Wissensgesellschaften

Freiheit.Hoch.Drei

Presse-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit als Aufgabe der UNESCO

Deutschland feierte 2019 den 100. Jahrestag der Verabschiedung der Weimarer Verfassung und den 70. Jahrestag des Grundgesetzes. Beide Verfassungen garantieren die Presse-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit. Als Menschenrechte sind diese Freiheiten auch im Völkerrecht verankert, unter anderem im UN-Sozialpakt und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. In Deutschland werden Presse-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit als individuelle und als institutionelle Freiheitsrechte gewährleistet, ein wesentlicher Punkt für die Widerstandsfähigkeit gegenüber äußeren Beeinträchtigungen.

Freiheitsrechte haben eine doppelte Bedeutung. Erstens, weil sie andere Rechte und Freiheitsräume ermöglichen: Eine freie Presse dient als sogenannte Vierte Gewalt als entscheidende Kontrollinstanz im Staat. Kunstschaffende machen seit jeher auch auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler helfen, die richtigen Antworten auf gegenwärtige und zukünftige Herausforderungen zu finden.

Zweitens haben künstlerische und wissenschaftliche Schaffensprozessen einen hohen Eigenwert als Prozesse der Selbstschöpfung, Aufklärung und Selbstverwirklichung. Menschen verleihen durch Kunst ihren Gefühlen und Gedanken Ausdruck, Wissenschaft ist Ausdruck von menschlicher Neugier, Schaffenskraft und Erkenntnisdrang.

Welcher Artikel garantiert die Presse-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit in Deutschland?

In Deutschland garantiert heute Art. 5 des Grundgesetzes die Presse-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit. In der Weimarer Verfassung waren die Freiheitsrechte in Art. 118 und 142 festgeschrieben.

Freiheitsrechte geraten zunehmend unter Druck

Obwohl Presse-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit in den wichtigsten und unbedingt verbindlichen nationalen und internationalen Dokumenten festgeschrieben sind, geraten sie seit einigen Jahren zunehmend unter Druck. Der Jahresbericht 2019 von Freedom House (Freedom in the World 2019) zeigt, dass Freiheitsrechte und somit die Qualität der Demokratie seit 13 Jahren weltweit kontinuierlich abnehmen. Dieser Trend ist laut der Bertelsmann-Stiftung in verschiedenen Industriestaaten (SGI) sowie Entwicklungs- und Schwellenländern (BTI) gleichermaßen zu beobachten. Insbesondere die Meinungsfreiheit wird seit 2012 immer stärker eingeschränkt, gerade im digitalen Raum, so die Autorinnen und Autoren von Freedom House.

Freiheitsrechte sind zentral für nachhaltige Entwicklung

Die Einschränkung von Freiheitsrechten hemmt auch nachhaltige Entwicklung. Es gibt Korrelationen zwischen Einschränkung der Freiheitsrechte, der Höhe des Human Development Index und der sozialen Ungleichheit innerhalb eines Staates. Die Vereinten Nationen haben diese Zusammenhänge in der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung berücksichtigt und Freiheitsrechte explizit in Ziel 16.10 erwähnt.

Freiheitsrechte und nachhaltige Entwicklung

Der Atlas der Zivilgesellschaft 2019 von CIVICUS und Brot für die Welt zeigt deutlich, wie die Einschränkung von Freiheitsrechten eine nachhaltige Entwicklung hemmt.

 

„Den öffentlichen Zugang zu Informationen gewährleisten und die Grundfreiheiten schützen, im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften und völkerrechtlichen Übereinkünften." (SDG 16.10)

Presse-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit bei der UNESCO

Für Freiheitsrechte einzutreten ist ein in Artikel 1 ihrer Verfassung verankertes Kernmandat der UNESCO und somit auch ein zentrales Tätigkeitsfeld der Deutschen UNESCO-Kommission. Dies bedeutet Einsatz für die einschlägigen Freiheitsrechte und Freiheitsräume in Deutschland und weltweit in Kultur, Bildung, Wissenschaft und Kommunikation. Dies bedeutet auch, Akteure aus Kultur, Bildung, Wissenschaft und Kommunikation als Multiplikatoren für den Einsatz für diese Freiheitsrechte zu gewinnen und Vielfalt in Medien, Kultur, Kunst und Wissenschaft zu fördern.

Die UNESCO-Verfassung

Die deutschsprachige Version der UNESCO-Verfassung befindet sich auf der Webseite der Deutschen UNESCO-Kommission.

Pressefreiheit

Im Vorwort des UNESCO-Weltberichts für Meinungsfreiheit und Medienentwicklung 2017/18 benennt die UNESCO-Generaldirektorin Audrey Azoulay alarmierende Trends bezüglich der physischen, psychologischen und digitalen Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten weltweit.

Die UNESCO hat als einzige Sonderorganisation der Vereinten Nationen ein besonderes Mandat, die Pressefreiheit zu schützen. Sie unterstützt den Aufbau unabhängiger und pluralistischer Medien und fördert die Aus- und Weiterbildung von Journalisten. Sie prangert Verstöße gegen die Pressefreiheit an und fordert verstärkte Maßnahmen zur Aufklärung von Verbrechen an Journalisten.

Seit 2008 veröffentlicht die UNESCO-Generaldirektorin alle zwei Jahre einen Bericht über die Sicherheit von Journalisten und die Gefahr der Straffreiheit. Im April 2012 wurde der von der UNESCO gemeinsam mit anderen UN-Organisationen erarbeitete Aktionsplan zur Sicherheit von Journalisten und zur Frage der Straflosigkeit verabschiedet und seitdem auf nationaler und globaler Ebene umgesetzt. Die UN-Generalversammlung hat 2013 den 2. November zum Internationalen Tag zur Beendigung der Straflosigkeit für Verbrechen gegen Journalisten erklärt.

Bereits 1993 erklärte die UN-Generalversammlung den 3. Mai zum Welttag der Pressefreiheit. An diesem Tag erinnert die UNESCO seitdem an die Bedeutung freier, unabhängiger und pluralistischer Medien für demokratische Gesellschaften. Sie berichtet dazu jeweils über den aktuellen Stand von Pressefreiheit weltweit. Zugleich gedenkt sie jener Medienschaffenden, die bei der Ausübung ihrer journalistischen Tätigkeit bedroht oder getötet wurden. Außerdem verleiht sie den UNESCO/Guillermo Cano-Preis jährlich einer Person oder Organisation, die einen weltweit herausragenden Beitrag zur Verteidigung oder Förderung der Pressefreiheit geleistet hat.

Kunstfreiheit

1980 haben die UNESCO-Mitgliedstaaten die Empfehlung über die Stellung des Künstlers verabschiedet. Die Empfehlung enthält Vorgaben zur Freiheit der Kunst und zur Stärkung der sozialen und ökonomischen Rechte von Kunstschaffenden. Alle vier Jahre berichten die Mitgliedsstaaten über die Umsetzung der Empfehlung und schaffen damit einen wichtigen Monitoring-Mechanismus zur Situation von Künstlerinnen und Künstlern weltweit.

Ein weiteres wichtiges Instrument zum Schutz der Kunstfreiheit ist die UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen von 2005. Eines der vier Ziele der Konvention ist die Förderung von Menschenrechten und Grundfreiheiten. Inzwischen haben 145 Länder und die Europäische Union die Konvention ratifiziert und setzen ihre Ziele weltweit um. Alle vier Jahre berichten die Vertragsparteien über entsprechende Entwicklungen, unter anderem im Bereich der künstlerischen Freiheitsrechte.

Globale Trends veröffentlicht die UNESCO regelmäßig im UNESCO-Weltbericht Kulturpolitik. Der jüngste Bericht „Re I Shaping Cultural Policies“ (2018) zeigt eine starke Zunahme der berichteten Angriffe auf Kulturschaffende – im Jahr 2016 wurden 430 Angriffe dokumentiert, gegenüber 90 Angriffen 2014. Der diesjährige Bericht der NGO Freemuse „The State of Artistic Freedom 2019“ hat für das Jahr 2018 673 Fälle der Verletzung von Kunstfreiheit in 80 Ländern identifiziert. Vor allem neue Gesetze zum Schutz vor Terrorismus und zum Schutz der Religionsausübung werden demnach benutzt, um künstlerische Freiheit einzuschränken.

Trotz dieser negativen Trends zeigt der Weltbericht Kulturpolitik auch viele positive Entwicklungen, wie die Verabschiedung neuer Rechtsgrundlagen zur Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Rechte von Kunstschaffenden, insbesondere in Afrika.

Auch die Zahl der Initiativen, um gefährdeten Künstlerinnen und Künstlern sichere Rückzugsorte zu bieten, ist in den vergangenen Jahren angestiegen. Zu nennen sind zum Beispiel das Internationale Netzwerk Städte der Zuflucht (ICORN), an dem sich aus Deutschland die Städte Berlin, Hannover und Frankfurt beteiligen, das Programm 'Writers in Prison / Writers at Risk' von PEN International sowie in Deutschland die Martin-Roth-Initiative.

Publikation

Kulturpolitik neu | gestalten. Kreativität fördern, Entwicklung voranbringen.
UNESCO-Kommissionen Österreichs, Deutschlands, der Schweiz und Luxemburgs, 2018

Wissenschaftsfreiheit

Bereits 1974 hatten die UNESCO-Mitgliedstaaten eine entsprechende Empfehlung verabschiedet, diese wurde zuletzt aktualisiert und im November 2017 als UNESCO-Empfehlung für Wissenschaft und wissenschaftliche Forscher neu beschlossen. Zusammen mit der Empfehlung über die Stellung der Hochschullehrer/innen von 1997 und der Erklärung über die Wissenschaft und die Anwendung wissenschaftlicher Kenntnisse von 1999 hat die UNESCO die wichtigsten UN-Dokumente zur Wissenschaftsfreiheit geschaffen. Sie enthalten nicht nur Ziele und Wertesysteme für die Wissenschaft, sondern auch Normen, wie die Wissenschaftsfreiheit unterstützt und geschützt werden muss.

Die UNESCO stärkt deshalb weltweit Forschung und Lehre im Spannungsfeld zwischen Wissenschaftsfreiheit und gesellschaftlicher Verantwortung. Sie unterstützt Entwicklungsländer beim Aufbau einer Forschungsinfrastruktur und fördert die internationale Zusammenarbeit.

Seit 2002 wird am 10. November auf Initiative der UNESCO der Weltwissenschaftstag gefeiert. Alle fünf Jahre erscheint an diesem Tag der Weltwissenschaftsbericht, in dem aktuelle globale und länderspezifische Trends und Entwicklungen in den Bereichen Hochschulbildung sowie Forschung und Innovation untersucht werden.

Der UNESCO-Wissenschaftsbericht „UNESCO Science Report: Towards 2030“ von 2015 sieht Bedrohungen der Wissenschaftsfreiheit in der Gratwanderung zwischen freier Wissenschaft und kommerziellen Interessen, dem zunehmenden (durch die digitale Revolution beschleunigten) globalen Wettbewerb der Universitäten und der Monopolisierung und ungleichem Zugang zu Wissen.

Im Jahr 2017 verabschiedete die Deutsche UNESCO-Kommission auf ihrer Mitgliederversammlung die Resolution Wissenschaftsfreiheit weltweit, in der sie zu einem konsequenten Einsatz für Wissenschaftsfreiheit aufruft.

Publikation

UNESCO-Wissenschaftsbericht. Der Weg bis 2030.
Deutsche UNESCO-Kommission, 2015

Resolution: Wissenschaftsfreiheit weltweit

Die Deutsche UNESCO-Kommission hat auf ihrer Mitgliederversammlung im Jahr 2017 die Resolution Wissenschaftsfreiheit weltweit verabschiedet. Darin ruft sie zu einem konsequenten Einsatz für Wissenschatsfreiheit auf.

Das Jubiläumsjahr

Vom Welttag der Pressefreiheit am 3. Mai bis zum Welttag der Menschenrechte am 10. Dezember 2019 wird die Deutsche UNESCO-Kommission Presse-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit durch verschiedenste Beiträge der UNESCO und der Deutschen UNESCO-Kommission thematisieren.

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