Meldung,

Desinformation im Netz: UNESCO präsentiert Leitlinien zur Regulierung von Plattformen

Audrey Azoulay, Generaldirektorin der UNESCO, warnt vor der Zunahme von Desinformation und Hassrede im Internet. Sie sind "eine große Gefahr für die Stabilität und den sozialen Zusammenhalt", so Azoulay. Um dieser Bedrohung ein Ende zu setzen, stellte sie die Leitlinien der UNESCO vor. Diese sind das Ergebnis umfassender weltweiter Konsultationen und werden durch eine globale Meinungsumfrage gestützt, die den dringend erforderlichen Handlungsbedarf belegt.

Die Leitlinien der UNESCO sind das Ergebnis eines Konsultationsprozesses, der im System der Vereinten Nationen bisher einmalig ist. In den letzten achtzehn Monaten wurden über 10.000 Beiträge aus 134 Ländern gesammelt. Auf 40 Seiten werden einzuhaltende Grundprinzipien sowie die konkreten Maßnahmen dargelegt. An deren Umsetzung müssen alle Beteiligten mitwirken - von Regierungen und Regulierungsbehörden, über die Zivilgesellschaft bis hin zu den Plattformen selbst.

Vertreter unabhängiger Regulierungsbehörden haben die Initiative der UNESCO bereits begrüßt. Mehrere von ihnen - vor allem in Afrika und Lateinamerika - haben ihre Bereitschaft erklärt, mit der Umsetzung dieser Maßnahmen zu beginnen. Zu diesem Zweck wird die UNESCO Mitte 2024 die erste Weltkonferenz der Regulierungsbehörden organisieren.

Auch wird die UNESCO ihre Mitgliedstaaten bei der Umsetzung dieser Leitlinien in ihre eigenen Gesetze und Vorschriften unterstützen. Hierfür mobilisiert sie spezielle Mittel, unter anderem eine Million Euro, die von der Europäischen Kommission bereits zugesagt wurden.

"Digitale Technologien haben immense Entwicklungen im Bereich der Meinungsfreiheit ermöglicht. Aber soziale Plattformen haben auch die Verbreitung von Falschinformationen und Hassrede beschleunigt und verstärkt. Dies stellt eine große Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, Frieden und Stabilität dar. Um den Zugang zu Informationen zu schützen, müssen wir diese Plattformen unverzüglich regulieren und gleichzeitig das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Menschenrechte schützen."

Audrey Azoulay, Generaldirektorin der UNESCO

Publikation

Guidelines for the Governance of Digital Platforms.
UNESCO, 2023

Die sieben Grundprinzipien

Die Maßnahmen der UNESCO orientieren sich an folgenden sieben Grundprinzipien, die zu achten sind:

  1. Die Auswirkung auf die Menschenrechte wird zum Kompass für alle Entscheidungen, in jeder Phase und von allen Akteurinnen und Akteuren.
  2. Überall auf der Welt werden unabhängige, öffentliche Regulierungsbehörden mit klar definierten Aufgaben und ausreichenden Mitteln zur Erfüllung ihres Auftrags eingerichtet.
  3. Die unabhängigen Regulierungsbehörden arbeiten in enger Abstimmung als Teil eines umfassenderen Netzes, um zu verhindern, dass Digitalunternehmen die Unterschiede zwischen den nationalen Vorschriften ausnutzen.
  4. Die Moderation von Inhalten ist in allen Regionen und in allen Sprachen realisierbar und wirksam.
  5. Rechenschaftspflicht und Transparenz sind in den Algorithmen der Plattformen verankert, da diese allzu oft auf eine Maximierung des Engagements auf Kosten zuverlässiger Informationen ausgerichtet sind.
  6. Die Plattformen ergreifen mehr Initiative, um die Nutzerinnen und Nutzer zum kritischen Denken zu befähigen.
  7. Regulierungsbehörden und Plattformen ergreifen in besonders sensiblen Momenten wie Wahlen und Krisen stärkere Maßnahmen.

Das Recht auf freie Meinungsäußerung muss geschützt werden

"Unsere Arbeit wurde von einer zentralen Forderung geleitet: der Schutz der Meinungsfreiheit und aller anderen Menschenrechte zu jeder Zeit. Die Meinungsfreiheit einzuschränken oder zu begrenzen wäre eine schreckliche Lösung. Die beste langfristige Antwort auf Desinformation sind unabhängige, qualitative und freie Medien und Kommunikationsinstrumente", betonte die UNESCO-Generaldirektorin.

Insbesondere müssen die Plattformen über Teams qualifizierter Moderatorinnen und Moderatoren verfügen, die in ausreichender Zahl vorhanden sind und alle wichtigen Sprachen ihrer sozialen Medien sprechen. Nur so kann eine zuverlässige und wirksame Kontrolle der online gestellten Inhalte durchführen werden. Plattformen müssen die Transparenz des Moderationsprozesses sicherstellen, auch wenn dieser durch Algorithmen automatisiert ist. Außerdem müssen sie die Nutzung in allen wichtigen Sprachen des Landes, in dem sie tätig sind, erleichtern und über Beschwerden von Nutzerinnen und Nutzern berichten.

Weitere Abschnitte der Leitlinien sind Maßnahme, die zum einen erforderlich sind, um die Integrität von Wahlen zu gewährleisten - Risikobewertungen bei Wahlen, eindeutige Kennzeichnung von Inhalten und größere Transparenz bei politischer Werbung und ihrer Ausrichtung - und Maßnahmen, um auf Notsituationen wie bewaffnete Konflikte und Katastrophen zu reagieren. Es wurden auch spezifische Elemente für den Kultursektor aufgenommen, die die Risiken für Künstlerinnen und Künstler und die Notwendigkeit des Online-Zugangs zu "vielfältigen kulturellen Inhalten" als ein zu schützendes grundlegendes Menschenrecht hervorheben. Mit Verweis auf die Erklärung, die von den UNESCO-Mitgliedstaaten auf der MONDIACULT-Konferenz im September 2022 einstimmig angenommen wurde.

Weltweite Umfrage bestätigt den dringenden Handlungsbedarf

Die Veröffentlichung der UNESCO-Leitlinien wird von einer Meinungsumfrage begleitet, die IPSOS im Auftrag der UNESCO mit über 8.000 Befragten in den 16 Ländern durchgeführt hat, in denen 2024 Wahlen stattfinden werden. Daraus geht hervor, dass 85 % der Bürgerinnen und Bürger über die Auswirkungen von Desinformationen im Netz besorgt sind, und das in einer Zeit, in der Plattformen für eine große Mehrheit von ihnen zur wichtigsten Informationsquelle geworden sind.

Dieselbe Umfrage ergab, dass 87 % der Bürgerinnen und Bürger der Meinung sind, dass diese Falschinformationen bereits einen großen Einfluss auf das politische Leben in ihrem Land haben, und befürchten, dass sie die Ergebnisse der Wahlen in ihrem Land im nächsten Jahr beeinflussen werden. Daher fordern 88 % der Befragten die Regierungen und Regulierungsbehörden auf, dieses Problem durch eine Regulierung der sozialen Medien rasch zu lösen.

Globaler Dialog über die Regulierung digitaler Plattformen
Rückblick auf die UNESCO-Konferenz „Internet for Trust“.
mehr lesen