Perspektiven
Der Nahostkonflikt in der UNESCO
Wie im gesamten System der Vereinten Nationen löst der Nahostkonflikt auch in der UNESCO Konfrontationen aus. Die Aufnahme Palästinas als Mitgliedstaat im Jahr 2011 und die angekündigten Austritte der USA und Israels sind die jüngste Eskalation des Konflikts im Rahmen der UNESCO. Wie es dazu kam und wie die Organisation wieder zu einem Ort der Vermittlung werden kann, erläutert die Publikation "Blickwinkel - Der Nahostkonflikt in der UNESCO, Dr. Roland Bernecker".
Auszug aus der Publikation
Glaubwürdigkeit der UNESCO in Gefahr
In ihrer Rede [zur Eröffnung des 204. UNESCO-Exekutivrats in Paris am 9. April 2018, Anm. d. Red.] konstatiert Azoulay ohne Umschweife, dass durch die Entwicklung der letzten Jahre die Glaubwürdigkeit der UNESCO gelitten habe. Dies führt sie nicht nur auf die finanziellen Einschnitte zurück, sondern auch auf die politischen Spannungen, die in der UNESCO zum Ausdruck gekommen seien. Dabei lässt sie erkennen, dass sie die Zuspitzung der politischen Konflikte in der UNESCO auch dem unzureichenden Engagement des Sekretariats der UNESCO zuschreibt. Dies ist insofern interessant, als es erwarten lässt, dass sie sich und ihr Führungsteam stärker in die Bewältigung dieser Konflikte einzubringen gedenkt.
Im April 2018 scheint dies bereits gelungen zu sein. Zur Überraschung aller Beteiligten wurden zwei israelkritische Resolutionen „Occupied Palestine“ und „Educational and cultural institutions in the occupied Arab territories“ so stark gekürzt, dass der Resolutionsteil in beiden Fällen nur noch aus drei kurzen Paragrafen besteht: einem Verweis auf die Referenzdokumente und einen Annex, einem Verweis auf frühere Beschlüsse des Exekutivrats, und aus der Wiedervorlage des Tagesordnungspunktes zur nächsten Sitzung, verbunden mit der Bitte um Berichterstattung durch die Generalsdirektorin zum Follow-up. Kritischere Passagen wurden in den Anhang ausgelagert. Dieses Ergebnis ist ein großer Fortschritt gegenüber den letzten Jahren. Es erlaubte nach langer Zeit zum ersten Mal wieder eine Verabschiedung der Texte im Konsens unter Aussparung einer konfrontativen Abstimmung. Die Washington Post überschrieb einen Artikel am 13. April 2018: „Seltener israelisch-palästinensischer Kompromiss bei der UNESCO schafft Hoffnung“. In ihrer eigenen Presseerklärung zu diesem Verhandlungserfolg weist Azoulay darauf hin, dass diese Art der Konsensfindung Teil der DNA der UNESCO sei und die Arbeit auch in Zukunft leiten müsse, insbesondere bei den bevorstehenden Diskussionen im Welterbekomitee und in den Steuerungsgremien der UNESCO. Sie selbst und das Sekretariat würden dazu ihren Beitrag leisten. Auch in der Washington Post unterblieb nicht der Hinweis darauf, dass Vertreter der UNESCO-Führung ihren Anteil daran hatten, dass seit vielen Jahren wieder eine Annäherung erreicht werden konnte, die sogar Anlass zu der Frage gab, ob die USA und Israel ihren erklärten Austritt aus der UNESCO vielleicht noch einmal überdenken würden. Man könnte kritisch zurückfragen, ob nicht die Situation des bevorstehenden Austritts beider Länder mit zu dem Verhandlungsergebnis beigetragen hat. Festzuhalten bleibt auf alle Fälle, dass die politische Führung der UNESCO in der Verantwortung steht, sich mit ihrem ganzen Gewicht einzubringen, wenn es um Fragen geht, die die Glaubwürdigkeit und mithin die Handlungsfähigkeit der Organisation zu beeinträchtigen drohen.