UNESCO-Weltdokumentenerbe Codex Manesse

Mittelalterliche Liederhandschrift dichterischer Werke mit Miniaturdarstellungen

Codex Manesse, Herr Walther von der Vogelweide, Zürich, 1305-1340, Seite 124 recto, Universitätsbibliothek Heidelberg, Public Domain
Walther von der Vogelweide (ca. 1170–1230) gilt als bedeutendster deutschsprachiger Minnesänger und Spruchdichter des Mittelalters. Die Illustration aus dem Codex Manesse (S. 124 recto) soll ihn in singender Pose zeigen.

Der Codex Manesse, auch als Große Heidelberger Liederhandschrift (Cod. Pal. germ. 848) bekannt, gilt als die umfangreichste und berühmteste Sammlung mittelhochdeutscher Lied- und Spruchdichtung. Vermutlich auf Initiative der Zürcher Patrizier Johann und Rüdiger Manesse wurde die Sammlung um 1300 in Zürich begonnen und circa 1340 beendet.

Berühmt wurde die auf 426 Pergamentseiten beidseitig beschriebene Handschrift vor allem durch ihre 137 farbenprächtigen, ganzseitigen Miniaturen. Sie zeigen die Dichter in idealisierter Form überwiegend bei höfischen Aktivitäten, darunter ritterliche Kämpfe und das Liebeswerben um eine edle Dame. Die Darstellungen gelten als wichtige Quelle für das Bild des ritterlichen Mittelalters heute. Die Handschrift sicherte die bis zu ihrer Entstehung meist nur mündlich überlieferten Lieder. Viele Texte wären ohne die Handschrift heute verloren. Die Reihenfolge der in der Handschrift dargestellten Dichter basiert auf dem Prinzip der ständischen Rangordnung und beginnt mit dem Kaiser Heinrich VI. gefolgt von Königen, Herzögen, Markgrafen, Grafen, Freiherren, Ministerialen und Bürgerlichen. An der Herstellung der Handschrift über vier Jahrzehnte waren eine Handvoll Schreiber und vier Maler beteiligt, die Texte von 140 Autoren und 137 illustrierende Miniaturen auf Pergament verewigten.

Die wechselvolle Geschichte der Orte, an denen die Handschrift seit ihrer Entstehung aufbewahrt wurde, ist bis heute in Teilen ungeklärt. Als gesichert gilt, dass die Handschrift 1607 durch Verhandlungen des Kurfürsten Friedrich IV. nach Heidelberg kam. Aufgrund der Eroberung Heidelbergs durch die katholische Liga wurde die Handschrift bereits im Jahr 1622 aus Heidelberg in Sicherheit gebracht, vermutlich durch die kurfürstliche Familie auf der Flucht. Nach dem Tod von Friedrich V. hat dessen Witwe Elisabeth Stuart die Handschrift in einer finanziellen Notlage möglicherweise verkauft. Der nächste nachgewiesene Besitzer war Jacques Dupuy, Kustos der Königlichen Bibliothek in Paris, an die er die Handschrift nach seinem Tod 1656 vererbte. Dort verblieb sie über 230 Jahre bis 1888 der in Heidelberg geborene Straßburger Buchhändler Karl Ignaz Trübner durch ein Tauschgeschäft die Handschrift wieder zurück nach Heidelberg brachte. Spätere Auslagerungen im Zweiten Weltkrieg sorgten für Spuren an der Handschrift. Heute wird der Codex Manesse aus konservatorischen Gründen im klimatisierten Tresor der Universitätsbibliothek aufbewahrt.

Fakten

Illustration Weldokumentenerbe

weitere Artikel

Renaissance-Bibliothek des Königs Mathias Corvinus

UNESCO-Weltdokumentenerbe

Renaissance-Bibliothek des Königs Mathias Corvinus

Charakteristisch für die Bibliotheca Corviniana sind die meist prachtvollen Illuminierungen der Handschriften mit eingezeichnetem Wappen des Königs, die mit Gold gezierten Ledereinbände und die Samt- und Seideneinbände. Zusammengetragen wurde die Bibliothek mit großem Aufwand vom ungarischen König Mathias Corvinus (1458-1490).
weiterlesen
Die Reichenauer Handschriften
Perikopenbuch Heinrichs II., Reichenau ca. 1007-1012, BSB Clm 4452

UNESCO-Weltdokumentenerbe

Die Reichenauer Handschriften

Die Handschriften des Klosters Reichenau am Bodensee aus dem 10. und 11. Jahrhundert sind ein herausragendes Zeugnis der ottonischen Buchmalerei. Nach dem Niedergang des karolingischen Reiches war unter den sächsischen Kaisern eine kulturelle Blüte eingeleitet worden. Auf dem Gebiet der Kunst führte dies zu einer Vorrangstellung der ottonischen Buchmalerei in Europa.
weiterlesen