Pressemitteilung,

Zwölf weitere Stätten auf der UNESCO-Welterbeliste

Zwei Häuser der Stuttgarter Weissenhofsiedlung sind Welterbe

Das UNESCO-Welterbekomitee hat heute auf seiner 40. Sitzung in Istanbul zwölf weitere Stätten in die Liste des Welterbes aufgenommen. Dazu zählt auch das Werk Le Corbusiers mit zwei Häusern der Stuttgarter Weissenhofsiedlung. Den Welterbetitel erhielten darüber hinaus Stätten wie der Kangchendzönga-Nationalpark im Herzen des Himalaya-Gebirges in Nordindien, das Ensemble der Moderne im brasilianischen Pampulha oder die Fossilien-Fundstätte "Mistaken Point" in Kanada. Erstmals auf der Welterbeliste vertreten ist der Inselstaat Antigua und Barbuda mit der Marinewerft "Nelson's Dockyard". Am 15. Juli hatte das Welterbekomitee bereits neun Stätten in die Welterbeliste eingeschrieben. Insgesamt wurden in diesem Jahr damit 21 neue Welterbestätten aufgenommen.

Die neuen UNESCO-Welterbestätten:

Antigua und Barbuda: Marinewerft "Nelson's Dockyard" und zugehörige archäologische Stätten auf Antigua

Die Marinewerft "Nelson's Dockyard" besteht aus mehreren von einer Festungsmauer umschlossenen Hafengebäuden und -anlagen der georgianischen Epoche. Die natürliche Umgebung dieses Teils der Insel Antigua bot seinerzeit mit seinen tiefen von Bergland umgebenen Buchten Schutz vor Stürmen und eine günstige Lage für Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten an Schiffen. Der Bau der Werft Ende des 18. Jahrhunderts durch die britische Marine war damals nur durch den wesentlichen Beitrag afrikanischer Arbeiter möglich. Ziel der Anlage war es, die Interessen der Besitzer der Zuckerrohrplantagen in einer Zeit zu schützen, in der die europäischen Nationen miteinander um die Kontrolle der östlichen Karibik rivalisierten.

Argentinien, Belgien, Deutschland, Frankreich, Indien, Japan, Schweiz: Das architektonische Werk von Le Corbusier – ein herausragender Beitrag zur "Modernen Bewegung"

 In die Welterbeliste wurden 17 Bauten und Ensembles des Architekten Le Corbusier aus sieben Ländern aufgenommen. Seine Werke zeugen von der Erfindung einer neuen Architektursprache, die mit der Vergangenheit bricht. Sie entstanden über einen Zeitraum von einem halben Jahrhundert – in einer Periode,  die Le Corbusier als eine "unermüdliche Suche" bezeichnete. Die Regierungsgebäude von Chandigarh (Indien), das Nationalmuseum für westliche Kunst in Tokio (Japan), das Haus Curutchet in La Plata (Argentinien) oder die Unité d’Habitation in Marseille (Frankreich) spiegeln die Antworten wider, welche die Moderne Bewegung auf die Fragen nach der Erneuerung der Architektur im Laufe des 20. Jahrhunderts geben wollte, mit dem Ziel, den Bedürfnissen der Gesellschaft nachzukommen. Darüber hinaus belegen die Bauwerke die Internationalisierung der Architektur in globalem Umfang. Aus Deutschland wurden zwei von Le Corbusier erbaute Häuser der Stuttgarter Weissenhofsiedlung in die Liste aufgenommen.

Brasilien: Ensemble der Moderne in Pampulha 

Das Ensemble der Moderne in Pampulha bildete das Zentrum eines visionären Städtebauprojekts für eine Gartenstadt, welches 1940 in Belo Horizonte, der Hauptstadt des Bundesstaats Minas Gerais, entstand. Das Kultur- und Freizeitzentrum liegt inmitten eines künstlichen Sees und bestand ursprünglich aus einem Kasino, einem Ballsaal, einem Golf- und Yacht-Club und der Kirche São Francisco de Assis. Alle Gebäude wurden von dem Architekten Oscar Niemeyer entworfen, der mit wegweisenden Künstlern seiner Zeit zusammenarbeitete. Das Ensemble zeichnet sich durch gewagte Formen aus, welche die plastischen Eigenschaften des Betons optimal nutzen und in denen unterschiedliche Kunstformen – Architektur, Landschaftsgartenbau, Bildhauerei und Malerei – ineinander aufgehen, um ein harmonisches Ganzes zu schaffen. Das Ensemble ist ein Beleg für den Einfluss lokaler Traditionen sowie des Klimas und der Umwelt Brasiliens auf die Prinzipien der modernen Architektur.

China: Shennongjia – Waldgebiet in der chinesischen Provinz Hubei

Shennongjia liegt in der Provinz Hubei im östlichen Zentralchina. Als Welterbe wurden zwei Teilgebiete ausgewiesen: Das Naturreservat Shennongding/Badong im Westen und die Wälder von Laojunshan im Osten. Es sind die größten Urwälder Zentralchinas und wichtige Schutzgebiete zur Erhaltung der biologischen Vielfalt. Zahlreiche seltene Tierarten leben hier, darunter gefährdete Primatenarten wie die Goldstumpfnase, Raubkatzen wie der Nebelparder oder der Leopard, Kragenbären und der Chinesische Riesensalamander. Shennongjia spielte auch in der Geschichte der botanischen Forschung eine wichtige Rolle. Bereits im 19. Jahrhundert erkundeten internationale Forschungsexpeditionen die Vielfalt der Pflanzenarten in Shennongjia.

Indien: Kangchendzönga-Nationalpark

Der Kangchendzönga-Nationalpark liegt im Herzen des Himalaya-Gebirges im nordindischen Bundesstaat Sikkim. Das Gebiet umfasst eine vielfältige Naturlandschaft mit Ebenen, Tälern, Seen, Gletschern und mit Urwäldern bewachsenen und Schnee bedeckten Bergen. Benannt ist der Nationalpark nach dem Berg Kangchendzönga, der mit 8.586 Metern der dritthöchste Gipfel der Welt ist. Der Berg sowie die Berglandschaft mit ihren Höhlen, Flüssen und Seen haben mythologische Bedeutung und sind Gegenstand der Verehrung durch die indigenen Völker der Sikkim. Die Erzählungen und Praktiken, in denen die heilige Bedeutung des Berges überliefert ist, wurden in die buddhistische Glaubenslehre integriert und bilden die Grundlage der sikkimesischen Identität.

Irak: Marschland "Al-Ahwar" im Südirak – Schutzgebiet der Artenvielfalt und Reliktlandschaft mesopotamischer Städte

Al-Ahwar vereint Kultur- und Naturerbe. In die Welterbeliste wurden drei archäologische Stätten und vier Marschgebiete im Süden des Landes aufgenommen. Die archäologischen Städte Ur und Uruk sowie die Ausgrabungsstätte Tell Eridu sind Überreste sumerischer Städte und Siedlungen, die in Südmesopotamien zwischen dem vierten und dritten Jahrtausend v. Chr. im Sumpfdelta von Euphrat und Tigris entstanden. Das Marschland Al-Ahwar im Südirak umfasst Sumpfregionen, die als einzigartig gelten, denn sie bilden eines der größten Binnendeltas weltweit in einer extrem heißen und trockenen Umgebung.

Iran: Wüste von Lut 

Die Wüste von Lut, oder Dasht-e Lut, liegt im Südosten des Iran. Zwischen Juni und Oktober fegen heftige Winde durch diese subtropische Trockenzone, die Sedimentverwehungen und Winderosionen in kolossalem Ausmaß nach sich ziehen. Einige der herausragendsten Beispiele für sogenannte Yardang-Felder mit stromlinienförmigen Gesteinsformationen sind in der Wüste Lut zu finden. Andere Teilgebiete bestehen aus Steinwüsten, riesigen Sandwällen und Plateaus oder ausgedehnten Dünenfeldern. Die Wüste Lut stellt ein außergewöhnliches Beispiel für anhaltende geologische Prozesse dar.

Kanada: Schutzgebiet Mistaken Point

Das Schutzgebiet im äußersten Südosten der Insel Neufundland besteht aus einem schmalen, 17 Kilometer langen Küstenstreifen. Die zerklüftete Steilküste mit spektakulären Felsklippen formte sich im Ediacarium vor circa 560 bis 580 Millionen Jahren, als die Landmasse vom Meeresgrund aufstieg. Mistaken Point gilt als eine der bedeutendsten Fundstätten von Ediacara-Fossilien, den ältesten bekannten Makrofossilien. Die Ediacara-Fossilien veranschaulichen einen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte des Lebens auf der Erde. Sie belegen das erste Auftreten von großen und biologisch komplexen Organismen nach drei Milliarden Jahren Evolution, in der bis dahin Mikroorganismen vorherrschend waren.

Kasachstan, Kirgisistan, Usbekistan: Westliches Tian-Shan-Gebirge

Das Tian-Shan-Gebirge ist ein einzigartiger Naturkomplex und zählt zu den sieben größten Gebirgsketten weltweit. Die unterschiedlichen Landschaftsformen reichen von Schluchten über Gipfel und Gletscher bis zu Feuchtgebieten, Wiesen und Steppen. Das Schutzgebiet ist unter anderem Lebensraum des bedrohten Schneeleoparden und von anderen wandernden Tierarten. Durch die Anerkennung als grenzübergreifendes Welterbe wird zugleich eine intensivere Zusammenarbeit der drei beteiligten Staaten im Bereich des Naturschutzes gefördert.

Mexiko: Revillagigedo-Inselgruppe

Die im Ostpazifik gelegene Inselgruppe besteht aus den vier Vulkaninseln San Benedicto, Socorro, Roca Partida und Clarión. Das unbewohnte und weit vom Festland abgelegene Archipel ist ein vom Menschen nahezu unberührter Naturraum, in dem sich eine große Artenvielfalt entwickelt hat. Seltene Reptilien- und Seevogelarten leben auf den Inseln. Das von der UNESCO geschützte Gebiet schließt neben den Inseln auch die umliegenden Gewässerzonen ein. Damit wird insbesondere dem Schutz bedrohter Arten wie Riesenmanta, Wale, Delfine, Haie und Meeresschildkröten Rechnung getragen.

Sudan: Meeres-Nationalparks Sanganeb-Atoll und Dungonab-Bucht – Insel Mukkawar

Als Welterbe wurden zwei Meeres-Schutzgebiete anerkannt: Das Sanganeb-Atoll ist ein isoliert gelegenes Korallenriff im Roten Meer, 25 Kilometer vor der sudanesischen Küste. Das zweite Schutzgebiet besteht aus der Bucht von Dungonab und der Insel Mukkawar, die 125 Kilometer nördlich von Port Sudan liegt. Die Nationalparks schützen wertvolle Korallenriffe, Mangroven, Seegraswiesen und Inseln, die für die Erhaltung der Artenvielfalt bedeutsam sind. Die Schutzgebiete sind der Lebensraum von zahlreichen Meeresvögeln, Meeressäugern, Fischen, Haien, Schildkröten und Mantarochen. Darüber hinaus lebt in der Bucht von Dungonab eine der weltweit größten Populationen von Dugongs, einer seltenen Seekuh-Art.

Tschad: Natur- und Kulturlandschaft des Ennedi-Massivs

Das Ennedi-Massiv im Tschad ist ein riesiger Sandsteinkomplex inmitten der Sahara. Die Region hat große Bedeutung für die geowissenschaftliche Forschung. Zugleich ist Ennedi eine bedeutende Fundstelle von prähistorischen Felsbildern aus der frühen Eisenzeit, der Periode der ersten Jäger und Sammler. Die Gravuren zeigen Männer mit Lanze und Schild, der typischen Ausrüstung der Eisenzeit. Neuere Malereien zeigen gepanzerte Pferde und Reiter. Die Gravuren und Malereien sind aufgrund ihrer Fülle, ihrer zeitlichen Kontinuität und ihres guten Erhaltungszustand eine reiche archäologische Quelle.

Informationen zu den neun am 15. Juli aufgenommenen Welterbestätten   

Hintergrund

Aufgrund der Sicherheitslage in Istanbul wurden die Beratungen des Welterbekomitees am 16. Juli ausgesetzt und heute vorzeitig beendet. Die verbleibenden Tagesordnungspunkte werden in einer außerordentlichen Sitzung im Oktober 2016 am UNESCO-Hauptsitz in Paris nachgeholt. Die nächste ordentliche Sitzung des Welterbekomitees findet vom 2. bis 12. Juli 2017 in Krakau, Polen, statt.

Das UNESCO-Welterbekomitee setzt sich aus 21 gewählten Vertragsstaaten der Welterbekonvention zusammen und entscheidet jährlich über die Einschreibung neuer Kultur- und Naturstätten in die Welterbeliste. Mit den heutigen Neueinschreibungen stehen nun 1.052 Kultur- und Naturstätten in 165 Ländern auf der UNESCO-Welterbeliste. Deutschland verzeichnet nun 41 Welterbestätten. Kriterien für die Anerkennung als UNESCO-Welterbe sind unter anderem der außergewöhnliche universelle Wert der Stätte und ein Managementplan, der die Erhaltung des Erbes für zukünftige Generationen sicherstellt. Mit der Einschreibung in die Welterbeliste verpflichten sich die Vertragsstaaten, die Welterbestätten auf ihrem jeweiligen Staatsgebiet zu schützen und somit für künftige Generationen zu bewahren.

Weitere Informationen

Informationen zur 40. Sitzung des UNESCO-Welterbekomitees im Überblick   

Fotos der neuen Welterbestätten  

FAQ Welterbe  

Pressekontakt

Deutsche UNESCO-Kommission
Pressesprecherin
Katja Römer
Telefon: 0177-4799530
E-Mail: roemer(at)unesco.de