Auf ein Wort,
„Die kulturweit-Freiwilligen sind unersetzlich“
Marvin Müller
kulturweit-Freiwilliger in Bratislava, Slowakei
Alexandra Olejárová
Lehrerin am Gymnasium Jána Papánka in Bratislava
Alexandra Olejárová und Marvin Müller arbeiten seit einem Jahr als „Deutsch-Team“ zusammen. Vorbereitung auf das Deutsche Sprachdiplom oder Projektarbeit – die Lehrerin und der kulturweit-Freiwillige ergänzen sich perfekt, sie mit Grammatikwissen und er als Muttersprachler.
Ein Interview von Anne Weißschädel, Redakteurin bei PASCH-net
„Wir sind direkt zum Elternabend gefahren“, erzählt Marvin Müller vom Beginn seines Freiwilligenjahres, das er mit kulturweit an einer PASCH-Schule in Bratislava verbringt. „Frau Olejárová hat mich vom Bus abgeholt, dann ging es kurz in meine neue Wohnung und dann sofort in die Schule.“ So schnell war er drin in seiner neuen Rolle und wechselte nach dem Abitur von der Schulbank in Deutschland in ein Lehrerzimmer in der Slowakei. Er unterstützt die fünfköpfige Deutschfachschaft unter der Leitung von Alexandra Olejárová.
An Schulen des Netzwerks der PASCH-Initiative finden jährlich zahlreiche Freiwillige einen Platz. Marvin Müller und Alexandra Olejárová arbeiten bereits das ganze Schuljahr 2016/17 am Gymnasium Jána Papánka, einer von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen geförderten Schule in Bratislava, zusammen und sind beide begeistert.
Welche Rolle übernehmen die Freiwilligen als deutsche Muttersprachler im Fremdsprachenunterricht?
Olejárová: Da gibt es sehr viele Möglichkeiten. Marvin ist natürlich bei den Ausspracheübungen dabei. Das kann ich gar nicht so gut lehren wie ein Muttersprachler. Aber er unterstützt auch die Teilnehmenden bei der Vorbereitung auf Projekte wie die Internationale Deutscholympiade. Außerdem haben wir auch Kinder mit deutscher Muttersprache in der Schule, mit denen er nach deutschen Lehrplänen gearbeitet hat. Denen bringt es nicht so viel, wenn sie meinen Unterricht besuchen. Dafür war er zum Beispiel bei einem Workshop zu CLIL.
Müller: Beim CLIL-Ansatz, Content and Language Integrated Learning, unterrichtet man Inhalte von Sachfächern wie Erdkunde in der Fremdsprache. Nach dem Workshop habe ich eine fünfstündige Reihe zum Thema Magnetismus auf Deutsch angeboten und sie mit Arbeitsblättern des Goethe-Instituts umgesetzt. Es war eine tolle Gelegenheit mich weiterzubilden und das Wissen auch zurück in die Schule zu bringen.
Olejárová: Er unterstützt mich aber auch bei der Korrektur von Aufsätzen. Da sind die Freiwilligen unersetzlich, weil die Kompetenzen einfach anders sind. Sie gehen da ganz anders heran als ich mit meinen erworbenen Deutschkenntnissen. Genauso bei der Vorbereitung auf Prüfungen und Präsentationen. Bei der Prüfung zum Deutschen Sprachdiplom der Kultusministerkonferenz gibt es neben dem schriftlichen auch einen mündlichen Teil, in dem die Schülerinnen und Schüler eine Präsentation halten müssen. Da können die Freiwilligen sehr gut bei der Vorbereitung unterstützen und in Einzelbesprechungen Feedback und Vokabelhilfe geben.
Müller: Außerdem habe ich viele Präsentationen zur Landeskunde gehalten. Themen waren dann: Wie sieht mein Zimmer aus, wie feiert meine Familie Weihnachten, die anstehende Bundestagswahl in Deutschland. Dabei war mir wichtig, zu vermitteln, dass es meine Sicht auf Deutschland ist und ich von persönlichen Erfahrungen berichte. Und ich habe auch viel über die Schülerinnen und Schüler gelernt. Im Deutschen Sprachdiplom I geht es viel um persönliche Fragen wie Familie oder Reisen.
Was bedeutet es für Ihre Fachschaft, dass Sie regelmäßig Freiwillige aus Deutschland an Ihrer Schule haben?
Olejárová: Wir haben fast jedes Jahr Freiwillige, die aber nicht alle ein ganzes Jahr bleiben. Und wir freuen uns sehr darüber, weil wir uns nicht mehr vorstellen können, ohne diese Hilfe und Unterstützung zu arbeiten. Auch die Schülerinnen und Schüler erwarten schon, dass da jemand ist. Wir haben zwar zwei muttersprachliche Lektoren an der Schule, aber mit den Freiwilligen entsteht ein ganz anderes, partnerschaftliches Verhältnis, nicht nur im Unterricht, sondern auch in den Pausen und danach. Eine Lehrer-Schüler-Distanz gibt es da praktisch nicht.
Welchen Vorteil hat es, dass die Freiwilligen oft nur wenig älter sind als die Schülerinnen und Schüler? Oder welchen Nachteil?
Olejárová: Es gibt da keine Nachteile. Bis jetzt haben sich alle, wenn es wichtig war, auch als autoritäre Personen gezeigt. Manchmal braucht man ein bisschen Disziplin. Damit haben die 18-/19-Jährigen, die nach dem Abitur zu uns kommen, alle keine Probleme.
Müller: Obwohl es schon ein Spannungsfeld gibt zwischen freundschaftlichem Umgang und Autorität. Ich sehe mich da eher als Lernbegleiter statt als Lehrer. Es gab spannende Situationen, die mich in Konflikt mit mir selbst gebracht haben. Auf Klassenfahrt musste ich aufpassen, dass die Jugendlichen keinen Alkohol trinken und nachts in ihren Zimmern bleiben. Da hätte ich natürlich auch gerne noch mit gesessen, geredet und gespielt.
Wie gestalten Sie die gemeinsame Projektarbeit und Prüfungsvorbereitung mit Deutschbezug an Ihrer Schule?
Olejárová: Insgesamt haben Marvin und ich intensiv mit meinen sieben Klassen gearbeitet. Er hat aber auch mit anderen Klassen gearbeitet. Inhaltlich helfen die Freiwilligen vor allem bei der Vorbereitung auf mündliche Aufgaben, wie Prüfungen oder Projekte. Sie erstellen Vokabellisten zu den Prüfungsthemen oder den Themen beim Wettbewerb Jugend debattiert international zusammen und bereiten die Schülerinnen und Schüler zum Teil in Eins-zu-Eins-Situationen darauf vor. Das ist ein enormer Vorteil, dass die Jugendlichen so viel Unterstützung bekommen.
Müller: Jugend debattiert international ist auch ein tolles Projekt, bei dem man viel helfen kann. Es ist ein Wettbewerb, der als Unterrichtseinheit an vielen Standorten in Mittel-/Osteuropa, aber auch in China angeboten wird. Da habe ich unsere Teilnehmenden durch die schulinterne und regionale Vorentscheidung bis zum Landeswettbewerb begleitet und durfte auch als Juror an den Wettbewerbstagen dabei sein. Da habe ich dann auch Mitarbeiter der Botschaft getroffen, was definitiv ein Highlight meines Jahres war.
Eine andere tolle Möglichkeit war ein Wettbewerb mit dem Titel „Begegnungen mit Osteuropa“, den wir auch gewonnen haben. Da habe ich einen Kontakt mit einer Schule in Paderborn hergestellt, weil ich dort eine Schülerin kannte. An beiden Schulen haben wir dann Fotos von älteren Verwandten gesucht, die wir dann nachgestellt haben. Immer ein altes Foto, zum Beispiel von einer Oma, die mit Freundinnen Champagner trinkt und Schülerinnen von heute, die zusammen an einem Tisch sitzen und anstoßen. Daraus ist dann ein Memory entstanden. Diese kreativen Übungen machen sehr viel Spaß.
Meine Grenze hingegen ist definitiv die Grammatik. Da ist Frau Olejárová die Expertin. Wenn es um schwache oder starke Verben geht, bin ich einfach überfragt.
Welche Tipps und Erfahrungen möchten Sie anderen Lehrkräften und Freiwilligen für Projekte oder den Unterricht mitgeben?
Müller: Wir haben sehr gute Erfahrungen mit Feedbackgesprächen gemacht. Wir haben uns zweimal nach der Schule in einem Café getroffen, um die bisherige Zeit zu reflektieren und zu überlegen, was gut gelaufen ist. Eine offene Kommunikation ist sehr wichtig. Ich will mich auch als Freiwilliger entwickeln.
Olejárová: Ein weiterer Tipp ist, das Englische konsequent zu vermeiden. Wir erleben immer wieder, dass die Schülerinnen und Schüler statt nach Vokabeln zu suchen, ins Englische wechseln. Da ist es wichtig, beim Deutschen zu bleiben und im Notfall etwas mit Händen und Füßen zu erklären.
Müller: Außerdem finde ich wichtig, die Freiwilligen als Einzelpersonen zu sehen und zu überlegen, wie sie mit ihren Fähigkeiten am besten zum Deutschlernen an der Schule beitragen können. Meine Vorgängerin hat ganz andere Sachen gemacht als ich. Da fand ich es toll, ermutigt zu werden, meine eigenen Ideen umzusetzen und zum Beispiel meine Erfahrung in der Schülervertretung zum Thema an der Schule zu machen.
Weitere Informationen
kulturweit – der internationale Freiwilligendienst der Deutschen UNESCO-Kommission