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© Prof. Dr. Mariele Evers

Prof. Dr. Mariele Evers

Inhaberin des UNESCO-Lehrstuhls für Mensch-Wasser-Systeme an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Der Lehrstuhl für Mensch-Wasser-Systeme an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn wurde 2021 in das Netzwerk der UNESCO-Chairs aufgenommen. Was hat Sie motiviert, Teil dieses Netzwerks zu werden?

Prof. Dr. Mariele Evers: Das Netzwerk der UNESCO-Chairs ist einzigartig. Ich glaube, es sind mittlerweile 850 Lehrstühle in 117 Ländern. Die UNESCO verbindet hier Forschung, Bildung und Kultur. Ein beträchtlicher Teil dieser Lehrstühle beschäftigt sich mit wasserbezogenen Themen. Teil dieses Netzwerks zu sein, ist für mich und meine Arbeitsgruppe eine Auszeichnung, die uns zeigt, dass wir mit unserem Profil gut hier hineinpassen. Es ist mir immer wichtig gewesen, die Erkenntnisse aus der Forschung stärker in die Praxis einzubringen und auch in der Politik sichtbar zu machen. Dabei hilft die UNESCO-Anerkennung, indem sie unsere Sichtbarkeit erhöht und zeigt, dass wir zu Themen arbeiten, die UN- oder UNESCO-relevant sind. Schon jetzt nach zwei Jahren kann ich sagen: das funktioniert gut.

Ihr Forschungsschwerpunkt sind die sogenannten Mensch-Wasser-Systeme. Was kann man sich unter diesem Konstrukt vorstellen?

Prof. Dr. Mariele Evers: Bei den Mensch-Wasser-Systemen geht es um die Frage, inwiefern die Teile des wasserbezogenen Systems und der Gesellschaft interagieren. Mir ist es besonders wichtig, Zusammenhänge deutlich zu machen und Rückkopplungseffekte zwischen Wasser, Ökosystem und Gesellschaft in Bezug auf nachhaltige Entwicklung aufzuzeigen. Um es plastischer zu machen: Ein Beispiel für ein solches Wassersystem ist die Bereitstellung von Trinkwasser in ausreichender Qualität und Menge. Die Qualität hängt von naturräumlichen und hydrologischen beziehungsweise ökologischen Faktoren ab, davon, wie und wo es gebildet wird. Hier zeigt sich die Verbindung von Ökologie und Hydrologie in Bezug auf die sehr essentielle Bereitstellung von Trinkwasser. Wenn Elemente in diesem System beeinträchtigt werden, wie zum Beispiel durch Schad- oder Nährstoffeinträge, ist auch die Trinkwasserbereitstellung betroffen. Es ist also nicht nur ein technischer Vorgang, sondern es geht auch um die ökosystematische und hydrologische Betrachtung. Dabei sind etwa Landnutzungsveränderungen und Klimaveränderungen wichtig.

Was macht ein resilientes Wassersystem überhaupt aus beziehungsweise unter welchen Bedingungen kann ein nachhaltiges Management der Ressource Wasser gelingen?

Prof. Dr. Mariele Evers: Die Voraussetzung für ein resilientes Wassersystem ist ein nachhaltiges Wassermanagement. Es ist mein Verständnis, dass ohne die nachhaltige Bewirtschaftung der Wasserressourcen keine Resilienz bestehen kann, wobei wir hier auch fragen müssen: resilient für was oder für wen? Ist es die Trinkwasserversorgung, die resilient ist, oder eine Stadt, die in Bezug auf wasserbezogene Risiken resilient aufgestellt ist? Es gehört dazu, zu prüfen, wie belastbar und flexibel ein System ist und durch welche Faktoren es beeinflusst wird, beispielsweise durch Dürre oder Schadstoffeinträge.

Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit mit lokalen Akteurinnen und Akteuren für die Erarbeitung von Ansätzen für nachhaltiges Wassermanagement?

Prof. Dr. Mariele Evers: Die lokale Ebene ist in der Tat ganz entscheidend, denn die Landnutzung oder die Entnahme von Wasser passieren genau hier. Die „Praxisakteure“ der Stadt oder des Landkreises entscheiden also darüber, wie das System – unter bestimmten Rahmenbedingungen wie gesetzlichen Bestimmungen – gesteuert wird. Und dafür ist es wichtig, das Wissen und die Expertise der lokalen Akteurinnen und Akteure bei der Erarbeitung nachhaltiger Maßnahmen miteinzubeziehen, sei es konkret durch partizipative Prozesse oder auch dadurch, zu erfahren, welche Bedingungen vor Ort herrschen und welche Ziele zentral sind. Denn ich als Wissenschaftlerin habe eine andere Herangehensweise als ein Praxisakteur, ich kann breiter forschen oder mir Handlungsoptionen überlegen – aber ob diese tatsächlich konkret umsetzbar sind, weiß ich nur aus der Praxis. Deshalb ist diese Rückkopplung wichtig, um eine nachhaltige Veränderung tatsächlich zu bewirken.

Sie arbeiten eng mit dem UNESCO Chair on Ecohydrology and Transboundary Water Management der Sokoine University in Tansania zusammen. Was ist das Ziel dieser Kooperation?

Prof. Dr. Mariele Evers: Das war schön, wie Prof. Lalika und ich zusammengekommen sind. Er hat kurz vor mir den UNESCO-Lehrstuhl bekommen, da hatten wir schon das Projekt in Tansania gestartet, ein Sonderforschungsbereich in dem wir, kurzgefasst, zum Thema nachhaltige Landwirtschaft unter veränderten Bedingungen wie Klimawandel und Landnutzungswandel im Kilombero-Tal arbeiten. Herr Lalika arbeitet auch zu dieser Thematik, daher haben wir den Kontakt hergestellt. Das hat dann sofort funktioniert, und zwar durch ein gemeinsames Interesse und Forschungsthema und dann eben auch durch die Verbundenheit durch den UNESCO-Chair. Über das Projekt hatten wir auch die Möglichkeit Masterarbeiten zu kofinanzieren. Die tansanischen Kolleginnen und Kollegen haben natürlich ganz andere Zugänge als wir, die aus Deutschland anreisen. Wir kennen das Gebiet zwar schon ganz gut, aber wenn jemand vor Ort lebt und das System wirklich kennt, dann ist das natürlich großartig. Wir haben die Möglichkeit des Austausches vor Ort genutzt, um eine Kooperation im Rahmen von Erasmus+ ins Leben zu rufen, sodass Kolleginnen und Kollegen aus Tansania jetzt auch nach Deutschland reisen können.

Welche Rolle spielen grenzüberschreitende Kooperationen überhaupt im globalen Wasserressourcenmanagement?

Prof. Dr. Mariele Evers: Sie sind immens wichtig. Ganz generell natürlich bezogen auf den fachlichen Austausch, da haben wir viele Kompetenzbereiche, das Thema ist ja sehr breit, Wasser ist ein Konnektor. Wasser verbindet über die Ökosysteme, über die menschliche Nutzung, über den Wasserkreislauf, auch Klimawandel und Wasser hängen ganz eng zusammen – und sich hierzu auszutauschen, ist unentbehrlich. Bei den Forschungsthemen ist die grenzüberschreitende Perspektive aber auch von ganz konkreter Bedeutung. Im länderübergreifenden Austausch haben wir beispielsweise ein Projekt an einem transnationalen Fluss abgeschlossen, am Mono-River, der die Grenze zwischen Togo und Benin bildet. Wir sehen das auch im europäischen Kontext, im großen Einzugsgebiet der Donau oder des Rheins, da gibt es ganz unterschiedliche Mechanismen und Rahmenbedingungen, die zusammenwirken.

Wie gelingt es, die Erkenntnisse der Hydrologie auch an Menschen außerhalb der Wissenschaftswelt zu vermitteln?

Prof. Dr. Mariele Evers: Es gelingt durch klassische Wissenskommunikation, die aber nicht ganz einfach ist. Das lernen wir als Wissenschaftlerinnen ja auch nicht. Wichtig zu wissen ist, welche Zielgruppe möchte ich ansprechen und wen kann ich überhaupt erreichen? Ich glaube, es ist wesentlich, einen Bezug herzustellen zum Alltag, zum tatsächlichen Umfeld der Menschen. Deswegen nehme ich dieses Beispiel auch so oft – das Trinkwasser – denn ob jetzt eine Fischart oder andere Tierart im Gewässer lebt oder nicht, hat oft keine Relevanz für die allgemeine Gesellschaft, aber ob sie sich morgens die Zähne putzen oder das Wasser trinken können, hat eine ganz andere Relevanz. Einen Bezug kann ich auch zum Fluss vor der Haustür herstellen, der austrocknen kann, wenn wir Dürresommer haben oder mehrere Dürresommer hintereinander oder sogar Dürrewinter. Es also möglichst konkret zu machen, um dafür zu sensibilisieren, dass diese allgemeinen Themen wie die Nachhaltigkeitsziele tatsächlich eine Rolle spielen in unserem Alltag.

Welche Kompetenzen braucht es in der breiten Gesellschaft, um weltweite Lösungen zu den globalen Wasserproblemen zu finden und einen positiven Wandel im Umgang mit der Ressource Wasser zu bewirken?

Prof. Dr. Mariele Evers: Ich finde das ist eine sehr gute und wichtige Frage, die eigentlich auch selten gestellt wird. Ich glaube ganz zentral ist es, eine Offenheit für komplexe Sachverhalte zu haben. Natürlich kann man sich nicht in alles detailliert einarbeiten. Es braucht aber eine Offenheit, sich komplexen Sachverhalten wirklich zu stellen. Wie wird Grundwasser neu gebildet? Welche Faktoren spielen da eine Rolle? Steckt hinter allen Problemen, die wir sehen, der Klimawandel oder gibt es auch andere Gründe? Diese Offenheit wäre also eine wichtige Voraussetzung. Wenn das nicht gegeben ist, würde ich mir ein Vertrauen in wissenschaftliche Erkenntnisse wünschen, auch von der Politik.

Vom 22. bis 24. März tagt in New York die UN Water Conference. Sie sind als Teil der deutschen Delegation vor Ort. Welche Erwartungen haben Sie?

Prof. Dr. Mariele Evers: Ich habe drei Erwartungen: Die erste für mich selber, mich auf den Stand bringen, was internationale Diskussionen angeht, vor allem hinsichtlich von Lösungsansätzen und Ideen für Wasserprobleme.
Der zweite Punkt ist die weltweite Sichtbarkeit für das Thema und seine Relevanz, die riesigen Probleme, die wir aktuell schon haben und die tatsächlich auch in vielen Bereichen verschärft werden – durch Klimaveränderungen aber auch durch die Intensivierung der Nutzung der Wasserressourcen.
Der dritte Punkt betrifft die Vernetzung. Ich denke, wir können viel erreichen, indem wir noch stärker zusammenarbeiten.

Es soll auch eine Water Action Agenda verabschiedet werden. Was versprechen Sie sich davon und was glauben Sie, kann eine solche Agenda bewirken?

Prof. Dr. Mariele Evers: Es gibt ja schon viele Agenden und Programme und die können natürlich nur etwas bewirken, wenn sie relativ konkret benannt werden, konkrete Ziele haben und, was ich sehr spannend finde bei dieser Water Action Agenda, dass bestimmte Hebel oder „Game Changer“ betrachtet werden. Diese Stellschrauben zu identifizieren und die Water Action Agenda dann auch darauf auszurichten, das wäre ein wichtiger Schritt.

Die Fragen stellte Sharon Hodge.

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