UNESCO-Welterbe Gartenreich Dessau-Wörlitz

Philosophisch-politisches Gartenkunstwerk

Als erster Landschaftsgarten nach englischem Vorbild auf dem europäischen Festland ist der Wörlitzer Park im Gartenreich Dessau-Wörlitz ein herausragendes Beispiel für die Landschaftsgestaltung zur Zeit der Aufklärung im 18. Jahrhundert (Aufnahmekriterium ii). Neben der ästhetischen Gestaltung einer Landschaft unter pädagogischen Gesichtspunkten war vor allem die Umsetzung philosophischer und politischer Ziele von zentraler Bedeutung. Das Gartenreich Dessau-Wörlitz wurde 2000 zum UNESCO-Welterbe ernannt.

 

 

Illustration Welerbestätten

Das 18. Jahrhundert war wegweisend in der Landschaftsgestaltung – die Kulturlandschaft in Sachsen-Anhalt ist ein außergewöhnliches Beispiel dieser Zeit (Aufnahmekriterium iv): außergewöhnliche Bauten, nach englischen Vorbildern gestaltete Parks und Gärten, subtil umgestaltete Agrarflächen und Flüsse und See, die von Tempeln im antiken Stil gesäumt werden. Zwischen der Bauhausstadt Dessau und der Lutherstadt Wittenberg gelegen, erstreckt sich das Dessau-Wörlitzer Gartenreich auf etwa 150 Quadratkilometern. 

Ausgangs- und Höhepunkt des einzigartigen Landschaftsgestaltung ist der Wörlitzer Park, der zwischen 1765 und 1813 von Leopold III. Friedrich Franz, Fürst und Herzog von Anhalt-Dessau (1740 – 1817) und seinem Berater, dem Architekten Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, gestaltet worden ist. Zahlreiche Anregungen fanden sie auf Bildungsreisen – den sogenannten Grand Tours - in England, Frankreich, Italien und den Niederlanden. Der Venustempel oder das Pantheon im Ostteil des Gartens erinnern an römische Vorbilder. Das Schloss im englischen Landhausstil gilt als Gründungsbau des Klassizismus in Deutschland. Heute beherbergt es unter anderem antike Plastiken, Gemälde und Gefäße der berühmten Wedgewood-Manufaktur. Die aufklärerischen und pädagogischen Absichten der Bauherren zeigen sich in der Offenheit der Anlage: Kein Zaun trennte den Garten von der Stadt, jedermann hatte freien Zutritt und konnte sogar das Schloss besichtigen.

Ein bedeutendes Merkmal des Gartenreiches ist die epochenübergreifende Vernetzung des Wörlitzer Parks mit den älteren Anlagen in Oranienbaum und Dessau-Mosigkau. So entstand in einer Zeitspanne von annähernd 40 Jahren ein einzigartiges Gesamtkunstwerk. Leitendes Prinzip des Fürsten war es, das „Nützliche mit dem Angenehmen“ (Horaz) zu verbinden. Kunst, Kultur und Natur sind im Gartenreich in einzigartiger harmonischer Weise miteinander verbunden. Das heutige UNESCO-Welterbe vereint nicht nur die Gärten, Parks und Schlösser in Wörlitz, Oranienbaum, Luisium und Mosigkau, sondern auch den Landschaftsgarten Großkühnau sowie Schloss und Park Georgium. Die neuartige, umfassende Landschaftsgestaltung war das wichtigste Projekt des Fürsten im Rahmen der von ihm initiierten „Landesverschönerung“. Diese umfasste Reformen in nahezu allen Lebensbereichen, so in der Bildungspolitik, aber auch im Wirtschaftsleben. Kaum ein Bereich des öffentlichen Lebens wurde hier ausgeklammert.

Als Anhänger der Aufklärung nutzte der Fürst und spätere Herzog (ab1807) die Kunst der Gartengestaltung zum Ausdruck seiner politischen Ziele. Viele der Bauten und Statuen wurden als erzieherische Elemente zur Verfeinerung der Moral des Betrachters konzipiert. Ausgehend von der Idee der „ornamented farm“ hielt die Landwirtschaft als Grundlage des alltäglichen Lebens Einzug in die Gartenlandschaft. Auch technologische Errungenschaften bilden eine weitere Charakteristik dieser Landschaft, sie stehen für das kontinuierliche Streben nach der Moderne. In einem Teil des Barockparks Oranienbaum wurde ein englisch-chinesischer Garten angelegt, der heute das einzige erhaltene Beispiel eines solchen Gartens aus der Zeit vor 1800 in seiner ursprünglichen Form ist.

Schloss Wörlitz ist das erste neoklassizistische Gebäude in der deutschen Architekturgeschichte. Das Gotische Haus nahm entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der Neogotik in der mitteleuropäischen Architektur. Zum ersten Mal wurde der gotische Stil zum Ausdruck einer politischen Botschaft verwendet – dem Erhalt der Souveränität der kleineren Reichsgebiete.

Das Gartenreich Dessau-Wörlitz wurde aufgrund der sorgfältigen und strukturierten Einbindung wirtschaftlicher, technologischer und funktionaler Bauwerke und Parks in die künstlerisch gestaltete Landschaft zu einem wichtigen Sammelbecken neuer Ideen. Das Gartenreich kann daher als gebauter Ausdruck der philosophischen Ideen der Aufklärung betrachtet werden.

Die Welterbestätte nahm teil an einem Modellvorhaben der Deutschen Bundesstiftung Umwelt zur Erfassung der Wechselwirkungen von Umweltbelastungen, Boden- und Wasserverhältnissen zur Gefahrenabwehr für den Gehölzbestand der Wörlitzer Anlagen und des Luisiums. Mit der Erfassung der grundlegenden Boden- und Standortbedingungen sowie der Schäden und Gefährdungen für den Gehölzbestand im Zusammenhang mit einer Boden- sowie Grund- und Oberflächenwasseranalyse sollten die Voraussetzungen für eine gezielte Verbesserung der Wachstumsbedingungen sowie Maßnahmen zur Gefahrenabwehr vorgeschlagen und ein Mess- und Überwachungssystem geschaffen werden.

Publikation

Welterbe in Deutschland. Deutschsprachige Sonderausgabe der Zeitschrift 'World Heritage', Nr. 76, des UNESCO-Welterbezentrums.
UNESCO; Deutsche UNESCO-Kommission, 2014

In einem gemeinsamen Marketingverbund kooperiert das Gartenreich eng mit den anderen UNESCO-Stätten der Region - Luthergedenkstätten, Bauhaus und Biosphärenreservat Mittlere Elbe. Der Austausch zwischen den Stätten – vor allem zwischen Kultur- und Naturstätten- ist ein zentrales Anliegen der UNESCO, die sich für die Erhaltung und nachhaltige Entwicklung des natürlichen und kulturellen Erbes einsetzt.

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