UNESCO-Welterbeliste verzeichnet zehn Neuaufnahmen
Heute wurden zehn Stätten in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen. Zu den Neuaufnahmen zählen das frühere Foltergefängnis ESMA in Buenos Aires, wo heute ein Museum an die Schrecken der argentinischen Militärdiktatur erinnert, die Kulturlandschaft Zagori im Norwesten Griechenlands sowie der Nyungwe-Nationalpark, die erste UNESCO-Welterbestätte in Ruanda. Zudem beschloss das Welterbekomitee der UNESCO auf seiner Sitzung in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad die Erweiterung des Kulturerbes von Guimarães in Portugal. Das Gremium tagt noch bis zum 25. September.
Pressematerial
Neuaufnahmen
ESMA-Museum und Ort der Erinnerung – ehemaliges geheimes Zentrum für Inhaftierung, Folter und Vernichtung (Argentinien)
Das ESMA-Museum auf dem Gelände des ehemaligen Offiziersquartiers der Escuela de Mecánica de la Armada (ESMA) in Buenos Aires erinnert an die Schrecken der argentinischen Militärdiktatur. Um das Jahr 1979 folterten, vergewaltigten und ermordeten Offiziere der argentinischen Marine und ihre Untergebenen hier mehr als 5.000 Menschen. Viele in Gefangenschaft geborene Kinder wurden ihren Eltern entrissen und wuchsen bei fremden Familien auf. Die vor allem aus dem politisch linken Spektrum stammenden Opfer der Diktatur mussten Zwangsarbeit leisten, ihre Vermögen wurden geplündert. Die Welterbestätte zeugt von der Grausamkeit der Junta in Argentinien und den Methoden südamerikanischer Diktaturen in den 1970er und 1980er Jahren.
Kulturlandschaft Zagori (Griechenland)
Die Kulturlandschaft von Zagori liegt im Nordwesten Griechenlands. Sie ist von kleinen Dörfern, auch Zagorochoria genannt, und deren traditioneller Architektur geprägt. Kalksteinmauern und gepflasterte Trockensteinwege bestimmen das Bild. Häufig um einen zentralen Platz mit einer Platane errichtet, liegen die Orte inmitten von Wäldern. Im 18. und 19. Jahrhundert entwickelte sich die Infrastruktur, die Zagorochoria veränderten sich: Seitdem ein Netzwerk aus Steinbogenbrücken, gepflasterten Wegen und Treppen die Dörfer miteinander verband, wuchsen sie mehr und mehr zu einer politischen und sozialen Einheit zusammen.
Evaporitischer Karst und Höhlen im Nordappenin (Italien)
Der evaporitische Karst und die Höhlen im Nordapennin umfassen eine Fläche von mehr als 3.600 Hektar. Das ausgedehnte Gipskarst-Gebiet weist über 900 Höhlen auf, darunter einige der tiefsten Gipshöhlen der Welt, die bis zu 265 Meter unter die Erdoberfläche reichen. Die neue Welterbestätte gehört zu den am besten erforschten Karst-Regionen der Erde. Erste wissenschaftliche Arbeiten befassten sich bereits im 16. Jahrhundert mit dem Gebiet, das für die Entwicklung der Geologie, Höhlenforschung, Mineralogie und Hydrogeologie von besonderer Bedeutung war.
Anticosti (Kanada)
Auf der Insel Anticosti im Sankt-Lorenz-Golf befindet sich eine der weltweit bedeutendsten geologischen Fundstätten: Ihre mächtigen Gesteinsschichten geben Aufschluss über Ursachen und Folgen des ersten großen Artensterbens vor rund 450 Millionen Jahren. Fossilien zahlreicher Weichtiere, die hier auf dem Grund eines flachen tropischen Meeres lebten, sind auf Anticosti bis heute bemerkenswert gut erhalten. Die indigene Bevölkerung, auf deren Land die Fundestätte liegt, hat der Aufnahme in das UNESCO-Welterbe zugestimmt.
Eisinga Planetarium in Franeker (Niederlande)
Das Königliche Eise Eisinga Planetarium in Franeker ist das älteste kontinuierlich betriebene Planetarium der Welt. Zwischen 1774 und 1781 in einem bescheidenen Stadthaus errichtet, zeigt es bis heute präzise die Positionen von Sonne, Mond, Erde und den fünf anderen damals bekannten Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn an. Den raffinierten Mechanismus entwarf und baute die Bürgerin Eise Eisinga größtenteils selbst. Er ist in Wand und Decke des Wohnzimmers eingelassen. Dadurch war es möglich, den Raum unter dem großen Planetarium als Empfangsbereich zu nutzen.
Nyungwe-Nationalpark (Ruanda)
Der Nyungwe-Nationalpark liegt im außergewöhnlich artenreichen Albert-Rift. Hier finden sich Berg- und Bambuswälder, Savanne und hochgelegene Feuchtgebiete wie das Kamiranzovu-Sumpfgebiet, ein mehr als 1.000 Hektar großes Torfmoor. Es gilt als das größte Afrikas und dient der Forschung als Pollenarchiv, das Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erlaubt, mehr als 300.000 Jahre in die Erdgeschichte zurückzuschauen. Im Nyungwe-Nationalpark finden sich neben vielen endemischen Pflanzen-, Vogel- und Amphibienarten zahlreiche Primaten, darunter Schimpansen und Angola-Mantelaffen, aber auch die bedrohten Eulenkopf- und Goldmeerkatzen.
Archäologische Stätte Jodensavanne: Siedlung Jodensavanne und Friedhof Cassipora Creek (Suriname)
Jodensavanne war eine frühe jüdische Kolonie in Südamerika, die in den 1680er-Jahren am Ufer des Flusses Suriname gegründet wurde. Ihre Überreste umfassen die Ruinen einer der ältesten Synagogen auf dem amerikanischen Doppelkontinent, Friedhöfe, die Fundamente von Backsteingebäuden, Bootsanleger und die Spuren eines Militärpostens. Der Friedhof Cassipora Creek bezeugt eine noch ältere Siedlung, die seit den 1650er-Jahren wenige Kilometer flussaufwärts existiert haben muss. Für ihre Zeit untypisch, befanden sich die beiden sephardischen Siedlungen nicht in städtischer Umgebung. Stattdessen lebten die Gemeinden hier lange inmitten indigenen Territoriums mit freien und versklavten Menschen afrikanischer Herkunft zusammen. Jodensavanne ist das außergewöhnliche Zeugnis einer autonomen jüdischen Gemeinschaft in Suriname, die vom 17. bis zum 19. Jahrhundert Bestand hatte.
Die antike Stadt Si Thep (Thailand)
Die antike Doppelstadt Si Thep, die Tempelruine Khao Klang Nok und das Höhlenkloster Khao Thamorrat sind außergewöhnliche Zeugnisse der Dvaravati-Kultur, die vom 6. bis 10. Jahrhundert in Zentralthailand florierte. Gemeinsam zeigen die drei Stätten den immensen Kulturaustausch der Dvaravati mit Indien, dem Hinduismus sowie dem Theravada- und Mahayana-Buddhismus. Khao Thamorrat ist das einzige bekannte Höhlenkloster des Mahayana-Buddhismus in Südostasien. Die lokale Auseinandersetzung der Davaravati mit den fremden Einflüssen führte zur Entwicklung einzigartiger künstlerischer und kultureller Merkmale, die sich in Stadtplanung, Mönchtum und religiöser Architektur ausdrückten. Die Si-Thep-Kunstschule beeinflusste Zivilisationen in ganz Südostasien.
Holzsäulenmoscheen des mittelalterlichen Anatolien (Türkei)
Entstanden zwischen dem späten 13. Jahrhundert und der Mitte des 14. Jahrhunderts, zeichnen sich die fünf anatolischen Moscheen durch ihre ungewöhnliche Kombination aus äußerem Mauerwerk und mehreren Reihen hölzerner Säulen im Inneren aus. Sowohl die Säulen als auch die Holzdecken schmücken außerordentlich kunstvolle Schnitzereien, die von handwerklicher Exzellenz zeugen. Dieses Wissen und Können brachten Handwerker aus Zentralasien nach Anatolien, die sich nach den Einfällen der Mongolen in der 1240er-Jahren in der Region niederließen. Dank ihnen sind die fünf Holzsäulenmoscheen ein bis heute bedeutendes Beispiel für die Entwicklung islamischer Architektur.
Zeremonielle Erdwerke von Hopewell (Vereinigte Staaten von Amerika)
Die acht monumentalen Hügel und Erdwerke im US-Bundesstaat Ohio wurden vor 2.000 bis 1.600 Jahren errichtet und zeugen von der indigenen Hopewell-Kultur. Die Monumente dienten zeremoniellen Zwecken und wurden von der verstreut lebenden Bevölkerung gemeinsam entlang der Nebenflüsse des Ohio River errichtet. Die immensen Anlagen sind weiträumig verteilt und beeindrucken durch ihre geometrische Präzision: Die Erdwerke, die nach den Phasen von Sonne und Mond ausgerichtet wurden, zeigen exakte Quadrate, Kreise und Achtecke.
Erweiterung
Historisches Zentrum von Guimarães und die Couros-Zone (Portugal)
Das im 4. Jahrhundert gegründete Guimarães wurde im 12. Jahrhundert die erste Hauptstadt Portugals. Ihr historisches Zentrum ist zusammen mit der sogenannten Couros-Zone, die sich außerhalb der Stadtmauern befand, ein äußerst gut erhaltenes Beispiel für die Entwicklung mittelalterlicher Siedlungen zu protoindustriellen Städten. Ihre reiche Gebäudetypologie ist eine Sinnbild portugiesischer Architektur, die sich durch die konsequente Verwendung traditioneller Baumaterialien und -techniken auszeichnet. Typisch sind etwa Gebäude, deren Erdgeschosse aus Granit errichtet und mit Fachwerkkonstruktionen aufgestockt wurden.
Hintergrund
Das UNESCO-Welterbekomitee tagt vom 10. bis 25. September in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad. Es setzt sich aus 21 gewählten Vertragsstaaten der WelterbekonventionExterner Link: zusammen. Es entscheidet in der Regel jährlich über die Einschreibung neuer Kultur- und Naturstätten in die Welterbeliste und befasst sich mit dem Erhaltungszustand eingeschriebener Stätten. Auf der Liste des UNESCO-Welterbes stehen derzeit fast 1.200 Kultur- und NaturstättenExterner Link: in 168 Ländern. 56 davon gelten als bedroht.Externer Link: Deutschland verzeichnet 52 WelterbestättenExterner Link:.
Weitere Informationen
Neue Welterbestätten 2023Externer Link:
Pressematerial zur 45. Sitzung des UNESCO-WelterbekomiteesExterner Link:
Livestream der 45. Sitzung des UNESCO-WelterbekomiteesExterner Link:
Website zur 45. Sitzung des UNESCO-WelterbekomiteesExterner Link:
Pressekontakt
Timm Nikolaus Schulze
Pressesprecher
Deutsche UNESCO-Kommission
Telefon: +49 228 604 97-142
E-Mail: schulze(at)unesco.de
Peter Martin
Stellvertretender Pressesprecher
Deutsche UNESCO-Kommission
Telefon: +49 30 80 20 20-310
E-Mail: martin(at)unesco.de