Die UNESCO hat soeben die Flößerei zum Immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt. Damit würdigt die UN-Kulturorganisation eine Tradition, die seit dem Mittelalter in Europa lebendig ist. Deutschland, Lettland, Österreich, Polen, Spanien und Tschechien hatten die Anerkennung gemeinsam beantragt. Der Zwischenstaatliche Ausschuss zum Immateriellen Kulturerbe tagt noch bis zum 3. Dezember in Marokkos Hauptstadt Rabat.

„Die Würdigung der Flößerei durch die UNESCO ist auch eine Auszeichnung der europäischen Zusammenarbeit“, erklärt Katja Keul, Staatsministerin im Auswärtigen Amt. „Dass Flößerinnen und Flößer aus sechs Staaten gemeinsam am Erhalt unseres kulturellen Erbes arbeiten, zeigt, wie wichtig das Engagement der Zivilgesellschaft für den internationalen Dialog ist. Dieser Austausch über Grenzen hinweg war und ist die Basis für die kulturelle Entwicklung unseres Kontinents. Ich danke allen, die sich in Lettland, Österreich, Polen, Spanien, in Tschechien und Deutschland für die UNESCO-Anerkennung der Flößerei stark gemacht haben. Das ist ihr Erfolg!“

Jahrhundertealte Handwerkskunst

Die Flößerei ist der Transport von Holz auf dem Wasserweg. Seine Blütezeit erlebte das Handwerk in Europa zwischen dem Mittelalter und der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In der Flößerei spiegelt sich die Wirtschaftsgeschichte des Kontinents. Ohne die Versorgung mit Floßholz wäre die Entwicklung vieler Städte undenkbar gewesen. In Deutschland wurde zuletzt in den 1980er Jahren gewerblich geflößt, doch die Tradition lebt bis heute fort.

„Die Erklärung der Flößerei zum Immateriellen Kulturerbe der Menschheit ist Ausdruck der Wertschätzung für dieses bedeutende Handwerk“, unterstreicht Ina Brandes, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen und Vorsitzende der Kulturministerkonferenz. „Die Flößereivereinigungen leisten einen wertvollen Beitrag sowohl für die Traditionspflege vor Ort als auch für das soziale Leben im ländlichen Raum. Sie geben einer Tradition Heimat und Zukunft und sind deshalb so wichtig für die Identität und das Gefühl der Zusammengehörigkeit für viele Menschen in ganz Deutschland.“

Durch die oft weiten Wege, die zwischen waldreichen Regionen und dem Bestimmungsort des Holzes zurückgelegt werden mussten, lebten und arbeiteten die Flößer in der Vergangenheit nicht selten für Wochen miteinander auf ihrem Gefährt. Dadurch entstand eine Gemeinschaft, in der die Fertigkeiten und Techniken des Floßbaues und der Navigation entwickelt und weitergegeben wurden.

Lebendige Tradition

Geflößt werden kann auf nahezu allen Gewässern, auf kleinen Bächen ebenso wie auf großen Flüssen. Teamwork spielt dabei eine wichtige Rolle. Nur gemeinsam gelingt es den Flößerinnen und Flößern, aus Holzstämmen selbst Gefährte von enormen Ausmaßen zu binden und zu steuern. So entstanden auch Flöße, die bis zu 600 Meter lang, 50 Meter breit und 2 Meter hoch waren.

„Wir freuen uns außerordentlich und bedanken uns als Deutsche Flößerei-Vereinigung bei der UNESCO für die Anerkennung als Immaterielles Kulturerbe der Menschheit“, sagt Martin Spreng, erster Vorsitzender der Deutschen Flößerei-Vereinigung. „Es ist eine Würdigung der jahrzehntelangen Arbeit von ehrenamtlich tätigen Mitgliedern in 27 Vereinen, die das alte Handwerk der Flößerei durch Floßbau und Floßfahrten lebendig erhalten. Das ist vor allem für junge Menschen interessant, die dadurch einen erlebbaren Zugang zur Geschichte und Bedeutung des Holztransportes und des Holzhandels erhalten, der Jahrhunderte lang das Leben der Menschen mitgeprägt hat.“

Heute findet das alte Handwerk wieder zunehmend Verbreitung und steht Frauen wie Männern gleichermaßen offen. Flößereivereine halten das traditionelle Wissen wach. Auf Flößerfesten und Floßfahrten, in Schulen und Kindergärten informieren sie über das kulturelle Erbe und die Bedeutung des Rohstoffs Holz in Vergangenheit und Zukunft.

„Die Flößerei ist eine Handwerkskunst, die seit Jahrhunderten über Generationen und Grenzen hinweg gepflegt wird“, betont Christoph Wulf, Vizepräsident der Deutschen UNESCO-Kommission und Vorsitzender des Expertenkomitees Immaterielles Kulturerbe in Deutschland. „Damals wie heute beruht sie auf technischem Know-how und der Beziehung zwischen den Menschen und der Natur. Ich freue mich über die Einschreibung dieser wertvollen Tradition, die von der Iberischen Halbinsel bis ins Baltikum Gemeinschaft stiftet“, so Wulf.

Hintergrund

Zum Immateriellen Kulturerbe zählen lebendige Traditionen aus den Bereichen Tanz, Theater, Musik, mündliche Überlieferungen, Naturwissen und Handwerkstechniken. Seit 2003 unterstützt die UNESCO den Schutz, die Dokumentation und den Erhalt dieser Kulturformen. Bis heute sind 180 Staaten dem UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes beigetreten. Deutschland gehört dem Vertrag seit 2013 an.

Einzelne Elemente aus den nationalen Verzeichnissen der Vertragsstaaten können für eine von drei UNESCO-Listen des Immateriellen Kulturerbes vorgeschlagen werden. Mehr als 600 Bräuche, Darstellungskünste, Handwerkstechniken und Formen des Naturwissens aus aller Welt werden derzeit auf diesen Listen geführt, darunter der Tango aus Argentinien und Uruguay, die traditionelle chinesische Medizin, Reggae aus Jamaika und die Praxis des Modernen Tanzes in Deutschland.

Der Zwischenstaatliche Ausschuss setzt sich aus 24 gewählten Vertragsstaaten des Übereinkommens zusammen, darunter in diesem Jahr erstmals auch Deutschland. Er entscheidet jährlich über die Aufnahme neuer Kulturformen in die UNESCO-Listen.

Weitere Informationen

Webseite der 17. Sitzung des Zwischenstaatlichen Ausschusses zum Immateriellen KulturerbeExterner Link:

Fotos und Videos zur FlößereiExterner Link:

Immaterielles Kulturerbe weltweitExterner Link:

Immaterielles Kulturerbe in DeutschlandExterner Link:

Flößerei im Bundesweiten Verzeichnis des Immateriellen KulturerbesExterner Link:

„Die Bindetechnik ist eine Kunst“ – Flößer Michèl Grünert im InterviewExterner Link:

Pressekontakt

Timm Nikolaus Schulze
Pressesprecher
Deutsche UNESCO-Kommission
Telefon: +49 228 604 97-142
E-Mail: schulze(at)unesco.de

Peter Martin
Stellvertretender Pressesprecher
Deutsche UNESCO-Kommission
Telefon: +49 30 80 20 20-310
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