Auf ein Wort,

Mehr Unterstützung für die Gleichstellung in der UNESCO nötig

Mats Djurberg

Mats Djurberg
Generalsekretär der Schwedischen UNESCO-Kommission

Interview mit Mats Djurberg, Generalsekretär der Schwedischen UNESCO-Kommission seit 2010, über die Arbeit seiner Kommission, die schwedischen Prioritäten in der UNESCO und die zentrale Rolle der Geschlechtergleichstellung.

Welche Rolle und welchen Auftrag hat die Schwedische UNESCO-Kommission?

Die Schwedische Nationalkommission ist die Koordinierungsstelle zwischen der UNESCO, der schwedischen Regierung und der Zivilgesellschaft. Wir geben der schwedischen Mitgliedschaft in der UNESCO Qualität und Tiefe, indem wir Erfahrungen von nationalen Akteuren wie Verbänden und Universitäten sammeln und sie in die Arbeit der UNESCO einbringen. Umgekehrt stellen wir schwedischen Akteuren das in der UNESCO gesammelte und erzeugte Wissen zur Verfügung, zum Beispiel Berichte über Pressefreiheit.

Die Schwedische UNESCO-Kommission versucht in ihrer aktuellen Strategie, sich wieder auf das Kernmandat der UNESCO zu konzentrieren. Was meinen Sie damit?

Die Geschichte scheint sich zu wiederholen. Die heutige Welt verändert sich schnell, die Politisierung und die Polarisierung der Gesellschaft wachsen. Viele der Werte, die den Ausgangspunkt für die Gründung der UNESCO bildeten, werden heute wieder sehr aktuell. Deshalb halte ich es für notwendig, auf die Fähigkeit der UNESCO zurückzukommen, verschiedenste Akteure zusammen zu bringen, in den Bereichen Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation. Natürlich sind diese Politikfelder nicht neutral. Kultur kann trennen, sie hat aber auch eine sehr stark verbindende Kraft. In Schweden sind wir genau zu diesen Wurzeln der UNESCO zurückgekehrt. Wir haben uns befragt, was uns die UNESCO damals im Jahr 1945 eigentlich gesagt hat und wie wir diese Erkenntnisse in der heutigen Realität lebendig machen können.

Bedeutet das, dass Sie sich nur auf einen kleinen Teil des programmatischen Portfolios der UNESCO konzentrieren?

Im Gegenteil. Die Präsenz der UNESCO hat in den letzten zehn Jahren einen steilen Aufschwung erlebt. Daher sind für die Schwedische UNESCO-Kommission eine klare Rollenverteilung und Formate der Zusammenarbeit von zentraler Bedeutung. Unser Arbeitsplan für die Jahre 2018 bis 2021 beruht darauf, unseren Partnern zuzuhören, zusammen zu arbeiten, und die Arbeit der UNESCO ernsthaft qualitativ weiter zu entwickeln.

Ist diese Strategie auch eine Reaktion auf die Krise des Multilateralismus?

Tatsächlich müssen wir heute zeigen, was der Multilateralismus einem Land bieten kann. Aber das ist nicht schwierig: Reiche Länder wie Schweden können wirklich viel von den Werten der UNESCO, ihren Konzepten und Aktivitäten und dem dort gewonnenen Wissen profitieren. Ich halte es für wirklich wichtig, diese Erkenntnis nicht auf abstrakte Weise zu präsentieren, sondern durch praktische Beispiele und Werte. Andererseits müssen wir, um die Qualität der Arbeit der UNESCO zu erhalten, proaktiv und nicht reaktiv sein. Wir waren lange zu zurückhaltend. Jetzt fangen wir hingegen an, der Entwicklung voraus zu sein.

Welche programmatischen Prioritäten verfolgen Sie?

Als Nationalkommission haben wir unsere nationale Rolle und Strategie – andererseits hat Schweden auch seine Strategie gegenüber der UNESCO. Mit Blick auf letztere besteht der entscheidende komparative Vorteil der UNESCO aus schwedischer Sicht darin, dass es bei der UNESCO ernsthaft um Menschenrechte geht. Sie sind die Grundlage der UNESCO, basierend auf den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs und dem Prozess zuvor. Die Menschenrechte sind unser Hauptaugenmerk. Im Rahmen des Vierjahresprogramms der UNESCO 2018-2021 haben wir einige der Prioritäten herausgegriffen: Pressefreiheit, Sicherheit von Journalisten und Kulturschaffenden, Bildung für nachhaltige Entwicklung und Geschlechtergleichstellung. Eine weitere Priorität ist die Reform der UNESCO, damit sie sich besser an ein sich veränderndes Umfeld anpassen kann, damit sie in der Lage ist, zu reagieren und sich den globalen Herausforderungen von heute zu stellen.

Schweden ist einer der größten Zahler von außerbudgetären Beiträgen an die UNESCO. Spielt die Nationalkommission in dieser Hinsicht eine Vermittlerrolle?

Seit 2012, als wir besser ausgestattet wurden, ist unsere Rolle klar definiert als koordinierend. Dies ist notwendig, weil die UNESCO ein so vielfältiges Portfolio hat und so viele verschiedene Akteure ihre unterschiedlichen Einstiegspunkte in der UNESCO haben.

Man kann mit Fug und Recht sagen, dass wir wirklich dazu beigetragen haben, Kontinuität in der „Ownership“ Schwedens als Mitgliedsland zu gewährleisten. Das hat bei Agenturen wie SIDA, unserer internationalen Entwicklungsagentur, mehr Aufmerksamkeit erzeugt. Sie haben verstanden, dass die UNESCO auf wichtigen Werten basiert, die Unterstützung brauchen. Sie haben auch verstanden, dass die Welt eine normative Organisation braucht, die die Menschenrechte in diesem sich global verändernden Umfeld tatsächlich unterstützen und verteidigen kann. Ich denke, es ist angemessen zu sagen, dass wir zu diesem Wandel der Wahrnehmung der UNESCO entscheidend beigetragen haben. Ich bin sehr stolz darauf, dass Schweden im kommenden Vierjahreszeitraum fast 135 Millionen US-Dollar beitragen wird.

Die Geschlechtergleichstellung ist eine der beiden übergeordneten Prioritäten der UNESCO. Dass diese Priorität von der UNESCO umgesetzt wurde, ist vor allem auf Schweden zurückzuführen, fast ausschließlich auf Schweden. Warum hat die Gleichstellung der Geschlechter für Schweden so hohe Priorität? Sind Sie mit den Ergebnissen der UNESCO zufrieden?

Ich denke, es ist an der Zeit, einen Haltungswechsel in der UNESCO als Organisation herbeizuführen. Wir können nicht mehr die gleichen Wege gehen wie bisher, wir müssen die Haltung grundsätzlich ändern. Die UNESCO muss durch ihre Arbeit sicherstellen, dass jede und jeder die gleiche Chance hat. Wir müssen über den traditionellen, „automatischen“ Ansatz der Geschlechtergleichstellung hinausgehen. Wir brauchen ein durchgängiges Gleichstellungskonzept, wenn wir uns mit Projektvorschlägen, mit neuen Ideen und Initiativen befassen. Ich bin sehr überrascht, dass dies zuvor nicht geschehen ist. Ich bin froh, dass wir mehr als sechzig Änderungen am Haushaltsbeschluss der UNESCO zur Geschlechtergleichstellung erreichen konnten. Jetzt gibt es also einen Mechanismus.

Gleichzeitig sind wir überrascht, dass nur so wenige Staaten bei dieser Arbeit aktiv mitmachen. Alle Mitgliedstaaten und alle Nationalkommissionen, alle Interessengruppen der UNESCO müssen sich für rechtsbasierte Gleichstellung einsetzen. Ich würde mir wünschen, dass Deutschland mehr mitmacht und sich in der UNESCO nachdrücklich für Geschlechtergleichstellung einsetzt. Bei der Gleichstellung geht es um Ressourcen, um Chancen für alle, um das Ziel einer nachhaltigen Gesellschaft. Nachhaltige Entwicklung ist ohne Gleichstellung nicht möglich.

Vielen Dank für das Interview!

Schwedische UNESCO-Kommission

Im Januar 1950 trat Schweden als 52. Mitgliedsstaat der UNESCO bei. Ein Jahr später gründete sich die Schwedische UNESCO-Kommission. Angesiedelt beim Ministerium für Bildung und Forschung berät sie die schwedische Regierung und informiert in Schweden über UNESCO-Themen.

Zurück zur Übersicht