I. Hintergrund:
Die UNESCO-Welterbekonvention von 1972 ist der erfolgreichste Völkerrechtsvertrag zur zwischenstaatlichen kulturellen Zusammenarbeit. 189 Staaten haben das Übereinkommen ratifiziert. Das auf ihr gründende internationale Programm zum Schutz von Kultur- und Naturgütern und die UNESCO-Welterbeliste genießen weltweit hohe Anerkennung. 936 Stätten in 153 Staaten sind in die Liste des Welterbes der Menschheit eingetragen.
Mit dem UNESCO-Welterbe ist es gelungen, die Werte des Kultur- und Naturerbes stärker im Bewusstsein der Menschen zu verankern und die Grundlage für eine Verständigung über universelle Werte im Bereich des Kultur- und Naturerbes zu schaffen. In den letzten Jahrzehnten hat sich aus dem Konzept des Welterbes auch ein umfassenderes Verständnis der unterschiedlichen Formen und Funktionen von Kulturerbe entwickelt. Diese erfordern jeweils eigene Ansätze zu ihrer Anerkennung und Bewahrung. Die Wechselwirkungen und vielfältigen Bezüge zwischen immateriellem Kulturerbe, Dokumentenerbe und Kultur- und Naturerbe sowie Kulturlandschaften tragen zu einem umfassenderen Verständnis der Bedeutung des kulturellen Erbes für die menschliche Entwicklung bei.
Deutschland ist seit 1976 Vertragsstaat der UNESCO-Welterbekonvention und mit 36 Stätten auf der Welterbeliste vertreten. Als Land mit bedeutendem kulturellem Erbe und herausragenden Naturerbestätten genießt Deutschland international ein hohes Ansehen für seine Expertise in Fragen des Kulturerhalts und des Naturschutzes. Mit seiner Wahl in das Welterbekomitee im Herbst 2011 hat Deutschland in den nächsten vier Jahren besondere Verantwortung für die weitere Entwicklung des Welterbeprogramms der UNESCO übernommen.
II. Die Deutsche UNESCO-Kommission
1. würdigt das UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt, das vor 40 Jahren beschlossen wurde, als eine der erfolgreichsten globalen Maßnahmen zum Erhalt bedeutender Kultur- und Naturstätten und zum grenzüberschreitenden Kulturdialog;
2. begrüßt die erneute Mitgliedschaft Deutschlands im Welterbekomitee der UNESCO (2011-2015) als Gelegenheit, einen aktiven Beitrag für eine überzeugende und erfolgreiche Fortschreibung der Welterbeliste zu leisten; in diesem Zusammenhang dankt die Deutsche UNESCO-Kommission der Bundesregierung, dass sie dem Erhalt der UNESCO-Welterbestätten in Deutschland einen hohen Stellenwert einräumt und würdigt in diesem Zusammenhang insbesondere das Investitionsprogramm Nationale UNESCO-Welterbestätten, das mit 220 Millionen Euro wichtige investive und konzeptionelle Vorhaben in den deutschen Welterbestätten unterstützt;
3. begrüßt die Entscheidung der Kultusministerkonferenz der Länder, bei Erstellung der 2014 fortzuschreibenden Tentativliste (offizielle Vorschlagsliste Deutschlands für künftig anzumeldende Anträge für das Welterbe) die globale Strategie der UNESCO für das Welterbe zu berücksichtigen und dazu ein unabhängiges Expertengremium mit der Evaluation der eingereichten Vorschläge zu beauftragen;
4. begrüßt die von einem informellen Expertenkreis der DUK entwickelten Empfehlungen zum präventiven Monitoring der UNESCO-Welterbestätten in Deutschland (s. Anhang) und appelliert an alle Beteiligten, sie nachvollziehbar umzusetzen;
5. unterstreicht, dass Tourismus an Kultur- und Naturerbestätten nachhaltig gestaltet werden muss, um ihren langfristigen Schutz zu garantieren und Schäden zu verhindern;
6. appelliert an die deutschen Welterbestätten, ihren Bildungsauftrag durch engere Zusammenarbeit mit Universitäten und Schulen und durch grenzüberschreitende Partnerschaften mit anderen Welterbestätten als Orte des interkulturellen Dialogs und der kulturellen Bildung für Kinder und Jugendliche weiterzuentwickeln;
7. würdigt in diesem Zusammenhang die Bedeutung des UNESCO-Programms zum Dokumentenerbe (Memory of the World), das vor 20 Jahren ins Leben gerufen wurde und inzwischen 238 Dokumente aus 96 Ländern umfasst, darunter 13 Einträge aus Deutschland, und dankt dem Deutschen Nominierungskomitee für seine ausgezeichnete Arbeit zur Auswahl und Präsentation deutscher Anträge in diesem UNESCO-Programm;
8. begrüßt darüber hinaus die Pläne der Bundesregierung, des Deutschen Bundestages und des Bundesrates, auch das UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes noch in diesem Jahr zu ratifizieren und bei der Umsetzung dieses Übereinkommens eng mit der Deutschen UNESCO-Kommission zusammen zu arbeiten.
Anhang zur Stralsunder Resolution der 72. Mitgliederversammlung der Deutschen UNESCO-Kommission
Empfehlungen zum präventiven Monitoring der deutschen UNESCO-Welterbestätten durch das deutsche Nationalkomitee von ICOMOS
Hintergrund
Die UNESCO-Welterbekonvention von 1972 ist der erfolgreichste Völkerrechtsvertrag im Bereich der zwischenstaatlichen kulturellen Zusammenarbeit. Das auf ihr gründende internationale Programm zum Schutz von Kultur- und Naturgütern und die UNESCO-Welterbeliste genießen weltweit hohe Aufmerksamkeit. Mit dem UNESCO-Welterbe ist es gelungen, das Bewusstsein für die Werte des kulturellen Erbes und des Erhalts bedeutender Naturräume stärker in die Breite zu tragen. Deutschland ist als Vertragsstaat der Konvention mit 36 Stätten auf der Welterbeliste vertreten. Als Staat mit bedeutendem kulturellem Erbe und herausragenden Naturerbestätten genießt Deutschland international ein hohes Ansehen für seine Expertise in Fragen des Kulturerhalts und des Naturschutzes. Nach seiner neuerlichen Wahl in das Welterbekomitee im Herbst 2011 hat Deutschland in den nächsten vier Jahren besondere Verantwortung für die weitere Entwicklung des Welterbeprogramms der UNESCO übernommen.
Die Überwachung (Monitoring) des Zustands der Welterbestätten ist wichtiger Bestandteil der glaubwürdigen Umsetzung der Welterbekonvention. Die Vertragsstaaten sind im Rahmen des § 29 der Konvention (Berichtspflicht) sowie des § 172 der Umsetzungsbestimmungen aufgerufen, eine entsprechende Informationspflicht gegenüber dem Welterbekomitee (über das Sekretariat der UNESCO) wahrzunehmen. Erhält das Sekretariat Hinweise auf mögliche Missstände, so wird nach § 173 der Umsetzungsbestimmungen der Vertragsstaat um eine Stellungnahme gebeten. Mit Bezug auf dieses „Reaktive Überwachung“ genannten Verfahrens legen die Bestimmungen des § 171 den Vertragsstaaten nahe, „mit den beratenden Gremien (ICOMOS, IUCN, ICCROM) zusammenzuarbeiten, die von dem Komitee gebeten worden sind, in seinem Namen den Fortgang der Arbeit zur Erhaltung der in der Liste des Erbes der Welt eingetragenen Güter zu überwachen und darüber zu berichten“.
Das Deutsche Nationalkomitee von ICOMOS hat seit zehn Jahren zum präventiven Monitoring von Welterbestätten in Deutschland eine eigene Arbeitsgruppe. Sie befasst sich mit dem kontinuierlichen präventiven Monitoring der Welterbestätten in Deutschland entsprechend den von ICOMOS erarbeiteten Grundsätzen, den Richtlinien der Welterbekonvention der UNESCO und dem Auftrag zum Präventiven Monitoring gemäß der Resolution Nr. 27 der 16. Generalversammlung von ICOMOS vom 4.Oktober 2008.
Die ICOMOS-Monitoringgruppe bündelt fachliche Expertise und bildet ein wichtiges und anerkanntes Instrument zur Beratung zuständiger Stellen und zur Beobachtung des Umgangs mit Welterbestätten in Deutschland. Nach öffentlich gewordener Kritik an der Arbeitsweise der Gruppe hat sich auf Einladung der Deutschen UNESCO-Kommission ein informeller Expertenkreis in zwei Sitzungen getroffen, um Empfehlungen bezüglich des präventiven Monitorings von ICOMOS Deutschland zu formulieren.
Empfehlungen:
1. Das gemeinsame Ziel aller am Schutz und der Bewahrung des Welterbes in Deutschland mitwirkenden Institutionen und Fachleute sollte sein, aufkommende Konflikte wo immer möglich innerstaatlich mit den hier vorhandenen Verfahren zu lösen. Ein Land mit der weltweit anerkannten Expertise und den Strukturen, wie wir sie in Deutschland vorfinden, sollte Probleme bei der Erhaltung von Welterbestätten selbst lösen können und dazu nur in Ausnahmefällen auf Unterstützung aus der internationalen Staatengemeinschaft zurückgreifen müssen. Hierzu ist es erforderlich, dass alle an dieser Aufgabe mitwirkenden Institutionen und Fachleute sich über die jeweils eingesetzten Verfahren und Instrumentarien betreffend den Schutz und Erhaltung der Welterbestätten abstimmen. Unbeschadet dieser Zielsetzung sind die internationale Kooperation und der grenzüberschreitende Austausch in Fragen des Erhalts von Kultur- und Naturstätten ebenfalls ein zentrales Anliegen; so ist die Zusammenarbeit der Welterbe-Monitoring-Gruppen des Deutschen ICOMOS-Nationalkomitees mit den Komitees anderer europäischer Länder sehr zu begrüßen – insbesondere dort, wo die gemeinsame Verantwortung für eine grenzüberschreitende Stätte gegeben ist.
2. Ein besonderes Anliegen der ICOMOS-Monitoring-Gruppe ist es, durch frühzeitige Beratung zur Konfliktvermeidung und Konfliktminimierung beizutragen.
3. Aus Sicht des informellen Expertenkreises sind zentrale Aufgaben, die das Selbstverständnis der Monitoring-Gruppe des Deutschen Nationalkomitees von ICOMOS nach innen und nach außen prägen:
- Sie ist beratender Partner potentieller Antragsteller und der Verantwortlichen für Welterbestätten und der Denkmalbehörden beim Erhalt der Welterbestätten in Bestand und Wertigkeit. Sie ist nicht Verfahrensbeteiligte als Trägerin öffentlicher Belange in Planfeststellungsverfahren, sollte aber in der Regel zu Bauleitplanungen im Welterbebereich und in den Pufferzonen gehört werden.
- Sie beobachtet den Umgang mit Welterbestätten und ist Plattform für wissenschaftlichen Austausch und Informationstransfer zwischen Welterbestätten.
- Sie ist keine denkmalrechtliche Genehmigungsbehörde, auch nicht bei Welterbestätten.
- Sie ist nicht Berichtspflichtige gemäß § 172 der Durchführungsbestimmungen (Operational Guidelines, OG) zur Umsetzung der UNESCO-Welterbekonvention. Das Deutsche Nationalkomitee von ICOMOS wird jedoch im Rahmen von Art. 13 (7) und 14 (2) der Konvention und entsprechend § 35 der OG über das internationale Sekretariat von ICOMOS beratend hinzugezogen und sollte jeweils gemäß § 171 und 173 der OG das Welterbekomitee informieren, vor allem im Fall von Gefahren für den Outstanding Universal Value (OUV).
4. Die Mitglieder der Monitoring-Gruppe verschaffen sich in Abstimmung mit den zuständigen Denkmalfachbehörden einen Überblick über den Zustand und eventuelle Veränderungen an den von ihnen betreuten Welterbestätten.
5. Das Deutsche Nationalkomitee von ICOMOS hat im Rahmen der Grundsätze der Monitoring-Gruppe Interessenkollisionen bei den Mitgliedern der Monitoring-Gruppe möglichst ausgeschlossen. Eine Interessenskollision könnte u.a. dann vorliegen, wenn eine Person in der betreffenden Welterbestätte arbeitet oder gearbeitet hat. Die Auswahl der Mitglieder berücksichtigt deren fachliche Qualifikation und die Anforderungen der jeweiligen Welterbestätte. Entsprechend den Grundsätzen vom März 2010 verpflichten sich die Mitglieder der Monitoring-Gruppe, „jeden Anschein der Befangenheit zu vermeiden, der sich durch ihre sonstige Tätigkeit oder Zuständigkeit ergeben könnte.“ Veränderungen bei den Zuständigkeiten werden den Verantwortlichen für Welterbestätten und den zuständigen Denkmalbehörden umgehend mitgeteilt..
6. Falls die Sachlage es erfordert, sollte das Nationalkomitee von ICOMOS auch Fachleute in die Monitoring-Gruppe berufen, die einen speziellen Fachverstand in einer Welterbeangelegenheit mitbringen und gegebenenfalls nicht Mitglieder des Nationalkomitees sind.
7. Bei Änderung der Zuständigkeit von einzelnen Mitgliedern benachrichtigt der Sprecher der Gruppe die Verantwortlichen vor Ort und stellt die neuen Monitore in ihrem Zuständigkeitsbereich vor. Es wäre sachdienlich, im Sinne einer transparenten Gestaltung des Verfahrens die Monitore auf der Website des Deutschen Nationalkomitees von ICOMOS zu veröffentlichen.
8. Die notwendige konstruktive Zusammenarbeit der Monitoring-Gruppe des Deutschen Nationalkomitees von ICOMOS mit den Denkmalfachbehörden wird auf der Grundlage der Vereinbarung mit der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger im Sinn der gegenseitigen Information und Kooperation weiter ausgebaut und verbessert.
9. Wichtige Entscheidungen in fachlicher und personeller Hinsicht werden nach den Grundsätzen vom Leitungsgremium der Monitoring-Gruppe in Rücksprache mit den jeweils zuständigen Monitoren getroffen. Für fachlichen Dissens innerhalb der Gruppe sollte ein transparentes Klärungsverfahren entwickelt werden.
10. Wenn die Monitoring-Gruppe von ICOMOS Deutschland Kenntnis von einer vermuteten Gefährdung von UNESCO Welterbestätten erhält, wird die Angelegenheit mit den zuständigen Dienststellen entsprechend der Vereinbarung mit der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger geklärt.
11. Die Deutsche UNESCO-Kommission ist eine wichtige Schnittstelle zur Öffentlichkeit und zu anderen mittelbar oder unmittelbar Beteiligten und sollte in einem Konfliktfall frühzeitig informiert werden. Die Deutsche UNESCO-Kommission informiert ihrerseits frühzeitig die zuständigen Denkmalbehörden und das Deutsche Nationalkomitee von ICOMOS über an sie herangetragene Konflikte. Es wird empfohlen, dass das Deutsche Nationalkomitee von ICOMOS mit der Deutschen UNESCO-Kommission eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit abschließt.
12. Wie auch beim Einsatz von Experten von ICOMOS im Auftrag des Welterbekomitees, ist der Grundsatz der Verschwiegenheit die Regel für die Mitglieder der Monitoring-Gruppe. Äußerungen gegenüber den Medien im Namen der Monitoring-Gruppe obliegen nach den Grundsätzen ausschließlich dem Sprecher der Monitoring-Gruppe bzw. dem Präsidenten des Deutschen Nationalkomitees von ICOMOS, ggf. einem von ihnen bestimmten Vertreter, jeweils in Abstimmung mit dem örtlich zuständigen Monitor der Arbeitsgruppe. Die jeweils zuständigen Denkmalbehörden, örtliche Instanzen und der zuständige Vertreter von ICOMOS informieren sich im Vorfeld von Presseterminen und anderen öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen und Maßnahmen und stimmen sich ab.
13. Die informelle Expertengruppe der Deutschen UNESCO-Kommission empfiehlt dem Deutschen Nationalkomitee von ICOMOS, die eigene Arbeit im Rahmen des präventiven Monitorings von Welterbestätten in Deutschland regelmäßig zu evaluieren und die Prozesse zu optimieren. Durch ein transparentes, geordnetes und auf die bestehenden Prozesse und Strukturen der Umsetzung der UNESCO-Welterbekonvention in Deutschland gut abgestimmtes Verfahren kann die Glaubwürdigkeit der Umsetzung der Konvention in Deutschland weiter gesteigert werden. Dies ist auch ein Beitrag zum internationalen Ansehen des UNESCO-Mitgliedsstaats Deutschlands.