Die Deutschen UNESCO-Kommission fordert:
Die internationale Handelsordnung muss die Vielfalt von Kultur, Medien, Wissenschaft und Bildung in vollem Umfang respektieren und sichern
Die Deutsche UNESCO-Kommission
- erinnert daran, dass angesichts der Dynamik der technologischen Konvergenz und der normierenden Macht der global agierenden Internetwirtschaft auch das Handelsrecht immer tiefer in die gesellschaftspolitisch relevanten Bereiche von Kultur, Medien, Wissenschaft und Bildung eingreift;
- begrüßt, dass die Bundesregierung in Hinblick auf die TTIP-Verhandlungen mit ihrem Positionspapier vom 7. Oktober 2015 zum "Recht auf Regulierung (Right to Regulate)" einen konzeptionellen Ansatz entwickelt hat, der auf Grundlage der Technologieneutralität und des deutschen und europäischen Rechtsverständnisses die Regulierungsautonomie in allen relevanten Kapiteln absichern soll;
- stellt fest, dass dies umso wichtiger ist, als die technologieneutrale Weiterentwicklung über die Schaffung neuer Kategorien wie "digital products" in Frage steht;
- weist darauf hin, dass das Problem der Sicherung der Vielfalt von Kultur, Medien, Wissenschaft und Bildung sowie deren Verwertung über die TTIP-Problematik hinausgeht und dass die Schwächung des multilateralen Systems von Handelsvereinbarungen angesichts der zahlreichen bilateralen Abkommen mit ihren unterschiedlichen Ansätzen eine besondere Herausforderung darstellt;
- begrüßt die erklärte Absicht der Bundesregierung, auf der Grundlage ihres Positionspapiers gemeinsam mit anderen EU-Mitgliedstaaten eine Verhandlungsstrategie auf der Grundlage des "Right to Regulate" zu entwickeln;
- weist erneut darauf hin, dass die kultur- und medienpolitischen Zielsetzungen völkerrechtlicher Abkommen auch in handelsrechtlichen Abkommen in vollem Umfang anzuerkennen sind, insbesondere auf der Grundlage des UNESCO-Übereinkommens zur Sicherung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen;
- stellt fest, dass die internationalen Handelsverhandlungen weiterhin primär auf der Grundlage der Architektur der Verträge der Welthandelsorganisation (WTO) und der "Central Product Classification"-Listen der Vereinten Nationen (CPC) geführt werden, die die kultur- und medienpolitischen Zielsetzungen und diesbezügliche völkerrechtliche Abkommen, insbesondere das UNESCO-Übereinkommen zur Sicherung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen, nicht per se berücksichtigen;
- stellt fest, dass die jüngste Überarbeitung der Klassifizierungslisten belegt, dass das Prinzip der Technologieneutralität auf dieser Ebene noch nicht Eingang gefunden hat;
- fordert in der internationalen Handelsordnung eine Verankerung eines "Right to Regulate", das Gestaltungsfreiräume für die Bereiche Kultur, Medien, Wissenschaft und Bildung sichert;
- fordert Bund und Länder auf, im Einvernehmen mit den europäischen Partnern und ggf. weltweit politische Initiativen zu ergreifen mit dem Ziel, kultur-, medien-, wissenschafts- und bildungspolitische Gestaltungsfreiräume in der Handelsordnung umfänglich und dauerhaft abzusichern.
Kontext
Die Deutsche UNESCO-Kommission (DUK) setzt sich bereits seit Jahren mit der politischen und wirtschaftlichen Bedeutung der 2013 begonnenen Verhandlungen zur Schaffung einer transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) auseinander, die auch zukünftige Regulierungsstandards prägen kann. Dabei unterstrich die DUK den Doppelcharakter kultureller und audiovisueller Dienstleistungen als Kultur- und Wirtschaftsgut und die Notwendigkeit, diesem Verständnis entsprechend angesichts der Globalisierung Politiken weiter entwickeln zu können. In ihrer Resolution "TTIP: Regulierungsfreiheit zur kulturellen und medialen Vielfaltssicherung muss im Vertrag verankert werden"Externer Link:vom 18. September 2015 begrüßte die DUK das Engagement Deutschlands und des Europäischen Parlaments für den technologieneutralen Ansatz; sie begrüßte ebenfalls die dezidierte Berücksichtigung dieses Ansatzes durch die EU-Kommission bei den von ihr geführten Verhandlungen.
Bei den TTIP-Verhandlungen geht es im Wesentlichen um die Vereinheitlichung von Regeln in einem transatlantischen Wirtschaftsraum. Angesichts der Globalisierung stellt sich die Frage der angestrebten Vereinheitlichung von Regeln aber generell.
Im Hinblick auf die engeren Regulierungsgrundlagen der GATT- (General Agreement on Tarifs and Trades) und GATS- (General Agreement on Trade in Services) Verträge zu Gütern und Dienstleistungen konnte die Sicherung bislang pragmatisch über eine effektive Herausklammerung ("non offers") gewährleistet werden. Aufgrund der global agierenden Internet- und Distributionsplattformen mit ihren Chancen, Risiken und Machtverschiebungen ist dies künftig nicht mehr möglich. Die Respektierung und Sicherung der kultur-, medien-, wissenschafts- und bildungspolitischen Gestaltungsfreiräume muss deshalb in der Handelsordnung selbst verankert werden.