Verfahrensunterlagen und Tonbandaufnahmen des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses
Fakten
- Aufnahmejahr: 2017
- Standort: Hessisches Landesarchiv – Hessisches Hauptstaatsarchiv WiesbadenExterner Link:, Friedrichsplatz 15, 35037 Marburg
- UNESCO-Website: Memory of the World RegisterExterner Link:
- Website zum DokumentExterner Link:
Die Prozessunterlagen setzen sich zusammen aus insgesamt 454 Aktenbänden sowie 103 Tonbändern. Die Unterlagen beinhalten die 1958 begonnenen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart, der kurz zuvor eingerichteten Zentralen Stelle in Ludwigsburg sowie die in den von den Frankfurter Staatsanwälten 1959 begonnenen Ermittlungsverfahren zusammengetragenen Unterlagen einschließlich der Zeugenaussagen. Zum ersten Mal überhaupt in der Geschichte der Bundesrepublik reisten deutsche Staatsanwälte im August 1960 über den „Eisernen Vorhang“ hinweg nach Auschwitz.
Die Tonband-Aufzeichnungen der Hauptverhandlung waren ursprünglich nur als „Stützung des Gedächtnisses des Gerichts“ vorgesehen. Während 183 Verhandlungstagen vernahm das Gericht 360 Personen, darunter 221 Opferzeugen - Überlebende des KZ Auschwitz, aber auch anderer Lager - sowie 88 ehemalige SS- bzw. Polizeiangehörige. Ferner wurden auch die Stellungnahmen von Sachverständigen, Plädoyers der Staatsanwaltschaft, Nebenklagevertreter und Verteidigung, Schlussworte der Angeklagten und die mündliche Urteilsverkündigung des Vorsitzenden Richters Hans Hofmeyer auf Band aufgenommen.
Zitat von Prof. Dr. Joachim-Felix Leonhard
Zur Geschichte des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess
Die Anzeige einer Privatperson gegen SS-Oberscharführer Wilhelm Boger löste im Frühjahr 1958 den ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess aus. Zuständigkeitshalber ermittelte zunächst die Stuttgarter Staatsanwaltschaft, ab Dezember desselben Jahres auch die Zentrale Stelle in Ludwigsburg. Nachdem der Frankfurter Generalstaatsanwalt Fritz Bauer im Januar 1959 authentische Dokumente erhielt, die die gezielte Tötung von Auschwitz-Häftlingen durch SS-Leute belegten, nahm auch er Ermittlungen auf. Bauer, selbst als Jude und Sozialdemokrat vom NS-Regime verfolgt, beantragte im Frühjahr 1959 beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe, die juristische Zuständigkeit bezüglich aller in Auschwitz verübten Verbrechen dem Frankfurter Landgericht zu übertragen.
Der Prozess begann am 20. Dezember 1963 im Frankfurter Rathaus Römer mit der Anklage gegen 22 SS-Angehörige. Während der 183 Verhandlungstage bis August 1965 wurde die deutsche Nachkriegsgesellschaft zum ersten Mal umfassend und durch die erschütternden Zeugenaussagen offen mit dem Völkermord konfrontiert.
Die Urteile fielen, trotz sechs lebenslanger Haftstrafen, sehr milde aus. Zehn Angeklagte kamen wegen gemeinschaftlicher Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord mit zum Teil kurzen Haftstrafen davon, drei Angeklagte wurden aus Mangel an Beweisen freigesprochen.