Archäologische Stätte Valongo-Kai

Zeugnis der Ankunft afrikanischer Sklaven auf dem amerikanischen Kontinent

Mit seiner Entscheidung im Rahmen der 41. Sitzung in Krakau hat das UNESCO-Welterbekomitee die besondere Bedeutung des Valongo-Kais in Rio de Janeiro als Ort der Erinnerung und des Gedenkens im Zusammenhang mit der Geschichte des Sklavenhandels von Afrika nach Amerika anerkannt. Die archäologische Stätte stellt das weltweit wichtigste physische Zeugnis der Ankunft afrikanischer Sklaven auf dem amerikanischen Kontinent dar.

Faktenbox

Im Zuge von archäologischen Ausgrabungen wurden 2010 die archäologischen Überreste des zwischen 1811 und 1817 erbauten Valongo-Kais entdeckt. Auf den steinernen direkt auf dem Sand des Valongo-Strandes errichteten Anlegeplatz weisen heute nur noch einige Fragmente der inzwischen freigelegten Straßenpflasterung sowie einige wenige erhaltene Holzpfosten hin. Zwei Steinstufen, die höchstwahrscheinlich die Rampe oder vielmehr die Treppe zum Verlassen der Schiffe bildeten, sind ebenfalls noch zu sehen. Der gute Konservierungszustand dieser archäologischen Überreste ist darauf zurückzuführen, dass ab 1842 ein monumentaler Kai anlässlich der Ankunft der Ehefrau des damaligen Kaisers Brasiliens, Pedro II., über den Valongo-Kai errichtet wurde. Um den Valongo-Kai standen seinerzeit diverse, mit dem Sklavenhandel assoziierte Gebäude, deren genaue Verortung und Funktionen jedoch auf Grund von bisher nicht aufgefundenen archäologischen Nachweisen nicht bekannt sind. Bereits 1996 wurde der als einer der größten Sklavenfriedhöfe identifizierte Friedhof bei Valongo wiederentdeckt und als archäologische Stätte unter Schutz gestellt.

Schätzungen zufolge sind über den Valongo-Kai mehr als 900.000 Sklaven – etwa ein Viertel aller nach Südamerika verschifften afrikanischen Sklaven – auf den amerikanischen Kontinent gelangt. Aus diesem Grund hat das Welterbekomitee den Anlegeplatz als Erbe von besonderer historischer und spiritueller Bedeutung und als Ort des Gedenkens an eines der schlimmsten Verbrechen der Menschheit als UNESCO-Welterbe anerkannt (Kriterium vi). Neben den archäologischen Zeugnissen vermitteln niedergeschriebene und mündlich überlieferte Geschichten Wissen über den Kai und seine geschichtliche Bedeutung. Die archäologische Stätte soll nun als öffentliches Mahnmal fungieren. Vertreter der afro-brasilianischen Gemeinschaft sind in das Management der Stätte involviert, welche auch für kulturelle und religiöse Aktivitäten, beispielsweise ein spezielles, eigens für die Stätte kreiertes Reinigungsritual, genutzt wird.

In unmittelbarer Weise mit Ereignissen von außergewöhnlicher universeller Bedeutung verknüpft

Unter den zehn Kriterien, anhand welcher der außergewöhnliche universelle Wert einer Welterbestätte bemessen wird, kommt dem Kriterium (vi) eine besondere Rolle zu. Es bezieht sich auf Kulturgüter, die „in unmittelbarer oder erkennbarer Weise mit Ereignissen oder überlieferten Lebensformen, mit Ideen und Glaubensbekenntnissen oder mit künstlerischen oder literarischen Werken von außergewöhnlicher universeller Bedeutung verknüpft“ sind (Auszug aus den Richtlinien für die Durchführung des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt). Im Gegensatz zu den neun weiteren Kriterien ist das Welterbekomitee der Ansicht, dass das Kriterium vi in der Regel nicht als alleiniges Aufnahmekriterium dienen sollte.

Zwölf Welterbestätten bilden die Ausnahme zu dieser Regel. Neben der Stätte Archäologische Stätte Valongo-Kai zählen hierzu beispielsweise die Insel Gorée im Senegal, das nationalsozialistische Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau in Polen, das Hiroshima Peace Memorial in Japan sowie das Gebiet um die alte Brücke in Mostar in Bosnien-Herzegowina. Gemeinsam ist diesen Welterbestätten ihre Bedeutung als Orte des Gedenkens und der Mahnung von außergewöhnlicher universeller Bedeutung.

Neben der Archäologischen Stätte Valongo-Kai, der ebenfalls 2017 eingeschriebenen Stätte Mbanza Kongo – Relikte der Hauptstadt des ehemaligen Königreichs Kongo und der Insel Gorée steht auch die Marinewerft in Antigua im Zusammenhang mit dem Sklavenhandel. Diese Welterbestätten stellen wichtige Orte da, um sich mit der Geschichte der Menschheit auseinanderzusetzen und interkulturellen Dialog zu fördern. Diesem Ziel dient auch das 1994 von der UNESCO auf Vorschlag Haitis ins Leben gerufene "Slave Route Project: Resistance, Liberty, Heritage".

Auszug aus dem Statement of Outstanding Universal Value, 2017

"It is a site of conscience, which illustrates strong and tangible associations to one of the most terrible crimes of humanity, the enslavement of hundreds of thousands of people creating the largest forced migration movement in history."

"Es ist ein Ort des Gewissens, der starke und greifbare Assoziationen zu einem der schrecklichsten Verbrechen der Menschheit darstellt, der Versklavung von Hunderttausenden von Menschen, welches zur größten erzwungenen Migrationsbewegung der Geschichte führte."

Bewahren und entwickeln?

Während die archäologischen Überreste des Valongo-Kais auf Grund ihrer geschützten Lage im Untergrund bisher gut überdauern konnten, hat der Bezirk eine deutliche bauliche Entwicklung erfahren. Die heutige Umgebung des Kais entspricht nicht mehr den einstigen, historischen Gegebenheiten. So gibt es auf Grund von veränderten Küstenlinien keine direkte Verbindung von den archäologischen Zeugnissen zum Meer, auch die Sichtachse zum Wasser ist nicht gegeben. Dies beeinträchtigt die Bedingung der Echtheit, welche alle Weltkulturerbestätten erfüllen müssen. Vor diesem Hintergrund ist es besonders wichtig, den Wert der Welterbestätte, ihren Kontext und ihre historische und heutige Bedeutung Besuchern und Anwohner eindrücklich zu vermitteln.

Diese Aufgabe hat das Welterbekomitee ebenso an die Verantwortlichen der Stätte in Brasilien gerichtet wie den Aufruf, weitere Bauvorhaben in der Gegend nur nach archäologischen Untersuchungen und im Einklang mit sogenannten Heritage Impact Assessments zu genehmigen. Solche Welterbeverträglichkeitsprüfungen dienen dazu, Lösungen zu finden, die die bauliche Entwicklung der Umgebung der Welterbestätte ermöglichen ohne den Erhalt der Welterbestätte und ihres außergewöhnlichen universellen Wertes zu gefährden.

Porträtserie

Im Rahmen der 41. Sitzung des UNESCO-Welterbekomitees im Juli 2017 in Krakau wurden 21 Stätten neu in die Liste des Welterbes aufgenommen. In ihrer Gesamtheit versinnbildlichen sie die Vielfalt und Bandbreite des gemeinsamen Erbes der Menschheit, dessen Erhaltung und Pflege sich die internationale Staatengemeinschaft 1972 mit dem "Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt" verschrieben hat.

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