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Immaterielles Kulturerbe bedroht: Die 8. Generalversammlung zur 2003er UNESCO-Konvention verabschiedet Erklärung zu Beirut

Vom 8. bis 10. September fand in Paris trotz der COVID-19-Pandemie die 8. Generalversammlung zur 2003er UNESCO-Konvention statt. Themen waren unter anderem die Explosionen in Beirut, die Wahl der Mitglieder des Zwischenstaatlichen Ausschusses und eine Reflexion über UNESCO-Listenmechanismen.

Solidarität mit der Bevölkerung Beiruts

Auf Initiative Kolumbiens verabschiedeten die Vertragsstaaten einstimmig eine Erklärung zu Immateriellem Kulturerbe in Notfällen. Mit Blick auf die tragischen Explosionen in Beirut vom August 2020 drücken die Vertragsstaaten ihre Solidarität mit dem Libanon und seiner Bevölkerung aus. Sie erkennen den Wert von Beiruts Immateriellem Kulturerbe an, das sich durch eine Vielzahl an Wissen, Traditionen, Handwerkstechniken, Gastronomie oder künstlerische Ausdrucksformen auszeichnet. Die Vertragsstaaten unterstützen die „Li-Beirut“-Initiative, da lebendiges Erbe als unerschöpfliche Quelle von Resilienz dazu beitragen kann, Gesellschaften wiederaufzubauen.

Neue Mitglieder des zwischenstaatlichen Ausschusses gewählt

Der zwischenstaatliche Ausschuss entscheidet bei seinen jährlichen Sitzungen vor allem über die Aufnahme von neuen Elementen in die drei UNESCO-Listen zur Erhaltung Immateriellen Kulturerbes der Menschheit. Alle zwei Jahre wird die Hälfte seiner 24 Mitglieder neu gewählt. Die Zusammensetzung erfolgt proportional zur Anzahl der Vertragsstaaten aus den verschiedenen Regionalgruppen, beispielsweise aus West- oder Osteuropa.

Für 2020-2024 wurden neu in den Ausschuss gewählt: Botswana, Brasilien, Côte d’Ivoire, Marokko, Panama, Peru, Ruanda, Saudi-Arabien, Schweden, Schweiz, Südkorea und Tschechien. Noch bis 2022 sind Aserbaidschan, China, Djibouti, Jamaika, Japan, Kamerun, Kasachstan, Kuwait, die Niederlande, Polen, Sri Lanka und Togo Mitglied.

Neu akkreditierte NGOs

Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) haben bei dieser Konvention eine Beratungsfunktion und können sich für eine Akkreditierung bewerben. Aktuell sind 157 NGOs akkreditiert. Jetzt wurden weitere 36 NGOs in die Akkreditierungsliste zur Beratung des Zwischenstaatlichen Ausschusses aufgenommen – darunter mit dem Bayerischen Landesverein für Heimatpflege e.V. eine dritte Organisation aus Deutschland, neben dem bereits früher aufgenommenen Bund Heimat und Umwelt e.V. sowie dem Zentralverband des Deutschen Handwerks.

Dialogprozess für UNESCO-Listungen verankert

Seit 2019 wurde als Pilot-Phase ein Dialogprozess zu den Entscheidungen über UNESCO-Listungen eingeführt. Dies erlaubte den bewertenden Expertinnen und Experten bei Zweifelsfällen Rückfragen an die einreichenden Staaten. Dieses Verfahren hat sich bewährt und wurde nun zum festen Bestandteil der Operativen Richtlinien. Diese sind neben der Konvention selbst richtungsweisend und verbindlich für die Arbeit der UNESCO zu der 2003er Konvention. Bei welchen Listungsvorschlägen der Dialogprozess genutzt wird, entscheidet der Evaluation Body der 2003er Konvention in der Regel im Juni des Jahres einer Entscheidung. Die nominierenden Vertragsstaaten haben nach einer Benachrichtigung vier Wochen Zeit, die Fragen zu beantworten und damit zur abschließenden Stellungnahme des Evaluation Body beizutragen.

Reflexion über Listenmechanismen

Die Konvention hat in den 15 Jahren ihres Bestehens große Popularität gewonnen. Somit werden aktuell deutlich mehr Nominierungen von Vertragsstaaten eingereicht,  als die bewertenden Gremien evaluieren und entscheiden können. Einige Vertragsstaaten setzten sich vehement dafür ein, künftig wesentlich mehr Dossiers zu begutachten, trotz des konstatierten zeitlichen, finanziellen und personellen Engpasses. Eine internationale Expertengruppe wird hierzu mit extrabudgetärer Unterstützung von Japan Mitte 2021 Natur, Zweck und Wirkung von Listungen für Immaterielles Kulturerbe erörtern und Empfehlungen erarbeiten.

Zwischen Strategie und Zielen der nachhaltigen Entwicklungen

Darüber hinaus wurde der Beitrag der Konvention zur kommenden achtjährigen Gesamtstrategie der UNESCO (2022-29) debattiert. Die Vertragsstaaten konnten hierzu im Mai per Fragebogen Rückmeldungen geben. Besonders erfreulich ist aus deutscher Perspektive, dass die beiden UNESCO-Prioritäten Geschlechtergerechtigkeit und Afrika auch innerhalb der 2003er Konvention auf breite Zustimmung stoßen. Nach Einschätzung der Vertragsstaaten liefert die Konvention zudem Beiträge um im Rahmen der Agenda 2030 insbesondere die Ziele 4 (Bildung), 5 (Geschlechtergleichheit), 8 (Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum), 11 (Nachhaltige Städte und Gemeinden) und 16 (Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen) zu erreichen.

Die 2003er Konvention zur Erhaltung Immateriellen Kulturerbes hat aktuell 178 Vertragsstaaten. Die nächste Sitzung des Zwischenstaatlichen Ausschusses findet im Dezember 2020 statt – aufgrund der Pandemie aber erneut in Paris, statt wie ursprünglich geplant, in Jamaika. Die 9. Generalversammlung der Vertragsstaaten tagt 2022.

Publikation

Wissen. Können. Weitergeben..
Deutsche UNESCO-Kommission, 2019