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For Women in Science: Förderpreis 2022 verliehen

Wissenschaftlerinnen aus Dresden, Frankfurt am Main und Tübingen ausgezeichnet

Im Rahmen der deutschen Auslobung des L’Oréal-UNESCO-Förderprogramms „For Women in Science“ wurden am 27. September 2022 in Berlin vier Wissenschaftlerinnen für ihren Beitrag zu Forschung und Entwicklung ausgezeichnet. Bei der Preisverleihung in der Französischen Botschaft in Berlin würdigten über 100 Gäste aus Politik, Wissenschaft, Gesellschaft und Wirtschaft die Leistungen der Wissenschaftlerinnen. Die Nobelpreisträgerin und Max-Planck-Direktorin Professor Emmanuelle Charpentier hielt die Key Note, als Moderatorin führte Natalia Wörner durch den Abend.

Die mit jeweils knapp 15.000 Euro dotierten Förderpreise erhielten in diesem Jahr: Dr. Anna Czarkwiani an der Technischen Universität Dresden im Zentrum für Regenerative Therapien (CRTD), Dr. Svetlana Klementyeva am Institut für Anorganische Chemie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Dr. Darinka Trübutschek am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik Frankfurt am Main und Dr. Eteri Svanidze am Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe Dresden.

Dr. Anna Czarkwiani, Technische Universität Dresden im Zentrum für Regenerative Therapien (CRTD): „De novo thymus regeneration in the axolotl“

Dr. Czarkwiani forscht an Axolotl, einer Lurchart, die ursprünglich aus Mexiko stammt. Axolotl sind für ihre besondere Regenerationsfähigkeit bekannt: Körperteile oder Organe, die ihnen entfernt wurden, wachsen wieder nach. Dr. Czarkwiani interessiert sich bei ihrer Forschung besonders für den Thymus, eine kleine Drüse, die beim Menschen hinter dem Brustbein liegt. Das Organ ist wichtig für die Entwicklung des Immunsystems. Im Thymus entstehen spezialisierte Immunzellen, die sogenannten T-Zellen, welche gezielt körperfremde Krankheitserreger wie Viren oder Bakterien abwehren. Außerdem können sie Krebszellen des eigenen Körpers erkennen und bekämpfen. Im Gegensatz zum Axolotl wird der Thymus beim Menschen mit der Zeit abgebaut. Das führt mit zunehmendem Alter zu einer schwächeren Immunantwort, Krankheitserreger können also schlechter bekämpft werden.

Dr. Czarkwiani möchte mit ihrer Forschung herausfinden, wie sich der Thymus des Axolotls regeneriert. Wie andere Organe des Lurchs wächst der Thymus wieder nach, selbst wenn er vollständig entfernt wurde. Neue Erkenntnisse darüber helfen der Medizin: Gelänge es, das dauerhafte Wachstum des Thymus beim Menschen anzuregen bzw. dessen Abbau zu verhindern, würde sich die Immunantwort des Körpers verbessern. Dadurch würden neue Chancen für die Therapie von Krankheiten eröffnet.

Dr. Svetlana Klementyeva, Institut für Anorganische Chemie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen: „Germanium Cluster - neue Bausteine in der Chemie der Seltenen Erden“

Der Begriff Seltene Erden oder Seltenerden steht für 17 Elemente, die als kaum ersetzbar gelten in Bereichen wie Elektronik-, Magnet- und Glasfaser-Technik, Leuchtdioden und Lasern, Radiomedizin und Metallurgie. Die Seltenen Erden weisen aufgrund ihrer Fähigkeit, unzählige organische Verbindungen zu knüpfen, eine faszinierende Vielzahl an Koordinationsverbindungen auf. 

Dr. Klementyeva beschäftigt sich seit Jahren mit der Chemie dieser Elemente und ihrer strukturellen Vielfalt, sowie mit Untersuchungen ihrer magnetischen, optischen und elektrischen Eigenschaften. Derzeit erforscht sie, wie sich die Verbindungen von Seltenen Erden mit Clustern des Elements Germanium bilden. Diese Cluster sind ideale Modellverbindungen, um Einblicke in den Grenzbereich zwischen einfachen Molekülverbindungen und festen Körperstrukturen zu bekommen. Durch das Modell kann man besser verstehen, wie der Prozess der Bildung von Metallen im Einzelnen abläuft. Als Ergebnis erhält man Seltenerdverbindungen, die als Bausteine für molekulare Kabel dienen können.

Dr. Klementyevas Ziel ist die Entwicklung von Nanomaterialien für neue Technologien, beispielsweise bei Messtechnik oder Informationsverarbeitung. Derartige Materialien könnten Bildschirme noch dünner machen und elektronische Geräte auf die Größe eines Moleküls verkleinern. Dies würde zu einer energiesparenderen und ressourcenschonenderen Technik beitragen.

Dr. Darinka Trübutschek, Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik Frankfurt am Main für ihre Forschung: „Wie sieht das menschliche Gehirn - Entschlüsselung des Zusammenspiels von Wahrnehmung und Gedächtnis“

Was wir von unserer Umwelt wahrnehmen, ist kein genaues Abbild von ihr. Bei der Wahrnehmung deutet vielmehr unser Gehirn Nervensignale, die ihm unsere Augen, Ohren oder andere Sinnesorgane senden. Dabei spielen jedes Mal frühere Wahrnehmungen und unsere Erinnerungen daran eine Rolle. Beim Blick auf ein Röntgenbild kann zum Beispiel eine Ärztin etwas „erkennen“, falls sie ähnliche Bilder bereits oft gesehen hat. Ebenso kann sie kleine Details in einem ungewohnten Bild übersehen oder gar etwas „sehen“, was gar nicht existiert.

Diese Erkenntnis ist zwar lang bekannt – dennoch werden „Wahrnehmung“ und „Gedächtnis“ weiter meist getrennt voneinander durch einerseits Gedächtnisforscher und anderseits Wahrnehmungsforscherinnen untersucht. Es fehlt sowohl eine umfassende Theorie zum Zusammenspiel von Wahrnehmung und Erinnerung, als auch ein Verständnis der Mechanismen dieser Interaktion im Gehirn. Dr. Trübutschek hat hierzu schon einen Beitrag geleistet: Auch unterbewusste Informationen, über die Augen aufgenommen, werden in unserem Arbeitsgedächtnis gespeichert und beeinflussen unser Verhalten über mehrere Sekunden lang.

In ihrer aktuellen Arbeit untersucht Dr. Trübutschek in Experimenten das Zusammenspiel bewusster Erinnerungen mit gegenwärtiger Wahrnehmung: Versuchspersonen merken sich am Computer Bilder und geben sie später wieder. Dabei misst sie mit Magnetenzephalographie Gehirnsignale und kann daher die neuronalen Prozesse bei Erinnerung und Wahrnehmung nachvollziehen. So will sie letztlich das Verständnis von menschlichem Denken auf neue Grundlagen stellen.

Dr. Eteri Svanidze, Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe Dresden: „Quantenmaterialien - vom Labor zur alltäglichen Anwendung“

Im letzten Jahrhundert wurden die meisten technologischen Fortschritte, die wir heute als Teil unseres Alltags betrachten, durch Fortschritte auf dem Gebiet der neuen Materialien vorangetrieben. Die Beispiele sind zahlreich - von Computern und Smartphones bis hin zu Kreditkarten, Wettersatelliten oder sogar Ampeln an einem Zebrastreifen. Sie sind umgeben von Geräten, die auf funktionalen Materialien basieren, die dank der Arbeit in Chemie, Physik und Materialwissenschaft entdeckt, charakterisiert und verbessert wurden.

Jedes beliebige Material besteht aus einem oder mehreren chemischen Elementen. Und das Periodensystem der Elemente bietet uns grenzenlose Möglichkeiten für die Gestaltung von Materialien. Dr. Svanidze verwendet verschiedene chemische Elemente, um neue Materialien zu schaffen, die interessante Eigenschaften haben können. Einige Materialien sind zum Beispiel supraleitend und können Energie ohne Verluste übertragen. Derzeit sind keine Materialien bekannt, die dies bei oder in der Nähe der Raumtemperatur tun können. Daher ist die Suche nach einem Supraleiter bei Raumtemperatur eines der dringlichsten Themen in der Forschung über neue Materialien.

Als Ergebnis ihrer Arbeit möchte Dr. Svanidze noch mehr interessante Materialien entwickeln, die unser wissenschaftliches Verständnis vertiefen und alle Bereiche unseres Lebens verbessern werden. So können wir nicht nur zur Grundlagenforschung beitragen, sondern auch die Kluft zwischen Gesellschaft und Wissenschaft überbrücken.