Heute wurde die Welterbeliste um zwölf neue Stätten ergänzt. Das entschied das UNESCO-Welterbekomitee auf seiner Sitzung in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad. Zu den Neuaufnahmen gehören unter anderem die vom Hopfenanbau geprägte Kulturlandschaft rund um Žatec in Tschechien, die Architektur der Moderne im litauischen Kaunas und der Bale-Mountains-Nationalpark in Äthiopien, die größte alpine Landschaft Afrikas. Das UNESCO-Komitee tagt noch bis zum 25. September.

Neuaufnahmen

Bale-Mountains-Nationalpark (Äthiopien)

Der Bale-Mountains-Nationalpark gilt als ein Hotspot der biologischen Vielfalt. In dem spektakulären Landschaftsmosaik finden sich unterschiedlichste Ökosysteme, darunter der größte alpine Lebensraum Afrikas auf über 3.000 Metern Höhe mit zahlreichen Gletscherseen, Feuchtgebieten und Mooren. An anderen Stellen gedeihen ausgedehnte Graslandschaften und Waldgebiete. So fallen etwa die Südhänge des Gebirges dramatisch in den Harenna-Wald ab, den zweitgrößten Regenwald Äthiopiens. Die Bale Mountains sind Heimat für viele bedrohte Arten, wie den Bergnyala, die Bale-Grünmeerkatze und den Äthiopischen Wolf.

Kulturlandschaft des Khinalig-Volkes und „Köç Yolu“-Transhumanzroute (Aserbaidschan)

Khinalig im Kaukasus ist mit 2.100 Metern das höchstgelegene Dorf Aserbaidschans und Heimat der gleichnamigen Halbnomaden. Ihre Kultur und Lebensweise sind geprägt durch die saisonale Wanderung zwischen Sommerweiden, Yaylaqs, und Winterweiden, Qishlaqs. Die Wanderweidewirtschaft wird entlang der „Köç Yolu“ betrieben, zu Deutsch „Wanderroute“. Dieses gewachsene Netzwerk aus alten Straßen, Weiden und Zeltplätzen, Bewässerungssystemen, Quellen und Brunnen, Mausoleen, Moscheen, Friedhöfen und Brücken erstreckt sich über eine Strecke von rund 200 Kilometern. Dank ihres außerordentlich guten Erhaltungszustands gilt die Route als herausragendes Beispiel einer seit langem bestehenden nachhaltigen Landnutzung, die an vielfältige und extreme Umweltbedingungen angepasst ist.

Das Maison Carrée von Nîmes (Frankreich)

Das Maison Carrée ist ein herausragend gut erhaltener römischer Tempel aus dem 1. Jahrhundert. Er entstand in der Übergangszeit von der Republik zum Kaiserreich und war den jung verstorbenen Erben von Kaiser Augustus – Gaius und Lucius Caesar – gewidmet. Sein Platz im Forum des früheren Nemausus zeugt von der Bedeutung des neuen Kaiser-Kults in den römischen Provinzen. Der Tempel vereint architektonische und dekorative Merkmale des antiken Roms mit solchen der augusteischen Epoche. Das Bauwerk kündet vom Anspruch des Kaisertums, das Römische Reich in eine Zeit des Friedens, des Wohlstands und der Stabilität, die Pax Romana, zu führen.

Archäologischer Park Tak'alik Ab'aj (Guatemala)

Nahe der Pazifikküste Guatemalas gelegen, zeugt der archäologische Park Tak’alik Ab’aj von der 1.700-jährigen Geschichte der gleichnamigen Terrassenstadt, die zwischen 800 v. Chr. und dem Jahr 900 existierte. In dieser Zeit ging die Olmeken-Zivilisation allmählich in die frühen Maya-Kultur über. Tak’alik Ab’aj war für diesen Wandel von besonderer Bedeutung. Durch ihre Lage an einem wichtigen Handelsweg zwischen den heutigen Staaten Mexiko und El Salvador, wurde die Stadt durch Wissen, Können und Bräuche bereichert, die entlang der Route ausgetauscht wurden. Noch heute betrachten viele indigene Gruppen den archäologischen Park als heiligen Ort.

Heilige Ensembles der Hoysala (Indien)

Die drei bedeutendsten Tempelkomplexe im Hoysala-Stil aus dem 12. bis 13. Jahrhundert befinden sich im heutigen Bundesstaat Karnataka in Südindien. Der Hoysala-Stil entstand durch die sorgfältige Auswahl älterer Sakralbauelemente und ihre Integration in neue Tempel. Ziel der Hoysala-Dynastie war es, eine kulturelle Identität zu schaffen, die sich klar von jenen der starken Nachbarkönigreiche unterschied. Die sternförmigen Schreine der Hoysala zeichnen sich durch hyperreale Skulpturen und Steinschnitzereien aus, die ihre gesamte Oberfläche bedecken. Skulpturengalerien erzählen religiöse Geschichten und ganze Epen nach. Diese innovative und exzellent ausgeführte Bildhauerkunst stellt eine bedeutende Etappe in der Entwicklung hinduistischer Tempelarchitektur dar.

Die kosmologische Achse von Yogyakarta und ihre historischen Landmarken (Indonesien)

Die sechs Kilometer lange Nord-Süd-Achse im Zentrum von Yogyakarta ist ein außergewöhnliches Zeugnis der Zivilisation und Kultur Javas. Sie verbindet den Berg Merapi, der als Wohnsitz der Schutzgeister gilt, mit dem Palastkomplex, Denkmälern und Plätzen der Stadt und schließlich dem Indischen Ozean, Heimat der Königin des Südmeeres. 1755 von Sultan Mangkubumi errichtet, sollte Yogyakarta als Hauptstadt des gleichnamigen Sultanats eine Miniatur des Universums sein. In der Anlage manifestieren sich philosophische Annahmen über den Menschen, das Leben und den Kosmos.

Kaunas der Moderne: Architektur des Optimismus, 1919-1939 (Litauen)

Kaunas war von 1919 bis 1939 Hauptstadt Litauens und stellt ein herausragendes Beispiel für Urbanisierungs- und Modernisierungsprozesse dar, die zwischen den Weltkriegen in Ost- und Mitteleuropa stattfanden. Im Geist des Nachkriegsoptimismus trieb die Bevölkerung eine rasche Umgestaltung ihrer Stadt voran, um auf die sozioökonomischen Bedingungen der Zeit und den Bedeutungszuwachs von Kaunas zu reagieren. Die Entwicklung erfolgte auf Basis eines früheren Stadtgrundrisses und integrierte die umgebende Natur ebenso wie Teile der militärischen Befestigungsanlagen aus dem 19. Jahrhundert. Die Entwicklungen in Kaunas inspirierten die Moderne in Litauen über das gesamte 20. Jahrhundert hinweg.

Astronomische Observatorien der Föderalen Universität Kasan (Russische Föderation)

Das astronomische Observatorium von Kasan wurde 1837 erbaut und befindet sich auf dem Universitätscampus der Stadt. Es zeichnet sich durch eine halbkreisförmige Fassade und drei Türme aus, in denen astronomische Instrumente untergebracht sind. Eine zweite Anlage, das Engelhardt-Observatorium, wurde bis 1901 in einem bewaldeten Vorort Kasans errichtet, um den Himmel außerhalb der immer heller werdenden Stadt beobachten zu können. Beide Obersvatorien sind mitsamt ihren Instrumenten hervorragend erhaltenen und zeugen vom Übergang der Astrometrie zur Astrophysik.

Prähistorische Stätten des Talayotischen Menorca (Spanien)

Auf Menorca, der zweitgrößte Baleareninsel, finden sich ausgesprochen viele Trockensteinbauten aus der Bronze- und späten Eisenzeit. Sie wurden aus großen Steinblöcken ohne Mörtel errichtet und zeugen von der sogenannten zyklopischen Architektur. Typisch für diesen Baustil sind  runde Häuser, von Säulen getragene Dächer und künstliche Höhlen, Hypogäen genannt. Aufgrund ihrer großen Zahl und ihres außergewöhnlich guten Erhaltungszustands geben die Bauten Aufschluss über die prähistorischen Inselkulturen der Region. So lässt ihre räumliche Verteilung auf hierarchische Gesellschaften schließen, während Blickachsen soziale Netzwerke und astronomische Ausrichtungen ein religiöses Bedeutungssystem vermuten lassen.

Žatec und die Landschaft des Saazer Hopfens (Tschechien)

Žatec und die Landschaft des Saazer Hopfens mit den Dörfern Stekník und Trnovany liegen im Nordwesten Tschechiens. Seit 700 Jahren wird hier die weltweit renommierte Hopfensorte angebaut, verarbeitet und vertrieben. Neben den Hopfenfeldern mit ihren typischen Spalieren aus Stangen und Drähten prägen Wirtschaftsgebäude die Landschaft. Im Zentrum der Stadt Žatec finden sich unzählige Lagerhäuser, Darren und Schwefelkammern. Das hier entwickelte und verfeinerte Know-how rund um den Hopfenanbau verschaffte dem Ort im 19. Jahrhundert weltweit Anerkennung. Der Ruf Žatecs als Hopfenzentrum ersten Ranges ist bis heute ungebrochen.

Gordion (Türkei)

Gordion war das politische und kulturelle Zentrum des antiken Phrygien. Die Stadt lag etwa neunzig Kilometer südwestlich des heutigen Ankara am Schnittpunkt der großen Reiche: Assyrer, Babylonier und Hethiter im Osten, Griechen und Römer im Westen. Die Grabungsstätte Gordion ist dadurch sowohl für das Verständnis der phrygischen Zivilisation als auch der gesamten Eisenzeit außerordentlich wichtig. So befindet sich am Eingang zur Zitadelle Gordion der am besten erhaltene Torkomplex der Eisenzeit.

Djerba: Kulturlandschaft, Zeugnis eines Siedlungsmusters auf einem Inselgebiet (Tunesien)

Auf der tunesischen Insel Djerba zeigt sich ein herausragendes Siedlungsmuster aus dem 9. Jahrhundert, das der Wasserknappheit auf der Insel Rechnung trug. Die Kulturlandschaft zeichnet sich durch eine besonders geringe Bebauungsdichte aus: Houma genannte Nachbarschaften, die aus mehreren Höfen bestanden, lagen über die Insel verstreut. Sie waren wirtschaftlich autark, aber über ein komplexes Straßennetz untereinander sowie mit verschiedenen religiösen Zentren und Handelsplätzen verbunden. Urbanere jüdische Quartiere ergänzten diese Raumaufteilung. Auf Djerba entwickelte sich so ein soziokulturelles Wirtschaftsmodell, das auf die natürlichen Bedingungen der Insel abgestimmt war.

Hintergrund

Das UNESCO-Welterbekomitee tagt vom 10. bis 25. September in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad. Es setzt sich aus 21 gewählten Vertragsstaaten der WelterbekonventionExterner Link: zusammen. Es entscheidet in der Regel jährlich über die Einschreibung neuer Kultur- und Naturstätten in die Welterbeliste und befasst sich mit dem Erhaltungszustand eingeschriebener Stätten. Auf der Liste des UNESCO-Welterbes stehen derzeit fast 1.200 Kultur- und NaturstättenExterner Link: in 167 Ländern. 56 davon gelten als bedroht.Externer Link: Deutschland verzeichnet 52 WelterbestättenExterner Link:.

Weitere Informationen

Neue Welterbestätten 2023Externer Link:

PressefotosExterner Link:

Pressematerial zur 45. Sitzung des UNESCO-WelterbekomiteesExterner Link:

Livestream der 45. Sitzung des UNESCO-WelterbekomiteesExterner Link:

Website zur 45. Sitzung des UNESCO-WelterbekomiteesExterner Link:

Pressekontakt

Timm Nikolaus Schulze
Pressesprecher
Deutsche UNESCO-Kommission
Telefon: +49 228 604 97-142
E-Mail: schulze(at)unesco.de

Peter Martin
Stellvertretender Pressesprecher
Deutsche UNESCO-Kommission
Telefon: +49 30 80 20 20-310
E-Mail: martin(at)unesco.de

Blick auf das Schweriner Schloss vom Brunnen im Burggarten über die Orangerie
Pressemitteilung |

Residenzensemble Schwerin ist Welterbe

Gebäude und Gärten am Schweriner See zeugen von letzter Blüte europäischer Schlossbaukunst

Alle Pressemitteilungen