Auf ein Wort,

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz

Heinz-Josef Friehe, Präsident des Bundesamts für Justiz

Heinz-Josef Friehe
Präsident des Bundesamts für Justiz

Interview mit Heinz-Josef Friehe, Präsident des Bundesamts für Justiz

Das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz) ist nach einer Übergangsfrist seit dem 1. Januar 2018 in Kraft. Es gilt für Telemediendiensteanbieter, die mit Gewinnerzielungsabsicht Plattformen im Internet betreiben, die dazu bestimmt sind, dass Nutzer beliebige Inhalte mit anderen Nutzern teilen oder in der Öffentlichkeit zugänglich machen. Das Bundesamt für Justiz kann bei Verstößen gegen die Pflichten des NetzDG Bußgeldverfahren gegen Unternehmen einleiten und Bußgelder verhängen.

Herr Friehe, wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen mit dem Gesetz? Mussten bereits Bußgeldverfahren eingeleitet und in der Folge Bußgelder verhängt werden?

Für uns im Bundesamt für Justiz war es zunächst einmal eine große Herausforderung, die Bereiche aufzubauen, die das Netzwerkdurchsetzungsgesetz zu verwalten haben. Das Gesetzgebungsverfahren war sehr kurz. Wir hatten nur wenige Wochen Zeit, die Räume zu beschaffen, das Personal einzustellen, die IT-Ausrüstung bereit zu stellen und so weiter. Das haben wir alles pünktlich zum Inkrafttreten des Gesetzes geschafft. Das Inkrafttreten war ja bereits am 1. Oktober 2017 und nach einer Übergangsfrist von drei Monaten ist das Gesetz mittlerweile voll anwendbar.

Und bisher mussten Sie aber noch keine Bußgeldverfahren einleiten?

Nein, wir haben noch keine Bußgeldverfahren eingeleitet. Auch die Zahl der Beschwerden ist sehr viel kleiner als ursprünglich vom Gesetzgeber angenommen. Der Gesetzgeber ist von 25.000 Beschwerden im Jahr ausgegangen. Wir haben im Moment eine Größenordnung von etwas mehr als 300 Beschwerden. Aus 300 Beschwerden kann man auch schwerlich das konstruieren, was das Gesetz voraussetzt, nämlich ein systemisches Versagen eines Netzwerkes. Die Beschwerden beziehen sich auf unterschiedliche Netzwerke und für ein einzelnes Netzwerk kommen eben noch gar nicht genügend Beschwerden zusammen, die es ermöglichen würden, ein systemisches Versagen anzunehmen.

Wir sind allerdings nicht nur aufgrund der Beschwerden tätig, sondern haben am Anfang sehr stark darauf achten müssen, dass die Unternehmen auch den Zustellungsbevollmächtigten benannt haben - dazu sind sie ja verpflichtet - und die Auskunftsperson für die Strafverfolgungsbehörden. In diesen Bereichen sind wir von Amtswegen tätig geworden. Wir standen in einem Fall kurz davor, ein Verfahren einzuleiten, aber das betroffene Netzwerk hat es gerade noch rechtzeitig geschafft, die Auskunftsperson zu benennen.

Das heißt die bisherige Zusammenarbeit mit den Unternehmen im Hinblick auf das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist im Großen und Ganzen gut verlaufen. Von wie vielen Anbietern erwarten Sie denn Berichte zum Umgang mit Beschwerden?

Ich muss ein bisschen vorsichtig umgehen mit dem Begriff der Zusammenarbeit. Bevor das Gesetz in Kraft getreten ist, haben wir über das Ministerium Kontakte mit dem ein oder anderen Netzwerk gehabt. Aber wir sind in unser aktuellen Arbeit vorsichtig, weil wir als Verfolgungsbehörde nicht vorher schon mit denen in einen zu guten Kontakt treten dürfen, die wir gegebenenfalls zu verfolgen haben.

Von wie vielen Anbietern erwarten Sie Berichte zum Umgang mit Beschwerden? Das zielt darauf ab, dass nur Unternehmen berichtspflichtig sind die eine gewisse Schwelle von angenommen Nutzern aber auch angenommenen Beschwerdefällen haben.

Das können wir noch nicht so richtig abschätzen. Im allgemeinen spricht man von den großen betroffenen Plattformen. Das sind Twitter, Facebook und Google/YouTube. Welche weiteren Anbieter noch dazu kommen, lernen wir gerade erst auch unsererseits kennen. Wir haben durch Beschwerden Hinweise auf Netzwerke bekommen, die uns bisher nicht bekannt waren. Es sind ja zum Teil ausländische Netzwerke.

Sie bieten unter www.bundesjustizamt.de/netzdg Nutzerinnen und Nutzern per Formular die Möglichkeit Sachverhalte zu melden, wenn die Unternehmen nicht innerhalb der gesetzlichen Fristen und entsprechend dem gesetzlich vorgesehenen Beschwerdeverfahren Inhalte löschen oder gesperrt haben. Wie ist die Resonanz der Nutzer auf dieses von Ihnen angebotene Meldeverfahren?

Das Formular wird in der Tat für Beschwerden genutzt. Von den Beschwerden, die wir haben - ich erwähnte ja eben, dass es etwas über 300 sind - sind so um die 260 über das Online-Formular zu uns gelangt. Die anderen eben auf anderen Wegen, auch per Post.

Sehen Sie aus den bisher von Ihnen gemachten Erfahrungen der ersten Monate, der ersten 100 Tage mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz, schon bereits erste Änderungsbedarfe am Gesetz?

Im Moment klären wir noch die eine oder andere Rechtsfrage  mit dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Das ist sehr hilfreich, weil das Ministerium die Motive des Gesetzgebers sehr gut offenlegen kann. In der Praxis ergeben sich für uns auch gewisse Änderungswünsche, die aber nicht ins große Ganze zielen, sondern eher in Detailfragen, die uns in unserer Arbeit beschäftigen. Als Beispiel möchte ich nennen die Auskunftsperson für die inländischen Strafverfolgungsbehörden. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz sieht vor, dass eine solche Person zu benennen ist; aber es lässt völlig offen, wem gegenüber das zu geschehen hat. Wir als Bundesamt für Justiz haben jetzt angeboten, dass die Netzwerke uns die entsprechenden Personen benennen können. Wir stellen die Angaben auf der Internetseite ein und die Strafverfolgungsbehörden können auf unserer Internetseite erkennen, wer als Ansprechpartner bei den Netzwerken zur Verfügung steht. Das ist aber ein Angebot, verpflichtend ist das nicht.

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