Auf ein Wort,

„Welterbe ist ein integraler Bestandteil der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik“

Dr. Birgitta Ringbeck

Dr. Birgitta Ringbeck
Leiterin der Koordinierungsstelle Welterbe beim Auswärtigen Amt

Über die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern im Welterbe sowie über den Beitrag Deutschlands zur Umsetzung der UNESCO-Welterbekonvention spricht Dr. Birgitta Ringbeck, Leiterin der Koordinierungsstelle Welterbe im Auswärtigen Amt.

Als Schnittstelle zwischen dem Bund und den für Kultur zuständigen Ländern gibt es seit 2012 die „Koordinierungsstelle Welterbe“ im Auswärtigen Amt, die zugleich die Aufgaben der/des Beauftragten der Kultusministerkonferenz für das Welterbe wahrnimmt. Sie haben diese Koordinierungsstelle inne. Was gehört zu Ihren Aufgaben?

Die Koordinierungsstelle Welterbe im Auswärtigen Amt ist ein gutes Beispiel, wie die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern jenseits von Zuständigkeitsfragen in produktiver Weise gestaltet werden kann. Dabei bin ich für die Umsetzung des Welterbeprogramms auf nationaler und internationaler Ebene zuständig. Zu meinen Aufgaben zählt die Teilnahme an den Sitzungen des UNESCO-Welterbekomitees und der UN-Generalversammlung, die Berichterstattung an die Bundesregierung und die Länder sowie die politische Koordinierung und die Begleitung der Verfahren; fachlich bin ich darüber hinaus oft in die Erstellung von Anträgen und deren Verteidigung im Evaluierungsverfahren und vorm Welterbekomitee sowie in das Berichtswesen zu eingetragenen deutschen Welterbestätten eingebunden. Zudem vertrete ich Deutschland und auch die Regionalgruppe Europa/Nordamerika regelmäßig in den Arbeitsgruppen des Welterbekomitees; derzeit bin ich beispielsweise Mitglied in den Arbeitsgruppen, die die Richtlinien und den Verhaltenskodex für alle Akteure er- und überarbeiten. Aufgrund meines fachlichen Hintergrundes – als Denkmalpflegerin bin ich ein Alien im AA – werde ich auch immer wieder in internationale Lenkungsausschüsse und Expertengruppen berufen, beispielsweise für die Erstellung der Welterbeverträglichkeitsprüfungen für die Historischen Bereiche von Istanbul und das Historische Zentrum von Wien sowie vor einigen Jahren für die Revision der Tentativliste des Vereinigten Königreichs.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit im Welterbe mit den auf Bundes- und Landesebene beauftragten Stellen für das Naturerbe in Deutschland?

Das Welterbeprogramm der UNESCO hat einen ganzheitlichen Ansatz, es gibt keine Trennung zwischen Kultur- und Naturschutz, die Übergänge sind fließend; deutlich wird das an den Kulturlandschaften wie dem Bergpark Wilhelmshöhe und dem Oberen Mittelrheintal, aber auch an Stätten wie der Grube Messel;  in Deutschland steht sie als paläontologische Stätte unter Denkmalschutz, gemäß den Kriterien des Welterbe-Übereinkommens wurde sie als Naturerbe in die Welterbeliste eingetragen. Auch der Klimawandel als eine der größten Herausforderungen macht deutlich, dass beispielsweise die Verantwortlichen für die Garten- und Parkanlagen vor den gleichen Fragestellungen in Hinblick auf Resilienz und nachhaltige Entwicklung stehen wie die der Buchenwälder. Verfahrenstechnisch gibt es auch keine Unterschiede, die Kommunikation mit dem Welterbezentrum der UNESCO läuft über die Koordinierungsstelle Welterbe im Auswärtigen Amt, und der Draht zu den zuständigen Kollegen und Kolleginnen im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit und im Bundesamt für Naturschutz ist genauso kurz wie zu denen in der Kultusministerkonferenz, den Ländern und den Welterbestätten.

Die UNESCO erkennt die Kulturen der Welt grundsätzlich als gleichrangig an. Welchen Beitrag leistet Deutschland bei den Bemühungen der UNESCO um Repräsentativität, Ausgewogenheit und Glaubwürdigkeit?

Mit der „Handreichung der Kultusministerkonferenz der Länder zum UNESCO-Welterbe“ hat sich die Ländergemeinschaft 2017 zu ihrer kulturpolitischen Verantwortung und ausdrücklich zu den Zielen der globalen Strategie der UNESCO insbesondere mit Blick auf den nachhaltigen Schutz der Welterbestätten sowie die Glaubwürdigkeit und die Ausgewogenheit der Welterbeliste bekannt. Ich gehe davon aus, dass das auch Auswirkungen auf die anstehende Fortschreibung der deutschen Tentativliste hat und sich die Zahl der deutschen Welterbestätten in der kommenden Dekade nicht mehr so rasant entwickeln wird wie zwischen 2001 und 2021. Der Beitrag des Auswärtigen Amtes zur Globalen Strategie und damit auch zu einer geographisch ausgewogeneren Verteilung der Stätten auf der bislang europäisch dominierten Welterbeliste konzentriert sich auf konkrete Projekte: In diesem Jahr wird beispielsweise das Projekt „African Modernism“ ermöglicht, mit dem die afrikanische Architektur der 1960/1970er Jahre in Hinblick auf ihr Welterbepotential untersucht werden soll. Das ist ein sehr spannender Ansatz, viele Bauten dieser Zeit sind außergewöhnliche Zeugnisse der Unabhängigkeit und des Aufbruchs; die baukünstlerische Verbindung traditioneller Formen und Materialien mit Elementen der Moderne des 20. Jahrhunderts ist genial.

Die Welterbekonvention ist 1972 im Geiste der internationalen Zusammenarbeit und Solidarität verabschiedet worden. Welche Rolle spielt die internationale Zusammenarbeit im Welterbe für die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik?

Welterbe ist ein integraler Bestandteil der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik, das wird schon in der Verankerung der Koordinierungsstelle Welterbe in der Kulturabteilung deutlich. Dabei spielt auch die Präsentation der deutschen Welterbestätten im Ausland eine Rolle; unsere Botschaft in Belgrad organisiert zum Beispiel gerade in enger Zusammenarbeit mit dem UNESCO-Welterbestätten Deutschland e. V. eine Welterbe-Ausstellung, die an ihrer Außenmauer gezeigt wird. Und die Botschaft in Rom startet eine Social Media-Kampagne zum Welterbeprogramm in Deutschland. Noch wichtiger aber ist die regelmäßige Unterstützung von Welterbestätten weltweit über das Kulturerhaltprogramm des Auswärtigen Amts. Die oft langfristig angelegten Restaurierungsmaßnahmen sind mit der Aus- und Fortbildung von Restauratoren vor Ort verbunden. Das jahrzehntelange Engagement der Fachhochschule Köln in der Tempelanlage Angkor Wat in Kambodscha hat zum Beispiel dazu geführt, dass man schon fast von einer Bauhütte sprechen kann, in der Wissen und Können der Denkmalpflege und Restaurierungsmethoden von Generation zu Generation weitergegeben werden.

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