Revitalisierung synagogaler Chormusik des 19. und 20. Jahrhunderts Mittel- und Osteuropas
Fakten
- Aufnahmejahr: 2020
- Verbreitung: Berlin, Dresden, Leipzig, Hannover, Weimar, Potsdam
- Zentraler Termin: ganzjährig
- Beispiel Guter Praxis der Erhaltung Immateriellen Kulturerbes
Louis Lewandowski und Salomon Sulzer, die als Chordirigent beziehungsweise als Kantor in reformierten jüdischen Gemeinden in Berlin und Wien wirkten, begründeten mit ihren Kompositionen eine Musiktradition, die sich an der europäischen christlichen Musik orientierte, ihre jüdischen Wurzeln aber nicht verlor. Die vertonten liturgischen Texte sind Zeugnisse der lokal gebräuchlichen Formen des aschkenasischen Hebräisch. Daneben fanden auch deutsche Texte Eingang in den Gottesdienst und in die Musik. Diese Werke erklangen nicht nur im Gottesdienst, sondern auch in öffentlichen Fest- oder Benefizkonzerten. Auch das neue Medium Rundfunk wurde für die Vorstellung synagogaler Musik genutzt.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten, der Zerstörung der Synagogen während der Novemberpogrome 1938 und der systematischen Ermordung der Jüdinnen und Juden als Träger dieser Kultur wurde sie jedoch fast vollständig vernichtet. In Israel und der Diaspora sind die alten Gesänge den Überlebenden des Holocaust aus ihrer Kindheit und Jugend noch bekannt, doch spielen sie in den heutigen Gottesdiensten kaum eine Rolle. Nach dem zweiten Weltkrieg fehlte es den jüdischen Gemeinden in Deutschland wegen des Holocausts an Mitgliedern. Heute gestalten vor allem Zuwandererinnen und Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion das jüdische Gemeindeleben.
Die liberale Chor- und Orgelmusik wird in den Gottesdiensten vieler orthodox geprägter Gemeinden nicht traditionell gepflegt. Neu erbaute Synagogen verfügen selten über eine Orgel. Trotzdem ist die synagogale Chormusik heute noch zu erleben: Einige Spezialensembles, darunter in langer Tradition der Leipziger Synagogalchor und das Synagogal Ensemble Berlin, haben sich dieser Musik verschrieben und bringen sie in Konzerten oder Gottesdiensten den Besuchern nahe. Auch manche Chöre, die sich nicht ausschließlich mit synagogaler Musik beschäftigen, nehmen Stücke in Konzertprogramme auf. Einige Komponistinnen und Komponisten führen die Tradition der synagogalen Chormusik fort und komponieren Psalmvertonungen in hebräischer Sprache.
Bildergalerie Chormusik
Auch Nichtjüdinnen und Nichtjuden können bei Beachtung der Rahmenbedingungen und des gebotenen Respekts an Gottesdiensten in der Berliner Synagoge Pestalozzistraße teilnehmen und dort die Musik von Louis Lewandowski erleben. Synagogale Chormusik ist heute in Konzerten, Festivals und verschiedenen Veranstaltungen erlebbar. Viele Werke und Aufnahmen von Chören und Kantoren gibt es zudem auf CDs und im Internet. Historische Noteneditionen stehen digitalisiert zur Verfügung, einige Werke wurden neu verlegt. Die spezialisierten Konzertchöre sind offen für alle interessierten Sängerinnen und Sänger und ständig auf der Suche nach Nachwuchs. Offene Projekte laden andere Chöre zur aktiven Teilnahme und zum Kennenlernen der Werke ein.
Die Corona-Pandemie 2020 nutzte beispielsweise der Leipziger Synagogalchor, um alle seine Daten und Materialien digital zu erfassen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Datenbank musiconn.performanceExterner Link: erfasst nun alle Programme, Plakate, Ankündigungen, Anzeigen, Einladungen und Rezensionen aus den Jahren 1963 bis 2020. Für die weitere Erforschung bittet der Chor um Mithilfe. Interessentinnen und Interessierte, die über Material verfügen, können sich an den Leipziger Synagogalchor wenden.
Kontakt
Leipziger Synagogalchor
Reinhard Riedel
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