Gewinner des Jakob Muth-Preises für inklusive Schulen
Zehn Jahre nach dem Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland wird Inklusion an Schulen immer noch nicht flächendeckend umgesetzt. Der Jakob Muth-Preis zeichnet vorbildliche Schulen aus, denen Inklusion gelingt – oft in einem schwierigen Umfeld.
In diesem Jahr wird der Jakob Muth-Preis an folgende Schulen verliehen: die Staatliche Gemeinschaftsschule Kulturanum in Jena, die Friedenauer Gemeinschaftsschule aus Berlin, die Schule An der Burgweide in Hamburg und die Marie-Kahle-Gesamtschule in Bonn. Die ausgezeichneten Schulen erhalten ein Preisgeld in Höhe von jeweils 3.000 Euro. Der zum ersten Mal vergebene und ebenfalls mit 3.000 Euro dotierte Publikumspreis geht an das Projekt „Herausspaziert“ der Matthias-Claudius-Gesamtschule in Bochum. Projektträger des Jakob Muth-Preises sind der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel, die Deutsche UNESCO-Kommission und die Bertelsmann Stiftung.
Zehn Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention ist Inklusion auch an deutschen Schulen immer noch keine Selbstverständlichkeit. Die fünf Preisträger zeigen vorbildlich: Inklusion in der Schule kann gelingen. Der Bundesbehindertenbeauftragte Jürgen Dusel sagt: „Schule hat auch die wichtige Aufgabe, Kindern den Wert einer demokratischen Gesellschaft zu vermitteln. Zu einer guten Demokratie gehört, Vielfalt und Inklusion als Bereicherung zu sehen und zu leben. Demokratie braucht Inklusion. Deswegen ist inklusive Bildung so wichtig und sollte selbstverständlich sein: Es geht um Respekt, Partizipation, um Mitwirkung, um die aktive Gestaltung des eigenen Lebens. Für alle Schülerinnen - ob mit oder ohne Behinderung.“
Ute Erdsiek-Rave, Vorsitzende des Expertenkreises Inklusive Bildung der Deutschen UNESCO-Kommission, betont: „In der Umsetzung von Inklusion in der Schule ist noch viel zu tun – noch immer gehen deutschlandweit fast genauso viele Kinder auf separierende Sonderschulen wie vor zehn Jahren. Schaut man auf die einzelnen Bundesländer, so zeigt sich, dass sie bei der Umsetzung des Inklusionsversprechens unterschiedlich schnell vorankommen.“
Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung: „An der Marie-Kahle-Gesamtschule haben 63 Schülerinnen und Schüler des ersten Jahrgangs Abitur gemacht. Eine Gymnasialempfehlung hatten nur 22. Damit zeigt sich: Inklusion und schulische Leistung schließen sich keineswegs aus.“
Das „Kulturanum“ in Jena hat die Jury des Jakob Muth-Preises durch die systematische Verbindung des inklusiven Lernens mit dem umfassenden kulturellen Bildungsangebot überzeugt. Zu den Stärken der Jenaer Gemeinschaftsschule gehören das durchgängige Konzept des jahrgangübergreifenden und projektorientierten Lernens, die konsequente Einbeziehung des schulischen Umfelds sowie die gute Zusammenarbeit mit den örtlichen Betrieben, Vereinen und weiteren Bildungseinrichtungen.
Die erst im Jahr 2012 aus insgesamt vier Schulen fusionierte Friedenauer Gemeinschaftsschule überzeugte mit dem Konzept der individuellen Förderung, der engen Verzahnung des Ganztagsangebots mit dem Unterricht sowie den vielfältigen Angeboten zur Berufsvorbereitung für Kinder und Jugendliche mit Förderbedarf. Besonders hervorzuheben ist ihr Einfallsreichtum, um ihr umfassendes Inklusionsverständnis umzusetzen.
Der Schule an der Burgweide in Hamburg gelingt es in einem sozialen Brennpunkt vorbildlich, Kinder mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund und derzeit 29 Muttersprachen sowie mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf inklusiv zu unterrichten. Jahrgangsübergreifendes Lernen, individuelle Förderung, zahlreiche musikalische und künstlerische Angebote sowie eine systematische Elternarbeit gehören zum gelebten Selbstverständnis der sechsjährigen Grundschule.
Die Marie-Kahle-Gesamtschule in Bonn arbeitet mit der sogenannten Dalton-Methode, einem aus den USA stammenden Unterrichtskonzept, das inklusives Lernen vorbildlich unterstützt und begünstigt. Dabei arbeiten die Schülerinnen und Schüler autonom in ihrem eigenen Tempo und können Raum, Fach und Lernpartner selbstständig auswählen.
Das Projekt „Herausspaziert“ der Matthias-Claudius-Gesamtschule in Bochum zeigt in besonderer Weise, wie Schülerinnen und Schüler, mit und ohne Behinderungen, gemeinsam Herausforderungen außerhalb der Schulmauern meistern.
Der Jakob-Muth-Preis wird seit dem Jahr 2009 vom Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel, der Deutschen UNESCO-Kommission und der Bertelsmann Stiftung vergeben. Insgesamt gab es seit der ersten Preisverleihung vor zehn Jahren etwa 700 Bewerbungen auf den Jakob Muth-Preis – rund 670 von Einzelschulen und knapp 30 von regionalen und lokalen Verbünden. Der diesjährige Festakt, an dem die Schulen sowie das Schülerprojekt ausgezeichnet werden, findet am 25.09.2019 in der Zitadelle Spandau in Berlin statt.
Parallel zur Verleihung des Jakob Muth-Preises veröffentlicht die Bertelsmann Stiftung den Sammelband: „Inklusion: Damit sie gelingen kann. Die Rolle der Unterstützungssysteme“. Inspiriert von den Verbundspreisen des Jakob Muth-Preises erläutern Experten und Expertinnen aus Praxis, Wissenschaft und Gesellschaft, was systemisch für gelingende Inklusion geschehen muss.
Inklusion ist ein zentrales Ziel der globalen Agenda Bildung 2030. Inklusion im Bildungsbereich bedeutet, dass allen Menschen die gleichen Möglichkeiten offen stehen, an qualitativ hochwertiger Bildung teilzuhaben und ihre Potenziale entwickeln zu können, unabhängig von besonderen Lernbedürfnissen, einer Behinderung, Herkunft, Geschlecht, sozialen und ökonomischen Voraussetzungen.
In Deutschland ist Inklusion eine der größten schulpolitischen Aufgaben. Deutschland hat sich im Jahr 2009 mit der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet, allen Kindern den Besuch einer Regelschule zu ermöglichen.
Pressekontakt
Bertelsmann Stiftung
Dr. Ina Döttinger
Project Manager, Programm Integration und Bildung
Telelefon: +49 52 41 81 81-197
E-Mail: ina.doettinger@bertelsmann-stiftung.de
Deutsche UNESCO-Kommission
Stephanie Laumen
Pressesprecherin
Telefon: +49 228 60497 144
E-Mail: laumen@unesco.de