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Wissenschaftsfreiheit

Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei, so steht es seit nunmehr 70 Jahren im Grundgesetz. Die Freiheit der Ideen, die Vielfalt in wissenschaftlichen Fragestellungen und Herangehensweisen sind unerlässliche Werte, die es zu schützen gilt.

Artikel 5 des Grundgesetzes ist auf einer Glasscheibe zur Spreeseite beim Jakob-Kaiser-Haus des Deutschen Bundestags in Berlin eingraviert.

Am 14. August 1919, vor nun fast 100 Jahren, wurde die Weimarer Verfassung verkündet. In Artikel 142 wurde damit erstmals in Deutschland die Wissenschaftsfreiheit verfassungsrechtlich verankert. Neben diesem Jubiläum feiert die Bundesrepublik Deutschland 2019 auch das Inkrafttretens des Grundgesetzes vor 70 Jahren. Die ersten 19 Artikel des Grundgesetzes halten die Grundrechte fest, die allen Menschen in Deutschland beziehungsweise den einzelnen Staatsbürgern und Staatsbürgerinnen zugesprochen werden. Dazu zählt auch die Freiheit der Wissenschaft, Forschung und Lehre in Art. 5.3, die auch bestimmte juristische Personen wie Universitäten umfasst.

Die Wissenschaftsfreiheit gilt für jede Person oder Institution, die forscht und lehrt oder die wissenschaftlich tätig werden will – gemäß Bundesverfassungsgericht gilt dies für jede Tätigkeit, die „nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist“ (BVerfGE 35, 79). Das heißt, die Wissenschaftsfreiheit kann als subjektives Abwehrrecht vor Einschränkungen durch den Staat verstanden werden. Einschränkungen durch dienstliche und organisatorische Vorgaben sind jedoch zulässig. Nur scheinbar wissenschaftliche Arbeit wird dagegen genauso wenig geschützt wie die Lehre an allgemeinbildenden Schulen. Auch endet die Freiheit der Wissenschaft dort, wo andere Grundrechte verletzt würden.

Artikel 5.3 GG

„Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung“

In Einklang mit Völkerrechtsinstrumenten der UNESCO hat die Deutsche UNESCO-Kommission festgehalten, dass die Wissenschaftsfreiheit folgende Elemente umfasst:

a) das in Themenwahl und Organisation freie Gewinnen von Erkenntnis,
b) den freien Austausch von Personen, Ideen, Daten und Ergebnissen,
c) die freie und transparente Publikation von Ergebnissen,
d) eine öffentliche Grundausstattung und -förderung in Hochschulen und Forschungseinrichtungen, die keine Disziplinen diskriminiert, keinen ökonomischen Nutzennachweis zur Voraussetzung macht und keinen wissenschaftsfremden Interessen untergeordnet ist,
e) eine freie und unabhängige Forschung und Lehre,
f) die freie Wahl der Hochschulleitung unbeschadet ihrer Bestellung.

Das Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit schützt vor negativen Auswirkungen, die aus den genannten Tätigkeiten entstehen können.

Resolution Wissenschaftsfreiheit weltweit

Im Jahr 2017 verabschiedete die Deutsche UNESCO-Kommission auf ihrer Hauptversammlung die Resolution Wissenschaftsfreiheit weltweit, in der sie zu einem konsequenten Einsatz für Wissenschaftsfreiheit aufruft.

Die UNESCO als Hüterin der Wissenschaftsfreiheit

Auf internationaler Ebene ist die UNESCO die einzige Sonderorganisation der Vereinten Nationen, die sich für die Wissenschaftsfreiheit einsetzt. Die UNESCO fördert den globalen Wissenschaftsaustausch und unterstützt Länder beim Aufbau von Forschungsstrukturen. Die wichtigsten Völkerrechtsinstrumente der UNESCO zur Wissenschaftsfreiheit bilden die Empfehlung für Wissenschaft und wissenschaftliche Forscher von 2017 (erstmalig 1974 verabschiedet), die Empfehlung über die Stellung der Hochschullehrer und Hochschullehrerinnen von 1997 und die Erklärung über die Wissenschaft und die Anwendung wissenschaftlicher Kenntnisse von 1999. Sie enthalten Ziele, Wertesysteme und Normen, wie die Wissenschaftsfreiheit unterstützt und geschützt werden kann. Seit 2002 feiert die UNESCO am 10. November den Weltwissenschaftstag. Alle fünf Jahre erscheint an diesem Tag der Weltwissenschaftsbericht, in dem aktuelle globale und länderspezifische Trends und Entwicklungen in den Bereichen Hochschulbildung sowie Forschung und Innovation untersucht werden.

Das Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit ist auch in weiteren wichtigen internationalen Abkommen verankert, wie in der Grundrechtecharta der Europäischen Union und dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nationen von 1966.

Publikation

UNESCO-Wissenschaftsbericht. Der Weg bis 2030.
Deutsche UNESCO-Kommission, 2015

Unabdingbares Abwehrrecht

Der Artikel 5.3 GG geht auf die Weimarer Verfassung von 1919 zurück. Dort heißt es in Artikel 142: „Die Kunst, die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei. Der Staat gewährt ihnen Schutz und nimmt an ihrer Pflege teil“. Dieser Passus hatte bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 Gültigkeit. Welche Gefahren von einer unfreien Wissenschaft ausgehen können, zeigen die Folgen des Nationalsozialismus: Wissenschaftler waren beteiligt an der systematischen Ermordung der jüdischen Bevölkerung und anderer Gruppen. Den Verfassern des Grundgesetzes war klar: So etwas dürfte sich niemals wiederholen. Auch deshalb schrieben sie die Wissenschaftsfreiheit als Grundbedingung der demokratischen Gesellschaft fest ins Grundgesetz der Bundesrepublik ein. Der Zusatz „Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung“ bekräftigt dies.

In der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) war das Verhältnis zwischen Staat und Wissenschaft weniger eindeutig. Während universelle Prinzipien wie die Autonomie von Universitäten hochgehalten wurde, wurde die Wissenschaft ein instrumenteller Teil des politisch-gesellschaftlichen Produktionsprozesses verstanden.

Die Wissenschaftsfreiheit fungiert vor allem als Abwehrrecht. Das beudetet: Keine Person darf aufgrund ihrer wissenschaftlichen Standpunkte verfolgt oder vertrieben werden. Gleichzeitig ist die Wissenschaft vor Beeinflussung, Beschränkung, Benachteiligung oder Abhängigkeiten zu schützen. Wie wichtig dieser Grundsatz ist, zeigt sich heute an vielen Stellen: Freie Forschung und Lehre geraten heute zunehmend unter Druck – auch in den großen Forschungsnationen der Welt. Dabei zeigt gerade die deutsche Geschichte, wie wichtig ergebnisoffnes Forschen für eine demokratische Gesellschaft ist.

Freiheit.Hoch.Drei – weitere Informationen

Vom Welttag der Pressefreiheit am 3. Mai bis zum Welttag der Menschenrechte am 10. Dezember 2019, wird die Deutsche UNESCO-Kommission Presse-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit durch verschiedenste Beiträge der UNESCO und der Deutschen UNESCO-Kommission thematisieren. Die Deutsche UNESCO-Kommission feiert dieses Jubiläum unter dem Motto „Freiheit.Hoch.Drei“.

Außerdem startet zum 70-jährigen Jubiläum des Grundgesetzes eine Allianz von Wissenschaftsorganisationen die bundesweite Kampagne „Freiheit ist unser System. Gemeinsam für die Wissenschaft“. Ziel dieser Kampagne ist, auf die Relevanz und den Schutz der Wissenschaftsfreiheit aufmerksam zu machen.

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