UNESCO-Welterbe Paraty und Ilha Grande - Kultur und Biodiversität

Vielfältige Natur- und Kulturlandschaft im Atlantischen Regenwald

Die Welterbestätte Paraty und Ilha Grande zeugt von einer einzigartigen biologischen Vielfalt und stellt ein herausragendes Zeugnis menschlicher Interaktion mit der Umwelt dar. Als gemischte Stätte umfasst sie sowohl bedeutende Elemente des Kultur- als auch des Naturerbes der Menschheit.

Die Welterbestätte „Paraty und Ilha Grande – Kultur und Biodiversität“ befindet sich in den Bundesstaaten Rio de Janeiro und São Paulo im Südosten Brasiliens. Es handelt sich um eine gemischte Stätte, die sowohl kulturelles als auch natürliches Erbe der Menschheit einschließt. Die Stätte umfasst insgesamt sechs Teilgebiete, darunter vier Naturschutzgebiete: das historische Zentrum von Paraty, den Hügel Morro da Vila Velha, die Nationalparks Serra da Bocaina und Ilha Grande sowie die Naturschutzgebiete Cairuçu und Praia do Sul.

Ursprünglich besiedelt von verschiedenen indigenen Gemeinschaften, kamen im 16. Jahrhundert Europäer in die Region. Sie ließen sich in Paraty nieder, weil dieser Ort einen sicheren Hafen für Schiffe bot und einer der wichtigsten Ausgangspunkte für Erkundungen in das Landesinnere des südamerikanischen Kontinents war. Nach der Entdeckung von Gold im benachbarten Bundesstaat Minas Gerais wurde die Goldroute „Caminho do Ouro“ angelegt, die in Paraty endete. Von dort wurde das Gold zusammen mit Agrarerzeugnissen nach Europa verschifft. Gleichzeitig war Paraty Ankunftsort für versklavte Menschen aus Afrika, die in den Minen arbeiteten. Um die reiche Hafenstadt zu schützen, wurde ein Verteidigungssystem angelegt. Das historische Zentrum von Paraty hat seine städtische Struktur aus dem 18. Jahrhundert und einen Großteil der Kolonialarchitektur aus dem 18. und frühen 19. Jahrhundert bis heute bewahrt. Die wichtigsten kulturellen Komponenten der Welterbestätte sind das historische Stadtzentrum von Paraty – eine der am besten erhaltenen Küstenstädte im Kolonialstil in Brasilien –, der Morro da Vila Velha mit archäologischen Überresten der Festung Defensor Perpétuo, ein Teil der Goldroute innerhalb des Nationalparks Serra da Bocaina und mehrere archäologische Stätten, die von der weit zurückreichenden Besiedlung der Region durch indigene Gemeinschaften zeugen. Auch heute noch beherbergt die Stätte Gemeinschaften der Quilombola, Guarani und Caiçara. Sie bewahren das Wissen und Können ihrer Vorfahren sowie die von Generation zu Generation weitergegebenen Rituale, Feste und traditionellen Handwerkstechniken – das sogenannte Immaterielle Kulturerbe.

Die natürlichen Waldformationen unterteilen sich je nach Höhenlage – vom Meeresspiegel bis zu etwa 2.000 Metern – in vier Kategorien. Das Gebiet weist die höchste Konzentration endemischer Gefäßpflanzen des Biodiversitäts-Hotspots Atlantischer Regenwald auf und ist Heimat für 57% aller endemischen Vogelarten. Die Flusssysteme der Welterbestätte umfassen in der Küstenebene Mangroven- und Restinga-Küstenwälder, die als wichtige Ökosysteme im Übergangsbereich von Festland und maritimer Umwelt fungieren. In den Wäldern leben Hunderte verschiedener Arten von Säugetieren, Amphibien, Reptilien und Vögel, von denen viele nur im Atlantischen Regenwald vorkommen und vom Aussterben bedroht sind.

Illustration Welerbestätten

Faktenbox

Interaktion zwischen Mensch und Umwelt und bedeutende biologische Vielfalt des Atlantischen Regenwalds

Das UNESCO-Welterbekomitee hat die Stätte auf der Grundlage von zwei Kriterien im Juli 2019 in die Welterbeliste aufgenommen. Die Kulturlandschaft von Paraty und Ilha Grande stellt ein herausragendes Zeugnis der Interaktion zwischen Mensch und Umwelt dar (Aufnahmekriterium v). Seit prähistorischen Zeiten lebten hier Gemeinschaften in Wechselwirkung mit der Natur. Sie haben Siedlungen geschaffen und den natürlichen Gegebenheiten kulturelle Bedeutung verliehen. Die Tupí-Guaraní-Sprachgemeinschaften lebten im und vom Atlantischen Regenwald, was ein hohes Maß an Kenntnissen über die verschiedenen Ökosysteme und Waldformationen voraussetzt. Die indigenen Gemeinschaften von Paraty gründeten ihre Kulturen auf Aktivitäten, die mit der Nutzung von Land und Meer verbunden waren. Die traditionelle Fischerei wird auch heutzutage noch intensiv betrieben, insbesondere in den Caiçara-Gemeinden und in der Umgebung des Altstadtzentrums von Paraty. Die Quilombolas-Gemeinschaften, die Nachfahren der in der Kolonialzeit versklavten Menschen aus Afrika, haben eigene spezifische kulturelle Ausdrucksformen in Interaktion mit ihrer Umwelt geschaffen.

Die bemerkenswerte Vielfalt endemischer Arten in der Stätte beruht auf einer einzigartigen Vielfalt von Landschaften und Ökosystemen (Aufnahmekriterium x). Die Stätte beheimatet 45% aller im Atlantischen Regenwald vorkommenden Vogelarten, darunter 57% aller endemischen Vogelarten. Zudem kommen hier 34% der im gesamten Atlantischen Regenwald bekannten Frosch- und Krötenarten sowie 27 verschiedene Reptilienarten vor. Weiter sind in dem Gebiet 150 Säugetierarten zu finden, darunter mehrere weltweit bedeutende Primaten wie der stark gefährdete Südliche Spinnenaffe (Brachyteles arachnoides). Die Stätte ist darüber hinaus ein bedeutsamer Lebensraum für Arten wie Jaguar, Puma und Weißbartpekari.

Der globale Klimawandel und das gehäufte Eintreten schwerwiegender Naturkatastrophen machen Paraty zu einer sehr anfälligen Kulturlandschaft. Die kulturellen Komponenten der gemischten Welterbestätte werden durch mehrere Gesetze geschützt. Diese unterstellen das historische architektonische Ensemble von Paraty der Aufsicht des Nationalen Instituts für Historisches und Künstlerisches Erbe (IPHAN). Die natürlichen Komponenten der Stätte sind durch kommunale, staatliche und bundesstaatliche Gesetzgebung geschützt. Der Nationalpark Serra da Bocaina wird von dem Chico-Mendes-Institut für Biodiversitätserhalt (ICMBio) verwaltet. Der Ilha Grande State Park, das Naturschutzgebiet Praia do Sul und das Schutzgebiet von Cairuçu werden von der staatlichen Umweltbehörde INEA verwaltet. Jedes Schutzgebiet verfügt zudem über einen eigenen Managementplan und ein eigenes Jahresbudget, um die Durchführung von Forschungs-, Ausbildungs-, Schutz- und Erhaltungsmaßnahmen sicherzustellen.

Porträtserie

Im Rahmen der 43. Sitzung des UNESCO-Welterbekomitees 2019 in Baku (Aserbaidschan) wurden 29 Stätten neu in die Liste des Welterbes aufgenommen. In ihrer Gesamtheit versinnbildlichen sie die Vielfalt und Bandbreite des gemeinsamen Kultur- und Naturerbes der Menschheit.

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