Die westliche Donaulimes folgte den nördlichen und östlichen Grenzen der römischen Provinzen Rätien, Noricum und Pannoniens, von Bad Gögging in Niederbayern über Österreich bis in die Slowakei. Ab dem 1. Jahrhundert n. Chr. bildete er mehr als 400 Jahre lang die mitteleuropäische Grenze des Römischen Reiches.

Fakten

Aufnahmejahr: 2021
Bundesland: Bayern
Staaten: Deutschland, Österreich, Slowakei
Art der Stätte: transnationale, serielle Kulturstätte
Erfüllte Aufnahmekriterien: (ii), (iii), (iv)

Eine aufwendige Grenze für ein großes Reich

Das Römische Reich war beeindruckend groß, mächtig und von langer Dauer: Vom ersten Jahrhundert vor Christus bis ins sechste Jahrhundert nach Christus regierten die Römer ihr anfangs immer größer werdendes Imperium. Ein aufwändiges Grenzsystem aus Truppenlagern und Überwachungsposten sicherte das Reich. Der sogenannte Limes, Lateinisch für „Grenze“, erstreckte sich von West- nach Osteuropa, über Vorderasien und Nordafrika. Über weite Strecken markierten Mauern und Wachttürme die Grenze, an anderen Stellen natürliche Barrieren wie Gebirge oder Flüsse – so auch die Donau in großen Teilen Europas. Entlang des Gewässers finden sich von Bayern bis in die Slowakei heute noch unzählige Denkmäler aus römischer Zeit.

Grenzübergeifende Zusammenarbeit

Um das Welterbe zu erhalten und verschiedenen Menschen nahezubringen, arbeiten wir intensiv grenzübergreifend zusammen

Prof. Dr. C. Sebastian Sommer (†)

Ehemaliger Landeskonservator im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege und ehemaliger Vorsitzender der Deutschen Limeskommission

Prof. Dr. C. Sebastian Sommer (†)
Prof. Dr. C. Sebastian Sommer (†) | © Deutsche UNESCO-Kommission / Johann Angermann

Sichtbare und verborgene Denkmäler

Der eingetragene Abschnitt des Donaulimes verläuft mit einer Länge von 600 Kilometern von Niederbayern über Österreich bis in die Slowakei. Über mehrere Jahrhunderte waren hier Soldaten mit ihren Familien stationiert, arbeiteten und lebten am „Nassen Limes“. Zu den 77 Teilgebieten der länderübergreifenden Welterbestätte gehören neben Bau- auch Bodendenkmäler, beispielsweise Überreste von Legionslagern, Kastellen und umgebenden zivilen Siedlungen. Sie zeugen von der antiken Kultur mit ihrer Wehrtechnik, Architektur, Kunst, Religion, Verwaltung und Politik an den nördlichen Grenzen des Römischen Reiches.

„Entlang der Donau gibt es große, beeindruckende Denkmäler, die heute noch haushoch stehen – etwa Türme und Toranlagen wie die Porta Praetoria in Regensburg oder Bäder und Amphitheater“, erklärt Prof. Dr. C. Sebastian Sommer (†), ehemaliger Leiter der Abteilung Bodendenkmäler im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. „Es gibt aber auch Orte, an denen man nichts mehr sieht, weil dort später Gebäude errichtet oder die Mauerreste zur Wiedernutzung des Geländes eingeebnet wurden, so zum Beispiel die Kastellreste unter der Niedernburg in Passau.“

Auch Großprüfening bei Regensburg ist solch ein Ort. Wo heute Getreide und Wildblumen am Flussufer wachsen, lebten bis ins dritte Jahrhundert unserer Zeit römische Soldaten, die die Reichsgrenze bewachten. Luftbildaufnahmen und moderne Methoden der Geophysik belegen, dass es um das Militärlager, das sogenannte Kastell, herum eine zivile Siedlung mit Häusern und öffentlichen Einrichtungen sowie einen Friedhof gab. Um die Überreste zu erhalten und zu schützen, sollen sie unter der viele Hektar großen Ackerfläche verborgen bleiben. Lediglich ein Wirtschaftsgebäude wurde freigelegt und zeigt Besucherinnen und Besuchern anschaulich die Spuren, die die Römer hier hinterließen.

Blick vom Waldrand über eine Wiese, wo sich das unter der Erde verborgene Kastell in Großprüfening bei Regensburg befindet.
Zu den 77 Teilgebieten der Welterbestätte gehören auch unter der Erde verborgene Denkmäler wie das Kastell in Großprüfening bei Regensburg. | © Deutsche UNESCO-Kommission / Johann Angermann

Prof. Dr. Sebastian Sommer (†), Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, im Interview

Blick auf Ruinen aus unterschiedlichen Epochen unter der romanischen Niedermünsterkirche in Regensburg..
Unter der romanischen Niedermünsterkirche in Regensburg befinden sich Ruinen aus unterschiedlichen Epochen. | © Deutsche UNESCO-Kommission / Johann Angermann

„Mit den Augen der Römer sehen“

„Unser Welterbe ist auf den ersten Blick recht trocken und schwierig zu vermitteln, denn man sieht meist nur Ruinen, Mauern, Steine. Aber diese Steine sprechen zu uns, sie erzählen uns Geschichten und vermitteln Geschichte“, sagt Dr. Silvia Codreanu-Windauer, Referatsleiterin für Niederbayern und die Oberpfalz im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. „Deswegen ist die Vermittlung dieses Erbes so wichtig: Wir möchten, dass die Menschen die Denkmäler und Landschaften mit den Augen eines Römers sehen können und dass sie Geschichte erleben und verstehen."

Die Kommunen und der Freistaat Bayern haben gezielt Einrichtungen und Angebote geschaffen, zum Beispiel das „document niedermünsterExterner Link:“ in Regensburg. Bei Renovierungsarbeiten in der Niedermünsterkirche stießen Archäologen in den 1960er Jahren auf Mauerreste, die aus unterschiedlichen Phasen der Antike und des Mittelalters stammen. In einer Lichtinstallation im Kellergewölbe der Kirche erfahren Besucherinnen und Besucher, welche Teile bereits um 180 nach Christus zu Baracken gemauert wurden und wie später eine Kirche auf diesen Grundmauern errichtet wurde. Auch die Porta Praetoria, das ehemalige Haupttor des Legionslagers in Regensburg, lädt zur Auseinandersetzung mit der römischen Geschichte der Stadt und Bayerns ein – mit einer interaktiven Tafel und einem Film über das Legionslager. Die Porta Praetoria ist neben der Porta Nigra in Trier die einzige erhaltene römische Toranlage in Deutschland.

Blick auf die Porta Praetoria in Regensburg, die als eines der ältesten erhaltenen Bauwerke in Regensburg gilt. Es diente den römischen Soldaten als Ausfalltor, um bei einer Belagerung das Legionslager verlassen zu können.
Die Porta Praetoria gilt als eines der ältesten erhaltenen Bauwerke in Regensburg. Es diente den römischen Soldaten als Ausfalltor, um bei einer Belagerung das Legionslager verlassen zu können. | © Deutsche UNESCO-Kommission / Johann Angermann
Dr. Silvia Codreanu-Windauer hat als Referatsleiterin Niederbayern/Oberpfalz im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege an der Bewerbung des Donaulimes als Welterbe mitgearbeitet.
Dr. Silvia Codreanu-Windauer hat als Referatsleiterin Niederbayern/Oberpfalz im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege an der Bewerbung des Donaulimes als Welterbe mitgearbeitet. | © Deutsche UNESCO-Kommission / Johann Angermann

Moderne Methoden und Medien zur Vermittlung

„Wir nutzen viele Möglichkeiten der Wissensvermittlung, zum Beispiel klassische Infotafeln, Rekonstruktionen und Animationen oder auch die App RömerspurenExterner Link:“, erklärt Codreanu-Windauer, die sich seit mehr als 30 Jahren mit Bodendenkmälern in Bayern befasst. Die App bietet Informationen zu Denkmälern und Museen in Ostbayern und Oberösterreich. Nicht nur mit Österreich als direktem Nachbarn setzt Bayern gemeinsame Projekte um. Auch die enge Zusammenarbeit mit der Slowakei trägt zum Schutz, zum Erhalt und zur Vermittlung des Erbes bei.

„Es freut uns, dass wir mit verschiedenen Staaten gemeinsam am Welterbe Donaulimes arbeiten können“, sagt Sommer, der sich als Vorsitzender der Deutschen Limeskommission schon lange mit den römischen Grenzanlagen auseinandersetzt. „Das UNESCO-Welterbe verbindet, genauso wie früher das Römische Reich, unterschiedliche Regionen und Kulturkreise miteinander.“

Entlang des Limes trafen verschiedene Kulturen zusammen, gemeinsam verteidigten sie hier das Reich. So kamen um 100 nach Christus zum Beispiel die ersten Syrer nach Niederbayern, bis ins vierte Jahrhundert lebten sie am Donaulimes. „Die Römer haben den jeweiligen Völkern ihre Eigenheiten gelassen, gleichzeitig aber eine einheitliche Währung und Sprache sowie ein Maßsystem für alle geschaffen. Das Zusammenspiel aus Einheitlichkeit und Austausch ist für mich das Spannende am Römischen Reich und seinen Grenzen“, erzählt Sommer.

Donaulimes ist dritte Limes-Welterbestätte

Der Donaulimes ist nach dem Niedergermanischen Limes der dritte Abschnitt der römischen Außengrenze auf der UNESCO-Welterbeliste. Der erste Abschnitt der „Grenzen des Römischen Reiches“ umfasst den Hadrianswall und den Antoniuswall in Großbritannien gemeinsam mit dem sogenannten Obergermanisch-Raetischen Limes in Deutschland. Dieser ehemalige Grenzabschnitt erstreckt sich entlang des Rheins und der Donau auf etwa 550 Kilometern von Rheinbrohl in Rheinland-Pfalz bis zum Kastell Eining bei Neustadt an der Donau – dort beginnt die nun neu gekürte Welterbestätte Donaulimes.

Dr. Silvia Codreanu-Windauer, Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, im Interview

Infobox

Der außergewöhnliche universelle Wert

Authentizität

Die einzelnen Teilstätten des Donaulimes weisen ein hohes Maß an Authentizität auf, das sich aus ihrer Struktur, Gestaltung, materiellen Form und Funktion ergibt, die jeweils durch intensive Studien und Forschungen überprüft wurden. Einige der Standorte waren und sind als obertägige Denkmäler sichtbar, während andere durch archäologische Untersuchungen sichtbar gemacht wurden. Die Teilstätten wurden bzw. werden noch konserviert. Die Materialien und die Substanz der unterirdischen archäologischen Überreste sind gut erhalten, ebenso wie die obertägigen und sichtbaren Überreste. Obwohl die Umgebung manchmal durch spätere mittelalterliche und neuere Gebäude überbaut ist, sind die Teilstätten authentisch. Form und Gestaltung jedes repräsentativen Teils der Stätte und der zugehörigen Strukturen sind klar und nachvollziehbar. Ihre Lage und ihre Umgebung verdeutlichen das römische strategische Muster und tragen zu ihrer Authentizität bei.
Spätere Bebauungen, die über Teilen des Limes liegen, werden als vertikale Pufferzonen behandelt. Es gibt eine kleine Anzahl von Rekonstruktionen von Teilabschnitten der antiken Grenze, wie z. B. Teile von Kastellen und zivilen Strukturen, die jedoch entweder das Original einbeziehen oder versuchen, ihm so nahe wie möglich zu kommen.

Integrität

Die Gesamtheit der Fundstellen spiegelt alle Elemente wider, die einst das Grenzsystem ausmachten, d. h. die ununterbrochene Kette von Militäranlagen entlang des südlichen Flussufers, bestehend aus Legionskastellen, die das Rückgrat des Systems bildeten und um die herum in unterschiedlichen Abständen Kastelle und Wachtürme angelegt wurden, sowie die verbindende Infrastruktur und zivile Siedlungen. Das Ensemble der Fundstellen repräsentiert den langen Zeitraum, in dem der westliche Abschnitt der Donau als Teil der Grenzen des Römischen Reiches fungierte, sowie all seine wichtigsten Bauphasen von seiner Gründung im 1. Jahrhundert n. Chr. bis zu seinem Zerfall im 5. Jahrhundert n. Chr. und die außergewöhnliche Komplexität und Kohärenz seiner Grenzanlagen.
Obwohl einige der einzelnen Komponenten nur bruchstückhaft vorhanden sind und durch Veränderungen der Landnutzung, natürliche Prozesse und in einigen Fällen durch Überbauung beeinträchtigt wurden, sind die sichtbaren Überreste und die vergrabenen archäologischen Befunde von ausreichendem Umfang, um ihren Beitrag zur Gesamtserie zu vermitteln.

Kriterien

Kriterium (ii)

Die Kastelle, Wachtürme und zivile Architektur entlang des Donaulimes sind Zeugnisse des Austauschs menschlicher und kultureller Werte bis an die Grenze des Römischen Reiches. Obwohl sie in erster Linie der Verteidigung dienten, regulierten sie auch den Handel und den Zugang über den Fluss. Die Grenzlandschaft zeigt, wie ein komplexes militärisches System auf bereits existierende Gesellschaften im nördlichen Teil des Reiches auferlegt wurde, sie zum Mittelpunkt der Beziehungen zu Gebieten jenseits der Grenze machte und die Landschaft nachhaltig veränderte

Kriterium (iii)

Zunächst in der flavischen Dynastie (69-96 n. Chr.) durchgängig angelegt und später weiter ausgebaut, bestanden die Befestigungen aus einer durchgehenden Kette von Militäranlagen fast entlang des gesamten Südufers des Flusses. Das Rückgrat des Verteidigungssystems bildete eine Reihe von Legionslagern, die jeweils etwa 5.500 bis 6.000 römische Bürger als Soldaten beherbergten. Die Provinzen Rätien und Noricum verfügten über je eine Legion. In Pannonia Superior und Pannonia Inferior waren es je zwei. Die größere Zahl spiegelte die Angst der Römer vor den mächtigen Nachbarn wider: den Germanen im Norden und den Sarmaten im Osten. Zwischen den Legionslagern lagen Kastelle, Forts und Wachtürme, die durch Zufahrtsstraßen miteinander verbunden waren und von der pannonischen Flotte bedient. Die Flotte stand unter der Kontrolle Roms und patrouillierte auf der Donau. Um die Soldaten und die Zivilbevölkerung zu versorgen, entstanden um die Legionslager und einige Forts herum beträchtliche Zivilsiedlungen. Die römische imperiale Politik zielte darauf, das eigene Rechtssystem und die römische Lebensweise langfristig zu etablieren. Durch das Verbreiten der Kultur und Traditionen von Militärtechnik, Architektur, Kunst, Religion, Verwaltung und Politik bis an die Grenzen konnte das Römische Reich seine Macht manifestieren. Die mit den Verteidigungsanlagen verbundenen Siedlungen mit Bädern, religiösen Heiligtümern bis hin zu Amphitheatern gewähren einen Einblick in das Leben des Militärs und der Zivilbevölkerung.

Kriterium (iv)

Die Kastelle, Wachtürme und zivile Architektur entlang des Donaulimes zählen hinsichtlich ihrer Konstruktion und ihrer Anlage zu den wichtigsten antiken Befestigungen in Mitteleuropa und weltweit. Sie bezeugen, wie die militärischen Ansätze des Römischen Reichs über vier Jahrhunderte von den geografischen Gegebenheiten bestimmt und kontinuierlich angepasst wurden, um den wechselnden Bedrohungen des Reiches zu begegnen. Temporäre Lager, die um bestehende Festungen herum gebaut wurden, Brückenköpfe an beiden Ufern der Donau, hufeisen- und fächerförmige Türme und stark befestigte Kastelle spiegeln außerdem die Feldzüge des Römischen Reiches wider. Im Mittelalter wurden viele der Verteidigungsanlagen zu Keimzellen späterer Siedlungen und prägen durch ihre kontinuierliche Nutzung bis heute die Gestalt der mittelalterlichen Städte entlang der Donau.

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