Venezianisches Verteidigungssystem des 16. bis 17. Jahrhunderts
Moderne Festungsanlagen für das venezianische Handelsnetzwerk
Das Verteidigungssystem der Serenissima im 16. und 17. Jahrhundert erlaubte dank seiner Anpassung an zeitgemäße militärische Entwicklungen die großflächige Ausdehnung des venezianischen Handelsnetzwerkes. Als außergewöhnliches Zeugnis des Systems an Bastionen im Stile alla moderna wurden 2017 sechs Bauwerke und Ensembles in Italien, Kroatien und Montenegro als transnationale, serielle Welterbestätte in die Welterbeliste der UNESCO eingeschrieben.
Faktenbox
- Aufnahmejahr: 2017
- Staaten: Italien, Kroatien, Montenegro
- Art der Stätte: Kulturstätte
- Erfüllte Aufnahmekriterien:
(iii) (iv) - Webseite des UNESCO-Welterbezentrums
Die Venezianische Republik, deren Geschichte bis mindestens 900 n. Chr. zurückreicht, erlangte zum Ende des 15. Jahrhunderts ihre größte Ausdehnung. Um das weitläufige Netzwerk an Handelsrouten, Grundstein venezianischer Macht, zu schützen und Angriffen aus unterschiedlichen Richtungen vorzubeugen, entstand ein in drei Teilgebiete gegliedertes Verteidigungssystem: Stato da Terra, westlicher Stato da Mar und Levante Stato da Mar. Der Stato da Terra bezeichnete die nordöstlichen sowie die Zentralregionen Italiens und erstreckte sich von Bergamo bis Palmanova im heutigen Italien. Der westliche Stato da Mar umfasste die gesamte östliche Adria und die Handelsrouten im östlichen Mittelmeer. Gemeinsam bildeten diese beiden Gebiete das Herzstück des venezianischen Verteidigungssystems.
Als repräsentative Teile dieses Verteidigungssystems hat das Welterbekomitee 2017 sechs Bauwerke bzw. Ensembles in Italien, Kroatien und Montenegro in die Welterbeliste eingeschrieben: Die befestigte Stadt Bergamo, die Festungsstadt Peschiera del Garda und die Stadtfestung von Palmanova, welche für den Stato da Terra stehen, sowie das Verteidigungssystem von Zadar, das Fort von St. Nikolas in Šibenik und die Stadt Kotor, welche dem westlichen Stato da Mar zuzurechnen sind. Die sechs Komponenten sind Ausdruck des weitläufigen Verteidigungssystems mit zivilen, militärischen und städtischen Komponenten sowie ein außergewöhnliches Zeugnis der Militärkultur Venedigs im 16. und 17. Jahrhundert (Kriterium iii). Zugleich verdeutlichen sie die Anpassung der jeweiligen Verteidigungsstrategien an wechselnde geographische und landschaftliche Gegebenheiten.
Moderne Festungsanlagen nach Einführung des Schießpulvers
Der Erfolg des venezianischen Verteidigungssystems basierte auch auf dessen Anpassung an neue militärische Entwicklungen, insbesondere die Einführung von Schießpulver. So sind die sechs Bauwerke bzw. Ensembles besonders repräsentative Beispiele eines neuen Stiles von Verteidigungsanlagen, genannt alla moderna. Zu den Neuerungen, die sich von Venedig ausgehend als Antwort auf die Erfindung von Feuerwaffen in ganz Europa durchsetzten, gehörten Bastionen, Festungsmauern und Gräben. In außergewöhnlicher Art und Weise zeugen die Komponenten der Welterbestätte von den Charakteristika eines Verteidigungssystems alla moderna, inklusive technischer und logistischer Merkmale, moderner Kriegsstrategien und neuer architektonischer Herausforderungen (Kriterium iv).
Welterbeverträglichkeitsprüfungen als Mittel zum langfristigen Erhalt
Die sechs Komponenten der Welterbestätte sind diversen Herausforderungen und potentiellen Gefährdungen im Hinblick auf ihren langfristigen Erhalt ausgesetzt. Hierzu zählen unter anderem Entwicklungsdruck, Verkehrsmanagement und die Lenkung von punktuellem bzw. saisonalem Massentourismus. Natürliche Risiken wie Erdbeben und Überschwemmungen sind ebenso von großer Bedeutung.
Um den langfristigen Erhalt der Stätte sicherzustellen und Beeinträchtigungen einzelner Komponenten der Stätte durch Bauvorhaben oder andere Projekte vorzubeugen, empfiehlt das Welterbekomitee den Staaten sogenannte Heritage Impact Assessments anzuwenden. Dieses Verfahren dient der Prüfung der Verträglichkeit von geplanten Maßnahmen mit dem Status als Welterbestätte und insbesondere mit dem Erhalt des außergewöhnlichen universellen Wertes. Ein Leitfaden zu dem Verfahren wurde 2011 von ICOMOS International veröffentlicht.
Das bereits seit 1979 als Teil der Stätte „Natürliche und kulturhistorische Region von Kotor“ anerkannte Kotor wurde in den letzten Jahren einer Welterbeverträglichkeitsprüfung für ein Brückenbauprojekt in der Bucht unterzogen.
Porträtserie
Im Rahmen der 41. Sitzung des UNESCO-Welterbekomitees im Juli 2017 in Krakau wurden 21 Stätten neu in die Liste des Welterbes aufgenommen. In ihrer Gesamtheit versinnbildlichen sie die Vielfalt und Bandbreite des gemeinsamen Erbes der Menschheit, dessen Erhaltung und Pflege sich die internationale Staatengemeinschaft 1972 mit dem "Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt" verschrieben hat.
Auszug aus dem Statement of Outstanding Universal Value, 2017
„The expansive territory of the Serenessima was indisputably the near-exclusive setting of the genesis of the alla moderna or bastioned system during the Renaissance; and the extensive and innovative defensive networks established by the Republic of Venice are of exceptional historical, architectural and technological significance.”
"Das weitläufige Gebiet der Serenessima war unbestreitbar die nahezu ausschließliche Kulisse der Entstehung des alla Moderna oder des bastionierten Systems während der Renaissance; und die umfangreichen und innovativen Verteidigungs Netze, die von der Republik Venedig errichtet wurden, sind von außergewöhnlicher historischer, architektonischer und technologischer Bedeutung. "