um das Jahr 1000 durch die Ènata besiedelt. Bis heute zeugen zahlreiche archäologische Funde vom reichen Erbe ihrer polynesischen Kultur. Nach der Ankunft der ersten Europäer wurden die Inseln 1842 von Frankreich annektiert.
Umm Al-Jimāl (Jordanien)
Umm Al-Jimāl im Norden Jordaniens bewahrt die Überreste einer ländlichen Siedlung der Hauran-Region. Der Ort entstand um das 5. Jahrhundert auf den Überresten einer römischen Siedlung und war bis ins 8. Jahrhundert bewohnt. Die gut erhaltenen Ruinen bieten wertvolle Einblicke in die antike Stadtplanung und Baukunst. Der Ort war in drei Stadtvierteln angeordnet, umfasste zahlreiche mehrstöckige Häuser samt Höfen und zählte nicht weniger als 16 Kirchen. Umm Al-Jimāl ist ein bemerkenswertes Dokument des Lebens in der damaligen Zeit fernab urbaner Zentren.
Moidams – Grabhügelsystem der Ahom-Dynastie (Indien)
Die Moidams in Nordostindien sind Hügelgräber, die als letzte Ruhestätten von Herrschern und Adligen der Ahom-Dynastie dienen. Die Nekropole wurde zwischen dem 13. und 19. Jahrhundert nach den Glaubensvorstellungen der Ahom gestaltet: Eingebettet in ihre natürliche Umgebung, wurden zwischen den Hügelgräbern Gewässer angelegt und heilige Bäume gepflanzt. Die Moidams sind archäologisch wertvoll und ein bedeutendes Beispiel für die Bestattungstraditionen der Ahom.
Hilarionkloster / Tell Umm Amer (Palästinensische Gebiete)
Die Ruinen des Hilarionklosters im Gazastreifen zeugen von der Entwicklung des frühen Christentums im Nahen Osten. Der Klosterkomplex war einer der größten seiner Art in der Region. Die Anlage umfasste unter anderem zwei Kirchen, Friedhof und Taufhalle, einen Empfangssaal und Speiseräume. Das gut ausgestattete Kloster verfügte über Zisternen, Lehmöfen und Entwässerungskanäle. Die Stätte wurde im Rahmen eines Notfallmechanismus in die Welterbeliste aufgenommen. Sie gilt durch den andauernden Konflikt im Gazastreifen als bedroht und wurde zugleich in die Liste des gefährdeten Welterbes eingeschrieben.
Die Entstehung des modernen Menschen: Die pleistozäne Besiedlung Südafrikas (Südafrika)
Der Diepkloof Rock Shelter, Pinnacle Point und die Sibudu-Höhle sind archäologisch bedeutende Fundstätten in Südafrika, die bis zu 162.000 Jahre alte Belege für die Entwicklung modernen menschlichen Verhaltens liefern. Hier lässt sich erkennen, wie der frühe Mensch die Fähigkeit zum symbolischen Denken erwarb und zunehmend fortschrittliche Technologien zum Einsatz brachte, etwa die Hitzebehandlung von Stein zur Werkzeugherstellung.
Flow Country (Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland)
Das Flow Country ist eine Moorlandschaft im Norden Schottlands. Die Region umfasst einen beeindrucken Mix aus Feuchtgebieten und kulturvierten Landschaften. Das Torfmoor des Flow Country wächst seit rund 9.000 Jahren und gewährt der Forschung wichtige Einblicke in die ökologischen Prozesse der Torfbildung. Das Schutzgebiet ist sowohl ein wichtiger Kohlenstoffspeicher als auch Lebensraum für eine einzigartige Flora und Fauna.
Erweiterungen
Zugvogelschutzgebiete entlang der Küste des Gelben Meeres – Golf von Bohai (China)
Die ersten Zugvogelschutzgebiete entlang der Küste des Gelben Meeres wurden 2019 in die Welterbeliste aufgenommen. Dieses bedeutende Naturerbe konnte nun erweitert werden: Die Gezeitenzonen des Gelben Meeres und des Golfs von Bohai sind wichtige Sammelplätze für viele Zugvogelarten, die entlang der ostasiatisch-australasiatischen Zugroute wandern und sich auf den Wattflächen und in den Sümpfen der Region mit Nahrung versorgen. Viele bedrohte Arten – darunter der Schwarzschnabelstorch, der Mandschurenkranich und der Löffler – nutzen die Küstenabschnitte für einen Zwischenstopp, zum Nisten, Überwintern und auch Brüten.
Siedlungen der Herrnhuter Brüdergemeine (Dänemark, Deutschland, Vereinigte Staaten von Amerika, Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland)
Die Herrnhuter Siedlungen weltweit zeichnen sich durch einheitlichen Städtebau und schlichte Architektur aus, die die Ideale der Religionsgemeinschaft widerspiegeln. Zur transnationalen Welterbestätte gehören Christiansfeld in Jütland – das bereits seit 2015 zum UNESCO-Welterbe zählt – Bethlehem in Pennsylvania, Gracehill in Nordirland und Herrnhut in Sachsen, wo die Siedlungsgeschichte im 18. Jahrhundert begann. Graf Nikolaus Ludwig Zinzendorf bot 1722 Glaubensflüchtlingen aus Mähren Schutz auf seinem Gut Berthelsdorf. Prinzipien wie der schlichte Herrnhuter Kirchensaal ohne Kanzel und Altar sowie der Gottesacker mit flachen Grabsteinen prägen die Siedlungen. Der Herrnhuter Barock führte zu einer einheitlichen Maßeinheit, sodass Türen aus Berthelsdorf in Gebäude der Herrnhuter in den USA oder Dänemark passen.
Hintergrund
Das UNESCO-Welterbekomitee tagt vom 21. bis 31. Juli in Indiens Hauptstadt Neu-Delhi. Es setzt sich aus 21 gewählten Vertragsstaaten der WelterbekonventionExterner Link: zusammen. Es entscheidet in der Regel jährlich über die Einschreibung neuer Kultur- und Naturstätten in die Welterbeliste und befasst sich mit dem Erhaltungszustand eingeschriebener Stätten. Auf der Liste des UNESCO-Welterbes stehen derzeit mehr als 1.200 Kultur- und Naturstätten in 168 Ländern. 56 davon gelten als bedroht. Deutschland verzeichnet 53 Welterbestätten.
Weitere Informationen
Website zur 46. Sitzung des UNESCO-WelterbekomiteesExterner Link:
Pressekontakt
Timm Nikolaus Schulze
Pressesprecher
Deutsche UNESCO-Kommission
Telefon: +49 228 604 97-142
E-Mail: schulze(at)unesco.de
Peter Martin
Stellvertretender Pressesprecher
Deutsche UNESCO-Kommission
Telefon: +49 30 80 20 20-310
E-Mail: martin(at)unesco.de