Porträt von Maria Böhmer, Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission
Foto Maria Böhmer, Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission | © Kornelia Danetzki

Prof. Dr. Maria Böhmer

Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission

- Es gilt das gesprochene Wort! - 

Sehr geehrte Frau Ministerin Eder,

sehr geehrter Herr Vorsitzende Dr. Lütkes,

sehr geehrter Herr Wieder, 

sehr geehrte Frau Dr. Weber,

liebe französische Gäste,

sehr geehrte Damen und Herren,

im Namen der Deutschen UNESCO-Kommission gratuliere ich ganz herzlich zu der erfolgreichen Re-Evaluierung Ihres Biosphärenreservats Pfälzerwald!

Ich freue mich persönlich sehr, 

heute bei der Urkundenübergabe dabei sein zu dürfen, 

denn dieses Biosphärenreservat ist sozusagen mein „Heimat-Biosphärenreservat“. 

Ich bin sicher, dass viele Pfälzerinnen und Pfälzer und unsere Nachbarn in den Nordvogesen das ebenso empfinden. 

Das ist ein beeindruckender Beweis dafür, 

was Sie mit Ihrer tagtäglichen Arbeit leisten: Sie stiften Identitäten! 

Und das schaffen Sie auf vielfältige Weise!

  • Sie bewahren die Natur und machen sie erlebbar. Für die Menschen vor Ort und auch für Touristen aus nah und fern, wenn ich mir beispielsweise ihren Naturerlebnispfad vor Augen führe!
  • Gleichzeitig bewahren sie die Kultur, wenn ich an die Pfälzerwaldhütten-Kultur denke (seit 2021 Teil des bundesweiten Verzeichnisses des IKEs) oder auch wenn ich an die „Wanderschäferei“ (seit 2020 Teil des bundesweiten Verzeichnisses des IKEs) denke, die Sie in dem „chance.natur-Projekt“ fördern. 

    Beides sind Kulturformen, die im bundesweiten Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurden.

Dabei ist „bewahren“ nicht gleichzusetzen mit „konservieren“ – im Gegenteil! 

Sie stiften Identitäten, da sie im lebendigen Austausch mit den Menschen stehen. 

Der Austausch ist geprägt von einer ständigen Anpassung an bestehende Notwendigkeiten und Bedürfnisse der Menschen und der Natur. Das konnten wir soeben eindrucksvoll auf der Exkursion erleben. 

Und ich erinnere mich gerne an die Erfahrungen, die ich bei meinem Besuch des Biosphärenreservates vor einiger Zeit, mit Ihnen teilen konnte (4. Juni 2019)

Eine mehr als dringende Notwendigkeit für Mensch und Natur ist sicherlich eine ganzheitliche Transformation hin zu einer nachhaltigen Zukunft. 

UNESCO-Biosphärenreservate haben den Anspruch, Modellregionen für diese nachhaltige Entwicklung zu sein. 

Der Begriff der nachhaltigen Entwicklung wird international seit der Verabschiedung der Agenda 2030 durch die 17 Nachhaltigkeitsziele untermauert. 

Sie und alle weiteren UNESCO-Biosphärenreservate setzen sich aktiv für die Erreichung dieser Ziele ein. 

Deswegen waren Sie ganz explizit von 2019 bis 2021 als „SDG-Modellregion Pfälzerwald“, als global nachhaltige Kommune, ausgezeichnet. Und natürlich verpflichten Sie sich weiter den SDGs! 

Das ist ermutigend, denn UNESCO-Biosphärenreservate eignen sich in besonderer Weise, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. 

So vielfältig und ganzheitlich die Ziele der Agenda 2030 sind – 

so vielfältig und ganzheitlich sind auch die Strategien der UNESCO-Biosphärenreservate! 

Ihr Biosphärenreservat zeigt als Vorreiter für die Nachhaltigkeitswende, wie man Mensch und biologische Vielfalt, Wirtschaft und Naturschutz, gesellschaftlichen Zusammenhalt und Tourismus zusammenbringt. 

Sie ebnen dadurch nachhaltige Wege, von denen alle profitieren: 

Die Natur und ihre Ressourcen, die Wirtschaft genauso wie die Menschen vor Ort und die ganze Gesellschaft. 

Sie erarbeiten und erproben innovative und nachhaltige Lösungsstrategien. Ihr deutsch-französisches Projekt zum Thema Klima- und Artenschutz: "Gärten für die Artenvielfalt“ ist dabei ein richtungsweisendes Beispiel

Ihr Biosphärenreservat ist jedoch nicht nur Vorreiter und Motivator, Ideengeber und Antreiber für die Nachhaltigkeitswende. Sie sind auch Vermittler.

  • Zum Ersten vermitteln sie uns, wie wichtig und dringlich nachhaltige Entwicklung ist. Sie verstehen sich als Lernort für alle Menschen und ihre Bildungsangebote orientieren sich an den Standards der Bildung für nachhaltige Entwicklung.
  • Zum Zweiten, vermitteln Sie Bedarfe und Lösungen aus Ihrem Biosphärenreservat an politische Entscheidungsträger: in ihren Kommunen und auf Landesebene, in politischen Gremien, bei Interessensverbänden und vielen mehr. 
  • Zum Dritten, vermitteln sie zwischen verschiedenen Interessen, initiieren Aushandlungsprozesse und tragen dazu bei, Zielkonflikte zu lösen. So zeigen sie, dass innovative Kompromisse möglich sind. Sie beweisen tagtäglich, was die Besonderheit von UNESCO-Biosphärenreservaten ist: 

    nachhaltige Entwicklung vor Ort mit den hier lebenden Menschen zu gestalten, zu fördern und umzusetzen. 

Aufgrund dieses Vorbild- und Modellcharakters erkannte die UNESCO den Pfälzerwald 1992 als Biosphärenreservat an. 

Dass Sie heute die Re-Zertifizierungsurkunde in den Händen halten, unterstreicht, dass die UNESCO Ihre eindrucksvolle Arbeit und den Charakter des Biosphärenreservats weiter anerkennt.

Ich bin davon überzeugt, dass Sie jedoch nicht „nur“ eine Modellregion für nachhaltige Entwicklung sind; 

sondern auch eine „Modellregion für Frieden“:

Schließlich sind Sie 1998 als grenzüberschreitendes UNESCO-Biosphärenreservat mit den französischen Freundinnen und Freunden der Nordvogesen ausgezeichnet. Einige davon sind heute hier! 

Sie feiern in diesem Jahr das 25-jährige Jubiläum dieses grenzüberschreitenden Erfolgsprojekts „Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen“. 

Dazu gratuliere ich Ihnen herzlich!

  • Als einziges grenzüberschreitendes Biosphärenreservat in Deutschland 
  • Als erstes grenzüberschreitendes Biosphärenreservat in der Europäischen Union 
  • Als eines von weltweit nur 22 grenzüberschreitenden Biosphärenreservaten überhaupt 

…sind die Nordvogesen und der Pfälzerwald ein ganz besonderes UNESCO-Biosphärenreservat. Es trägt in besonderem Maße zur Völkerverständigung, zu Toleranz und somit zu nichts Geringerem als der Kernaufgabe der UNESCO bei: dem Frieden.

Gerade in dieser Zeit wissen wir, welch kostbares und fragiles Gut „Frieden“ ist und dass uns dieses Ziel nie ruhen lassen darf, trotz aller Rückschläge.

Deshalb wurde die UNESCO nach dem Schrecken zweier Weltkriege gegründet. 

„Da Kriege im Geist der Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geist der Menschen verankert werden“, so die Präambel der UNESCO.

Der brutale russische Angriffskrieg in der Ukraine lehrt uns, dass als selbstverständlich wahrgenommene Dinge plötzlich ins Wanken geraten. Zugleich zeigt er uns, wie wichtig es ist, tagtäglich für Frieden und Freiheit einzustehen. 

Das Biosphärenreservat „Pfälzerwald-Nordvogesen“ ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie man sich durch Koope-ration und durch Austausch konkret für das große Ziel des Friedens einsetzen kann. Hier standen sich Deutsche und Franzosen entlang von Westwall und Maginot-Linie lange Zeit unversöhnlich gegenüber! Heute ist es, auch durch das binationale Biosphären-reservat, ein wichtiges Symbol gelebter deutsch-französischer Freundschaft. Eine Freund-schaft, die just in diesem Jahr ihr 60-jähriges Bestehen seit dem Elysée-Vertrag feiert.

Und somit strahlen Sie weit über die Region hinaus! Durch Ihre Zusammenarbeit in einem weltweiten Netzwerk mit aktuell 738 UNESCO-Biosphärenreservaten in 134 Ländern wirkt Ihre Modellregion global. Und daraus wird das lokale Heimatgefühl, was ich eingangs erwähnte, zu etwas Größerem: 

Zu einem Gefühl, Teil einer Weltgemeinschaft zu sein. Auch das stiftet Identität!

Den Zusammenhalt und neue Identitäten durfte ich Anfang März in der Lausitz hautnah erfahren! 

Dort begleiten wir derzeit ein Kooperationsprojekt verschiedener UNESCO-Stätten, gemeinsam mit polnischen Partnerinnen und Partnern. 

Darunter fallen zwei Biosphärenreservate, die mit einer Welterbestätte, dem Immateriellen Kulturerbe sowie einem Geopark in der UNESCO-Familie zusammenarbeiten.

Diese internationale Perspektive und die transnationale Zusammenarbeit sind zentrale Charakteristika der UNESCO-Biosphärenreservate. 

Damit trägt das Netzwerk als solches, und jedes einzelne Mitglied, zum Grundgedanken der UNESCO bei – die Wahrung des Friedens weltweit durch Zusammenarbeit in Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation. 

Auch wir als Deutsche UNESCO-Kommission setzen uns im Rahmen dieser Mandatsbereiche für den Frieden ein und haben entsprechend unser Jahresthema darauf ausgerichtet. Gemeinsam mit unseren Netzwerken möchten wir die „Grundlagen für Frieden und Freiheit stärken“. 

Dafür bauen auch wir unsere internationalen Partnerschaften aus. 

So unterstützen wir beispielsweise auch zahlreiche Biosphärenreservate im Südlichen Afrika beim Aufbau neuer Biosphärenreservate sowie bei der Verbesserung ihrer Qualität, durch capacity building sowie durch die Vernetzung mit politischen Akteuren. 

Zudem fördert die DUK ihre Netzwerke in ihrer friedensstiftenden sowie nachhaltigen Arbeit. Beispielsweise zeichnen wir seit letztem Jahr zusammen mit dem BMBF Lernorte mit dem „Nationalen Preis – Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ aus, um gute Praxis-Beispiele der in die Breite der Gesellschaft zu tragen und bekannter zu machen. 

Lernorte, die den gleichen Anspruch wie Sie an und für die haben. 

Zugleich unterstützen wir die Biosphärenreservate im gleichnamigen Parlamentskreis im Deutschen Bundestag. Dessen Gründung habe ich mit der Deutschen UNESCO-Kommission aus großer Überzeugung unterstützt und ich freue mich, dass er erst Ende März eine weitere erfolgreiche Sitzung abhalten konnte. 

Auch durch den Parlamentskreis, konnte im letzten November das Abschlussevent der Kampagne aller deutschen Biosphärenreservate „Verrückt auf morgen“ im Deutschen Bundestag stattfinden. 

Ich persönlich war begeistert von den vielfältigen Projekten der Biosphärenreservate, die dort vorgestellt wurden. 

Auch Sie waren zugegen und können sicher bestätigen, mit welcher Motivation das Netzwerk die vielen eigenen Projekte „für morgen“ präsentiert hat. 

In diesem Sinne möchte ich mich herzlich bei Ihnen für Ihren Einsatz „für morgen“ bedanken. Vielen Dank für das tägliche Engagement lokal, national und international! 

Merci à vous tous en Allemagne et en France pour votre engagement. 

Gerne steht Ihnen die Deutsche UNESCO-Kommission auch in Zukunft für Ihre Vorhaben zur Seite.

Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg bei Ihren Projekten und freue mich schon jetzt zuversichtlich darauf, Sie auch zur nächsten Re-Zertifizierung beglückwünschen zu dürfen. 

Herzlichen Dank

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