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Fakten

  • Aufnahmejahr: 2018
  • Verbreitung: Lügde
  • Zentraler Termin: Ostersonntagabend
  • Bereiche: Gesellschaftliche Bräuche, Rituale und Feste; mündlich überlieferte Tradition und Ausdrucksweisen; Wissen und Bräuche in Bezug auf die Natur; traditionelle Handwerkstechnicken

In der heute lippischen Stadt Lügde in Nordrhein-Westfalen findet am Abend des Ostersonntags der Osterräderlauf statt. Von einem außerhalb des historischen Stadtkerns liegenden Hügel, dem Osterberg, werden brennende, mit Stroh gestopfte Eichenräder heruntergerollt. Das Stroh wird aus einer eigens angebauten alten langhalmigen Roggensorte gewonnen und in traditioneller Art und Weise in die Räder eingeflochten. Die Ernte des speziellen Langhalmroggenstrohs mit historischen Maschinen ist der erste Schritt der Vorbereitungen. Das gemeinsame Dreschen des Getreides gehört ebenso dazu. Mit dem Wässern der Räder im Fluss Emmer beginnt dann der engere Brauchkomplex: um das Holz selbst vor dem Verbrennen zu schützen, werden die Räder fünf Tage lang in der direkt an Lügde vorbeifließenden Emmer gewässert. Am Karsamstag werden die Räder im Beisein des Publikums aus dem Fluss geholt.

Der Ostersonntag als Höhepunkt beginnt mit einem Konzert des Spielmannszuges. Bei einem Umzug durch die Stadt werden die Räder, befestigt auf pferdebespannten Wagen, den Menschen der Stadtgemeinschaft präsentiert. Anschließend werden sie auf den Osterberg transportiert. Dort findet das kunstvolle Stopfen der Räder statt. Kanonenschüsse kündigen jeweils die fertige Vorbereitung eines Rades mit Stroh und einer Balancierstange an. Nach Einbruch der Dunkelheit werden die Räder eines nach dem anderen in Brand gesetzt und den Berg hinabgerollt. Erreicht ein Rad die Auslaufzone am Fuß des Berges wird dies mit einem Tusch und lauten Rufen der Zuschauer honoriert. Ein Feuerwerk rundet die Veranstaltung ab.

Das tradierte Wissen und die notwendigen handwerklichen Techniken und Fähigkeiten werden von Generation zu Generation weitergegeben. Der Osterräderlauf ist über die Stadt Lügde hinaus bekannt und ist gleichzeitig ein wichtiges identitätsstiftendes Element für die lokale Bevölkerung.

Während des Nationalsozialismus wurde ein mutmaßlich germanischer Ursprung des Räderlaufs konstruiert, um den Brauch zu instrumentalisieren. Dieser Vereinnahmung stellte sich die Bevölkerung mit passivem Widerstand entgegen. Die Entwicklungen des Brauchs zu dieser Zeit wurden unterdessen wissenschaftlich aufgearbeitet und kritisch reflektiert. 

Kontakt

Dieter Stumpe
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