UNESCO-Welterbe Nationalpark Chiribiquete - "Das Haus des Jaguars"

Mythische Felsenzeichnungen im größten Nationalpark Kolumbiens

Der im südlichen Kolumbien gelegene Nationalpark Chiribiquete schützt endemische und bedrohte Tier- und Pflanzenarten ebenso wie Zeugnisse der Weltsicht der ersten Bewohner des Amazonasgebietes. 2018 wurde der „Nationalpark Chiribiquete – ‚Das Haus des Jaguars‘“ als gemischte Stätte in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen.

Fakten

Das Gebiet im Amazonas-Regenwald ist gekennzeichnet durch mächtige Tafelberge, sogenannte Tepuis, die ein dramatisches Landschaftsbild ergeben und auf Grund der besonderen klimatischen Bedingungen auf ihren Hochplateaus eine hohe Biodiversität mit vielen endemischen Arten aufweisen. Tepuis kommen einzig in der Region des sogenannten Guayana-Schildes vor, einer geologischen Struktur im Nordosten Südamerikas. Die Tafelberge sind schwer zugänglich, eine Tatsache, der der Nationalpark Chiribiquete seine Unberührtheit und Wildheit verdankt.

Ein unersetzliches Schutzgebiet für Säugetiere, Vögel und Amphibien

Die neue Welterbestätte entspricht der Ausdehnung des Nationalparks Serrania de Chiribiquete, seit 2013 der größte Nationalpark Kolumbiens und mit über 2 Millionen Hektar eines der größten Schutzgebiete weltweit. Die große Vielfalt einzigartiger Lebensräume sind von entscheidender Bedeutung für das Bestehen der charakteristischen Tiere und Pflanzen der Stätte. Nur hier vorkommende, endemische Arten resultieren aus Anpassungen an die besondere Lage und insbesondere die geografische Isolation des Gebiets und bezeugen so Evolutionsprozesse im Tier- und Pflanzenreich (Aufnahmekriterium ix).

Die noch wenig naturwissenschaftlich erforschte Stätte ist ein Zentrum biologischer Vielfalt. Knapp 3.000 Pflanzen- und Tierarten sind bisher bekannt, darunter viele endemische Arten. So wurden unter anderem eine bisher unbekannte Fledermausart, eine neue Kolibri-Art und bisher sechs weitere Schmetterlingsarten in Chiribiquete entdeckt. Auch beheimatet das Gebiet weltweit bedrohte Arten wie den Riesenotter, den Großen Ameisenbär oder den Jaguar (Aufnahmekriterium x).

Felszeichnungen als Zeugnisse eines Jaguar-Kults

Auch einigen indigenen Gemeinschaften dient der Chiribiquete als Rückzugsraum, wo sie ein vom Rest des Landes und der Gesellschaft isoliertes Leben führen. Es wird angenommen, dass sie noch heute die archäologischen Stätten im Nationalpark als mythische Orte ansehen und nutzen. Um die 75.000 Felszeichnungen an 60 Fundorten am Fuße der Tepuis sind bisher bekannt. Sie zeigen Jagd- und Kampfszenen, Tänze und Zeremonien. Vermutlich sind sie Ausdruck eines jahrtausendealten Glaubenssystems, in dem der Jaguar als Symbol der Macht und Fruchtbarkeit eine besondere Rolle spielt.

Durch die Anzahl und Vielfalt der oftmals realistisch gezeichneten Motive stellen die Felszeichnungen ein außergewöhnliches Zeugnis der Weltsicht der Indigenen im Amazonas-Gebiet dar (Aufnahmekriterium iii). Die mit ihnen assoziierten Praktiken dienen nach heutiger Kenntnis der Organisation und Erklärung der Beziehung zwischen dem Kosmos, der Natur und dem Menschen.

Auszug aus dem Statement of Outstanding Universal Value, 2018

„The first inhabitants of Amazonia practised their art on the rock walls of Chiribiquete, and these paintings constitute an exceptional testimony of their vision of the world.”

„Die ersten Einwohner des Amazonas-Gebietes schmückten die Steinmauern in Chiribiquete mit ihren Kunstwerken, die heute ein außergewöhnliches Zeugnis ihrer Weltsicht darstellen.”

Frühgeschichtliches Erbe – Erkenntnisquellen zur menschlichen Entwicklung

Felszeichnungen und -ritzungen finden sich weltweit, unter anderem im Ennedi-Massiv im Tschad oder am Zuojiang in China. Sie ermöglichen uns Einblicke in die Vorstellungen und Weltbilder der frühen Menschen sowie in die Ursprünge unserer kulturellen Vielfalt und deren Ausdrucksformen. Stätten mit Felsenkunst zählen neben Fundstätten frühgeschichtlicher menschlicher Präsenz zu den sogenannten ur- und frühgeschichtlichen Stätten. In Deutschland fällt beispielsweise das UNESCO-Welterbe Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb in diese Kategorie.

Zur Steigerung der Präsenz solcher ur- und frühgeschichtlicher Stätten auf der Welterbeliste wurde das Programm HEADS (Human Evolutions: Adaptations, Dispersals und Social Developments) entwickelt. Der 2010 vom Welterbekomitee verabschiedete Aktionsplan des HEADS-Programms konzentriert sich insbesondere auf die stärkere Verbindung von Erforschung und Erhaltung der Stätten und die Identifizierung weiterer außergewöhnlicher Relikte der menschlichen Evolution.

Welterbe und indigene Bevölkerung

Die neue Stätte „Nationalpark Chiribiquete – ‚Das Haus des Jaguars‘“ ist ähnlich wie viele andere Welterbestätten von besonderer Bedeutung für die indigene Bevölkerung. So handelt es sich nicht nur um ihr kulturelles Erbe, welches unter den besonderen Schutz der Welterbekonvention gestellt wird, sondern auch um einen ihren Traditionen gemäß genutzten Raum. Um sicherzustellen, dass die in selbst gewählter Isolation lebenden indigenen Gemeinschaften die Stätte weiterhin nutzen können, ohne in Kontakt mit Externen zu kommen, ruft das Welterbekomitee im Zuge der Anerkennung des Nationalparks Chiribiquete als Welterbe den Vertragsstaat Kolumbien explizit dazu auf, entsprechende Regelungen für das Management der Stätte zu treffen.

Mit dem Ziel der stärkeren Repräsentation der Stimmen indigener Völker in allen Prozessen und Verfahren der UNESCO-Welterbekonvention wurde auf der 41. Welterbekomiteesitzung 2017 in Krakau, Polen, das International Indigenous Peoples' Forum on World Heritage gegründet. Seit der 42. Komiteesitzung in Manama, Bahrain, 2018 verfügt das internationale Forum nun auch über eine eigene Webseite. Als Plattform und Fürsprecher soll das Forum für die Wahrung der Rechte der indigenen Völker in allen Welterbe-Belangen eintreten.

Porträtserie

Im Rahmen der 42. Sitzung des UNESCO-Welterbekomitees 2018 in Manama, Bahrain wurden 19 Stätten neu in die Liste des Welterbes aufgenommen. In ihrer Gesamtheit versinnbildlichen sie die Vielfalt und Bandbreite des gemeinsamen Kultur- und Naturerbes der Menschheit.

Zur Porträtserie

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