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Revitalisierung des Spiels auf der diatonischen Handharmonika in Mecklenburg-Vorpommern

Die diatonische Handharmonika entstand zu Beginn des 19. Jahrhunderts im deutschen Sprachraum. Sie verbreitete sich zunächst in den Nachbarländern und später auch weltweit. Heute wird das Instrument vor allem im Ausland gespielt. In Deutschland war es fast verschwunden und prägt nun zunehmend wieder das lokale Bewusstsein der jüngeren Generationen.

Illustration Immaterielles Kulturerbe

Fakten

  • Aufnahmejahr: 2020
  • Verbreitung: Mecklenburg-Vorpommern
  • Zentraler Termin: ganzjährig
  • Beispiel Guter Praxis der Erhaltung Immateriellen Kulturerbes

Kontakt

Klöndör e.V.
Dr. Ralf Gehler
E-Mail

Das Spiel auf der diatonischen Handharmonika gehört seit den 1860er Jahren zu den stilprägenden Praktiken in der Ausübung instrumentaler Volksmusik in Mecklenburg und Vorpommern. Das relativ kleine Instrument eroberte schnell die Tanzsäle der Dörfer und bildete den musikalischen Hintergrund gemeinschaftlicher Unterhaltung.

Robust, laut und universell einsetzbar ersetzte die Handharmonika zunächst die Geigenensembles in der Volksmusik und prägte durch ihren spezifischen Aufbau neue Melodien in der Tanzmusik und im Lied. Im ersten Weltkrieg wurde das Spiel auf der Handharmonika zum Seelentröster in den Schützengräben. In den 1950er und 1960er Jahren ließen Rock'n'Roll und Beat das Instrument mehr und mehr aus den Tanzkapellen verschwinden und es führte bis in die 1970er Jahre ein Dasein auf Betriebs- und Familienfesten.

Das Spiel auf dem Instrument unterscheidet sich grundlegend vom Spiel des chromatischen Akkordeons. Das ursprüngliche Instrument des 19. Jahrhunderts war auf seiner Diskantseite mit zehn Knöpfen ausgestattet, die ein diatonisches Spiel über zwei Oktaven zuließen. Ein einfaches und sehr beschränktes Prinzip förderte ein Spiel nach Gehör. Nach 1900 erweiterten sich die musikalischen Möglichkeiten der diatonischen Handharmonika durch eine zweite und dritte Reihe und damit einer zusätzlichen Tonart, einiger Halbtöne sowie der Erweiterung der Bässe.

Das Interesse an der diatonischen Handharmonika wächst zurzeit innerhalb der Folkszene Deutschlands und Mecklenburgs. Ausschlaggebend ist das Wirken junger Spielerinnen und Spieler aus England, Belgien und Frankreich, welche aus dem Stil ihrer Tradition heraus eine moderne Volkstanzmusik schaffen. 

Jährlich stattfindende Seminare zur diatonischen Handharmonika werden regelmäßig von einem Dutzend Personen besucht. Die Anzahl von regelmäßig musizierenden und übenden Spielerinnen und Spielern in Mecklenburg-Vorpommern wird auf ungefähr 100 geschätzt. Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern unterstützt zudem eine wissenschaftliche Dokumentation des Spiels auf der diatonischen Handharmonika.

Der Zugang zu der Kulturform ist sehr offen. Die Instrumenten werden von mehreren deutschen oder internationalen Unternehmen hergestellt. Das Musizieren der Melodien geschieht häufig nach Gehör. Das Zentrum für Traditionelle Musik am Freilichtmuseum für Volkskunde in Schwerin bietet Informationen, Notenmaterialien, Seminare und Musiziermöglichkeiten für jede Person, die sich mit dem Instrument auseinandersetzen will.

Publikation

Bundesweites Verzeichnis Immaterielles Kulturerbe - Jubiläumsausgabe.
Deutsche UNESCO-Kommission, 2023

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