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Junge Experten für den Schutz und Erhalt des Menschheitserbes in Syrien

Von Saskia Baderschneider und Zoya Masoud

Als Teil des kulturellen Erbes der gesamten Menschheit und Ausdruck kultureller Vielfalt sind syrische Kulturgüter grundsätzlich schützenswert – umso dringlicher angesichts des gegenwärtigen Bürgerkriegs. Es droht der unwiederbringliche Verlust von Bauwerken, Artefakten, sprachlicher Diversität und vielfältigen kulturellen Praktiken: Kulturerbe gehört zu den Menschenrechten und ist Bestandteil von Lebensqualität. Syrische Kulturgüter sind zudem die Grundlage für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Syrien in Vergangenheit und Gegenwart. Die Zerstörung von Kulturgütern und archäologischen Kontexten unterwandert die Möglichkeit der wissenschaftlichen Erschließung und Aufbereitung des Materials. 

Der Schutz der Bevölkerung und ihre Grundversorgung besitzen höchste Priorität. Der Schutz von Kulturgütern ist hierzu aber kein Widerspruch. Es geht nicht um „Menschen oder Artefakte“, sondern um „Menschen und Artefakte“, kulturelles Erbe existiert nur durch die Menschen, die dieses Erbe lebendig erhalten. Dies gilt umso mehr für immaterielle Kulturgüter. Kulturelles Erbe als Teil des kollektiven Gedächtnisses hat eine stabilisierende emotionale Wirkung und trägt zum psychischen Wohlbefinden bei. Syrer und Syrerinnen setzen ihr Leben für die Bewahrung von Kulturgütern aufs Spiel. Diese positiven Signale gegen den Krieg verdienen nicht nur Respekt und Bewunderung, sondern vor allem unsere tatkräftige Unterstützung.

Das syrische Kulturerbe ist besonders reich

Das syrische Kulturerbe ist besonders reich, weil es das Produkt kultureller, ethnischer sowie religiöser Austausch- und Migrationsprozesse ist. Hierin liegt das Potenzial des kulturellen Erbes Syriens, zu Versöhnung und der Entwicklung einer offenen und demokratischen Gesellschaft beizutragen, die sich ihrer vielgestaltigen Wurzeln bewusst ist. Dabei darf nicht vergessen werden, dass auch über den Bürgerkrieg hinaus die Gefahr der politischen Instrumentalisierung dieses kulturellen Erbes bestehen bleibt.

Die UNESCO sollte Akteuren unterschiedlicher politischer Couleur eine Plattform zu Austausch und Zusammenarbeit beim Schutz des kulturellen Erbes bieten. Sie sollte weiterhin entschieden zur Gestaltung des Wiederaufbauprozesses unter den Vorzeichen des Erhalts der kulturellen Vielfalt und dem Schutz des kulturellen Erbes beitragen. Dabei sollte sie explizit die Perspektive marginalisierter Gruppen wie Frauen und Kinder mit einbeziehen und diese durch Capacity Building mit Kompetenzen ausstatten. Die UNESCO sollte zudem aktiv an der Verbreitung des Konzepts „Kulturelles Erbe“ über den Kreis von Heritage Professionals hinaus arbeiten und die enge Zusammenarbeit mit anderen internationalen und UN-Organisationen bei der Koordinierung des Wiederaufbauprozesses suchen.

Kulturerbe besitzt eine verbindende Kraft

Bei der UNESCO-Tagung zum syrischen Kulturerbe im Juni 2016 in Berlin war das Zusammenkommen unterschiedlichster Akteure wesentlich. Hierbei ist klar geworden: Kulturerbe besitzt trotz aller Spaltungen eine verbindende Kraft und sein Erhalt stellt ein geteiltes Interesse dar. Neben der kritischen Evaluation der bisher getroffenen Maßnahmen sowie der Anpassung des Action Plan von 2014 liegt hierin eine gewaltige Chance.

Diese Chance wollen auch wir als junge Generation nutzen und haben deshalb im Anschluss an die Tagung ein Netzwerk gegründet. Die internationale Zusammensetzung des Netzwerkes trägt zum intensiven Austausch bei und ermöglicht es, dass junge syrische und internationale Kollegen gemeinschaftlich Ideen entwickeln und Ziele verfolgen. Für Menschen, die noch am Beginn ihrer beruflichen Entfaltung stehen, bietet das Netzwerk einen Rahmen, mit ihren Fähigkeiten und ihrem Engagement zum Erhalt des syrischen Kulturerbes beizutragen. Gerade im Hinblick auf den Wiederaufbau in Syrien spielen junge Menschen eine zentrale Rolle, da sie wesentlich an der Gestaltung und Umsetzung dieses Prozesses beteiligt sein werden.

Im Jahr 2017 steht erst mal die Konsolidierung des Netzwerks im Vordergrund. Zudem wollen wir die Fähigkeiten der Mitglieder nutzen und durch Workshops weiterbilden, um hierauf aufbauend konkrete Projekte zu entwickeln. Um effektiv vorgehen zu können, erstellen wir zudem eine Liste von existierenden Initiativen, die sich mit kulturellem Erbe befassen, um Bereiche zu identifizieren, die bisher keine oder nur wenig Berücksichtigung gefunden haben.

 

Saskia Baderschneider und Zoya Masoud sind Mitglieder des Young Experts Forum „Unite for Syrian Heritage“

Saskia Baderschneider...

...hat Assyriologie, Vorderasiatische Archäologie und Semitistik in Heidelberg und Paris studiert. Gegenwärtig arbeitet sie an ihrer Dissertation zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte der altorientalischen Stadt Assur im ersten Jahrhundert vor Christi. Seit einigen Jahren beschäftigt sie sich mit Fragen des Kulturgutschutzes und des kulturellen Erbes sowie dessen Vermittlung im musealen Kontext.

Zoya Masoud...

...ist eine syrische Architektin und trägt derzeit zum „Aleppo Archive in Exile“-Projekt an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg, zu dem „Syrian Heritage Archive Project“ am Museum für Islamische Kunst in Berlin und dem Projekt „Multaka: Treffpunkt Museum – Geflüchtete als Guides in Berliner Museen“ bei. Als bauleitende Architektin restaurierte sie zwischen 2010 und 2012 Teile der Altstadt von Damaskus. Nach Abschluss ihres Masters in nachhaltiger Stadtplanung an der HafenCity Universität Hamburg beschäftigt sie sich nun in ihrer Doktorarbeit mit dem sozialen Kapital und der Architektur in Aleppo.