UNESCO-Welterbe Risco Caído und die Kulturlandschaft der heiligen Berge von Gran Canaria

Traditionelle Siedlungsform und Inselkultur der Altkanarier

Risco Caído und die Kulturlandschaft der heiligen Berge von Gran Canaria zeugen von der einzigartigen Inselkultur und der bis heute überlieferten Siedlungsform der Altkanarier.

Die Welterbestätte liegt in einer weitläufigen Bergregion im Zentrum der Insel Gran Canaria. Sie ist von zahlreichen Klippen und Schluchten geprägt und liegt in dem Vulkankessel Caldera de Tejeda in einem Gebiet mit einer außergewöhnlichen Artenvielfalt. Die Kulturlandschaft umfasst Terrassenfelder, ein Wegenetzwerk und zahlreiche Höhlensiedlungen der prähispanischen Inselkultur, die sich seit der Ankunft der Berbervölker aus Nordafrika vor 2.000 Jahren bis zur Ankunft der ersten Spanier im 15. Jahrhundert isoliert entwickelt hat. Neben Behausungen, Getreidespeichern und Zisternen umfassen die in das Vulkangestein gehauenen Höhlen auch Felsgravuren, Höhlenmalereien, Kultstätten und zwei als heilig geltende Tempel (sog. Almogarenes): Risco Caído und Roque Bentayga. Diesen wird eine wichtige astronomische Funktion in Verbindung mit jahreszeitlichen Ritualen zugeschrieben.

Untergegangene Kultur und überlieferte Siedlungsform der Altkanarier

Das Welterbekomitee der UNESCO hat im Juli 2019 über den Antrag zur Aufnahme in die Welterbeliste beraten und Risco Caído und die umliegende Kulturlandschaft der heiligen Berge auf der Grundlage von zwei Kriterien eingetragen. Zum einen stellen die archäologischen Fundstätten und Felsbilder ein einzigartiges Zeugnis einer untergegangenen Kultur dar (Auswahlkriterium iii), die sich 1.500 Jahre lang ohne belegbaren Kontakt zur Außenwelt entwickelte. Die archäologischen und historischen Zeugnisse bestätigen zudem, dass die Ursprünge der altkanarischen Kultur auf die Berbervölker Nordafrikas zurückgehen. Die altkanarische Kultur ist somit die einzige Inselkultur, die den Berbervölkern entstammt.

Zum anderen ist die Welterbestätte ein hervorragendes Beispiel einer überlieferten, für die altkanarische Kultur typischen Siedlungsform (Auswahlkriterium v). Die Höhlen in der Caldera de Tejeda sind beispielhafte Siedlungsformen für alte Inselkulturen und veranschaulichen die komplexe Raumplanung sowie die anpassungsfähige Ressourcenbewirtschaftung der Altkanarier. Auch heute noch werden die traditionellen Landnutzungsmodelle der Wandertierhaltung und Terrassenfelder fortgeführt. Charakteristisch dafür sind das von den Altkanariern angelegte Wasserspeicher- und -versorgungssystem sowie die Trockenmauern. Die gesamte Stätte ist zudem durch ein weitläufiges uraltes Wegenetz verbunden, das den Altkanariern unter anderem als Pilgerpfade diente.

Illustration Welerbestätten

Faktenbox

Auszug aus der Erklärung zum Außergewöhnlichen Universellen Wert (OUV)

The situation and the setting of the main sites have remained without significant change for more than 500 years after the Spanish conquest. Even the route of the ancient trails, the underground cisterns and the location of the former refuges have been maintained in time and space. As a result, the main scenic elements of the cultural landscape and skyscape, including the night sky, have remained virtually unchanged since the Spanish conquest in the 15th century.

Der Zustand und Aufbau der zentralen Orte haben sich seit der Eroberung der Spanier vor 500 Jahren nicht wesentlich verändert. Sogar der Verlauf der alten Pfade, die unterirdischen Wasserspeicher und die Standorte der früheren Schutzorte sind über die Zeit an Ort und Stelle erhalten geblieben. Demzufolge sind die landschaftlichen Elemente der Kulturlandschaft und des Himmels, einschließlich des Nachthimmels, seit der spanischen Eroberung im 15. Jahrhundert nahezu unverändert geblieben.

Der Mensch und das Universum - Astronomische Kultstätten

Im Höhlentempel Risco Caído beeindruckt das Gewölbe durch seine perfekte Symmetrie und ist mit zahlreichen dreieckigen Motiven dekoriert. Durch eine Öffnung im Deckengewölbe heben die Sonnenstrahlen zu bestimmten Zeitpunkten, bzw. das Mondlicht zur Tagundnachtgleiche, unterschiedliche Motive hervor. Die zweite wichtige Kultstätte Roque Bentayga liegt am Fuß des gleichnamigen Steinmonoliths und ist zur aufgehenden Sonne und zum markanten Roque Nublo hin ausgerichtet. Hier finden sich zudem zahlreiche berberische Felsgravuren, Höhlensiedlungen und Getreidespeicher. Die Altkanarier haben die gebirgige Kulturlandschaft anhand wichtiger Orientierungspunkte und der Himmelslandschaft gestaltet. Sie ist Ausdruck ihrer symbolischen und kosmologischen Vision. Die heiligen Stätten und ihre astronomische Funktion sind in ihrer Art einzigartig und zeugen von dem hohen geometrischen und astronomischen Kenntnisstand der Altkanarier.

Im Rahmen der Globalen Strategie für eine ausgewogene Welterbeliste wurde 2003 die Thematische Initiative Astronomie und Welterbe zur Ermittlung von Stätten und Kulturlandschaften mit Bezug zur Astronomie ins Leben gerufen. Diese Stätten sind materielle Zeugnisse der komplexen und vielfältigen Methoden und Praktiken der Menschen von der Vorgeschichte bis zur Gegenwart, um das Universum zu erklären, sich darin zu verorten und ihre Handlungen nach diesem Verständnis auszurichten.

Seit 2012 informiert das Online-Portal „Portal to the Heritage of Astronomy“ über die Bedeutung des astronomischen Erbes und unterstützt bei der Ermittlung, dem Schutz und dem Erhalt der Stätten für zukünftige Generationen.

Porträtserie

Im Rahmen der 43. Sitzung des UNESCO-Welterbekomitees 2019 in Baku (Aserbaidschan) wurden 29 Stätten neu in die Liste des Welterbes aufgenommen. In ihrer Gesamtheit versinnbildlichen sie die Vielfalt und Bandbreite des gemeinsamen Kultur- und Naturerbes der Menschheit.

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