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Der „Pfingsttanz“ als Basis der kommunalen Entwicklung in der Verbandsgemeinde Mansfelder Grund-Helbra

Pfingstvereine gibt es zahlreich, aber jene in den Dörfern Ahlsdorf, Blankenheim, Hergisdorf und Kreisfeld in der Verbandsgemeinde Mansfelder Grund-Helbra zeigen modellhaft, wie ein gemeinsamer Brauch zu intensiver Zusammenarbeit auf kommunaler und kultureller Ebene führen kann. In der Gegend sind Pfingstbräuche mindestens seit Anfang des 19. Jahrhunderts bekannt, seit 1922 sind sie auch fotografisch und namentlich dokumentiert.

Illustration Immaterielles Kulturerbe

Fakten

  • Aufnahmejahr: 2018
  • Verbreitung: Ahlsdorf, Blankenheim, Hergisdorf und Kreisfeld (Sachsen-Anhalt)
  • Zentraler Termin: Pfingsten
  • Beispiel Guter Praxis der Erhaltung Immateriellen Kulturerbes

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Verbandsgemeinde Mansfelder Grund-Helbra
Verbandsgemeindebürgermeister Norbert Born
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Zwar unterscheiden sich die Veranstaltungsabläufe der einzelnen Pfingstgesellschaften, im Kern haben sie jedoch alle den Hintergrund der Vertreibung des Winters und des Herbeisehnens des Frühlings als „fruchtbringende Zeit“. Der „Pfingsttanz“ ist fest verankert im Jahresrhythmus und aus dem kulturellen Leben in der Verbandsgemeinde Mansfelder Grund-Helbra nicht wegzudenken. In den Pfingstgesellschaften sind sowohl Mitglieder der jüngeren wie auch der älteren Generationen engagiert.

In den Monaten vor Pfingsten stecken alle Vereine in ihren jeweiligen Vorbereitungen für den „Pfingsttanz“. Das Nähen der traditionellen Kleidung, das Falten der Schleifen und Wickeln von Girlanden, das Bestellen von Maien (Maibäumen) beim Förster und die Planungen der Feierlichkeiten sind stets Gemeinschaftsaktivitäten. Das Austragen der Maien im Ort am Pfingstsamstag ist der erste „Programmpunkt“. Dabei ziehen die Burschen in Begleitung einer Kapelle von Haus zu Haus, um die Bürger mit der Maie und einem Ständchen zu erfreuen. Diese bedanken sich mit einem Obolus bei der Pfingstgesellschaft. Der am Samstag stattfindende Tanz – der traditionelle Schürzenball – mündet nach einem Frühschoppen am Pfingstsonntag in einen nachmittäglichen Festumzug mit peitschenknallenden Läufern im Ort. Seinen Höhepunkt findet dieser Tag wieder mit einer am Abend organisierten Tanzveranstaltung. Am Pfingstmontag findet die traditionelle „Waldpartie“ statt: Man zieht gemeinsam mit den Pfingstburschen in den Wald. Beim Festumzug am Nachmittag verkörpern die Pfingstburschen, gekleidet in Weiß mit bunten Hüten, den Frühling. Nach dem Umzug beginnen erneut Tänze und Spiele bis zum Morgengrauen. Am Pfingstdienstag ziehen die Pfingstburschen durch den Ort, um Gaben der Bürger als „Dankeschön“ entgegenzunehmen. Abends findet das Pfingstwochenende mit einer an kirchliche Traditionen angelehnten „Beerdigung des Pfingsttanzes“ sein Ende.

Für die Pfingstgesellschaften beschränkt sich das Vereinsleben allerdings längst nicht mehr nur auf die Feierlichkeiten um die Pfingstzeit. Jährlich im Januar gibt es ein Vernetzungstreffen der Vereine. Um Nachwuchs zu akquirieren und im Austausch untereinander zu sein, organisieren die Vereine weitere Festveranstaltungen (zum Beispiel Osterfest, Frühlings- und Herbstfeste), betreiben gezielte Öffentlichkeitsarbeit in den Kindertageseinrichtungen und Schulen und planen gemeinsame Arbeitstreffen der Pfingstvereine untereinander wie auch in Zusammenarbeit mit anderen Vereinen (zum Beispiel Spielmannszüge, Sportvereine). Ausgehend von den positiven Erlebnissen des Pfingsttanzes wurden in gemeinsamen Arbeitstreffen zahlreiche neue Ideen entwickelt. So sind aus anfänglichen Erfahrungsaustauschen mittlerweile Partnerschaften auf Vereins- und kommunalpolitischer Ebene entstanden.

Die gemeinsame Tradition sowie deren Pflege bildete eine nicht zu unterschätzende Basis für den Zusammenschluss der Gemeinden in der Verbandsgemeinde Mansfelder Grund-Helbra. Gegenseitiger Erfahrungsaustausch und gemeinsame Lernprozesse finden in der Zusammenarbeit der Vereine über Gemeindegrenzen hinweg statt. Hier lag und liegt das Vorbild für kommunalpolitische Akteure. Aus den Anfängen der Zusammenarbeit der Pfingstvereine entstand das Integrierte gemeindliche Entwicklungskonzept (IGEK) der Verbandsgemeinde, worin festgeschrieben wurde, die Vereinstätigkeit sowie vorhandene Freizeitangebote gemeinsam zu erhalten und zu fördern, um die Attraktivität der einzelnen Orte sowie die Identifikation der Bevölkerung mit ihrem Wohnort bzw. der Region zu steigern. Neben der Kooperation beim gemeinsamen Brauch des Pfingsttanzes wurden davon ausgehend auch auf anderen Ebenen Kooperationen geschlossen.

So ist etwa die Einrichtung eines zentralen Bauhofes mit gemeinsamer Nutzung der kostenintensiven Großtechnik im IGEK verankert. Kooperationen bezüglich des Technikeinsatzes kommen unter anderem auch der Durchführung des Pfingsttanzes zugute, da die Festplätze und Hallen mit den Bauhöfen für das Fest vorbereitet werden. Darüber hinaus wurden gemeinsame Leitlinien für ein Klimaschutzkonzept festgeschrieben, die in der Funktion eines Klimamanagers münden sollen. Erste Ansätze zu kommunalpolitischer Zusammenarbeit zeigten sich auch im Abstimmungsverhältnis zu Investitionsmaßnahmen. Für das Haushaltsjahr 2017 war die Sanierung der Mehrzweckhalle Blankenheim im Haushalt der Verbandsgemeinde geplant, um sie dann vereinsübergreifend zu nutzen. Das gemeinsame Gemeindekonzept beinhaltet auch ein Konzept für eine gemeinsame Schullandschaft mit spezialisierten Angeboten für alle Orte. Auch andere Vereine nehmen sich ein Beispiel daran und es entstand die Idee, gezielt Sporthallen der Verbandsgemeinde für bestimmte Sportarten vorzuhalten, um so den ständigen Ab- und Aufbau der Geräte zu vermeiden. Weil das Motto „Gemeinsam feiern, organisieren, planen“ funktioniert, arbeiten die Akteure für die Zukunft auch an der Aktivierung anderer Pfingstvereine in einem größeren Umkreis.

In der Region haben die Vereine erkannt, dass nur ein Miteinander und eine stetige Pflege der Kontakte untereinander zu einem Erhalt ihrer Tradition über Generationen hinaus führen. Das gemeinsame Schulkonzept wiederum unterstützte die Pfingstgesellschaften beim Wandel der eigenen Tradition, nämlich einer Abkehr von der „Generationen-Tradition“: Waren früher nur Läufer zugelassen, wenn der Vater bereits Läufer war, erfolgt nun die Akquirierung „kleiner Läufer“ durch gezielte Kinder- und Jugendarbeit. Dies hat die Nachwuchsprobleme behoben. Auch Frauen und Zugezogene haben nunmehr die Möglichkeit, sich aktiv in das Vereinsleben zu integrieren. Mit der Öffnung einer Mitgliedschaft für alle wurde dem demographischen und gesellschaftlichen Wandel Rechnung getragen. Auch frühere Zuschauende bzw. reine Helfende im Hintergrund werden dadurch nun aktiv eingebunden.

Publikation

Bundesweites Verzeichnis Immaterielles Kulturerbe - Jubiläumsausgabe.
Deutsche UNESCO-Kommission, 2023

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